Читать книгу Medienanalyse - Sabine Schiffer - Страница 27

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 Thomas Leif & Rudolf Speth (Hg.) (2006): Die fünfte Gewalt: Lobbyismus in Deutschland. Wiesbaden: Springer VS.

 Netzwerk-Recherche: Vereinigung PR- und Lobby-kritischer Journalisten www.netzwerk-recherche.de.

 »Bertelsmann-Kritik« von Labournet (eine anti-Bertelsmann-Website mit Impressum) www.archiv.labournet.de/diskussion/wipo/gats/bertelsmannkritik.html.

 Edward Herman & Noam Chomsky (2002): Manufacturing Consent – The Political Economy of the Mass Media. 2. Auflage. New York: Pantheon Books.1.3 Mehr Ausblick als Zusammenfassung

Es dürfte aufgefallen sein, dass die technisierte Kommunikation in diesem Lehrbuch keine eigene Rolle spielt. Eine klare Trennlinie zwischen Massenmedien und Internetkommunikation lässt sich nicht ziehen. Auf den Reflex, Probleme auf das Internet zu schieben und damit die eigenen Leistungen des etablierten Journalismus zu idealisieren, wurde bereits hingewiesen. Natürlich spielen die besonderen Kommunikationsformen in Chatgroups, Filterblasen durch Algorithmen etc. eine wichtige Rolle. Auch darauf wird noch einzugehen sein. Aber in diesem Lehrbuch geht es um das, was auf allen Kanälen die zentrale Rolle spielt: Die Konstruktionsprinzipien von Darstellungen über die Welt mittels Zeichen(systemen) als mögliche Grundlage von Meinungsbildung.

Einzelne Disziplinen nähern sich dem Gegenstand bis zu einem gewissen Grad. Manchmal drängt sich der Eindruck auf, die Disziplinen – die einst als Hilfskonstrukte zum segmentierten Vorgehen in Analyseeinheiten gebildet wurden – haben sich verselbständigt; das heißt sie werden als unantastbar und quasi naturgegeben angesehen und als engen Rahmen um das gelegt, was untersucht werden soll. Dabei überbrückt der Begriff »interdisziplinär« nicht die selbst geschaffenen Gräben und einengenden Grenzen.

Um eine umfassende Medienanalyse zu ermöglichen, müssen wir aus dem Korsett der Disziplinen ausbrechen. Der Gegenstand muss unsere Vorgehensweise bestimmen, damit unsere Erkenntnismöglichkeiten nicht vorab schon beschnitten sind. Bisher wurden einige Grundlagen vorgestellt, die wir als Rüstzeug dabeihaben müssen, wenn wir die einzelnen Analyseschritte gehen. Im Folgenden wird nun anhand des Gegenstands »Mediendarstellungen« ein Katalog von Analyseeinheiten entwickelt, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und zur weiteren Ergänzung und Verfeinerung einlädt.

Methodisch könnte interessant sein, ob das Relevanz-Prinzip, das den verschiedenartigen Sinn-Induktionsmechanismen, wie sie unter anderem in der Framing- und Priming-Forschung beschrieben werden, nicht als übergeordnete Universalie menschlichen Wahrnehmens genau die methodischen Probleme lösen kann, die in den Einzeldisziplinen erörtert werden. Diese Frage muss hier an die Fachwelt weitergegeben werden, damit wir uns nach dem folgenden Exkurs den erprobten Praktiken in der Medienanalyse zuwenden können.

Anmerkungen:

1 Beispielhaft sei hier das Auslieferungsverfahren gegen den Wikileaks-Gründer Julian Assange in London im September 2020 genannt, das in den täglichen Nachrichten kaum Platz fand und dessen Brisanz auch nur von Wenigen erkannt wurde, ebenso wie die sensiblen Themen, die das Verfahren berührt: Pressefreiheit, Whistleblowerschutz, Staatsverbrechen und Folter von Inhaftierten.

2 Einen guten Überblick über den Stand der Diskussion in der Agenda-Setting-Forschung liefert Marcus Maurer (2017). Die Macht der Medien, Themen für relevant zu erklären, hängt stark mit unterschiedlichen Wechselwirkungsprozessen zusammen, auf die in diesem Buch immer wieder eingegangen wird.

3 Der Journalist Walter Lippmann legte mit seiner Studie Public Opinion 1922 (1998) einen ersten Katalog von Auswahlkriterien vor, die bestimmen sollten, wann und warum Journalisten/Redaktionen (Gatekeeper) Themen für die Berichterstattung auswählen. Lippmanns Sorge um die Entwicklung der Gesellschaft, wobei Medien eine steuernde Funktion in der Kommunikation zukomme, arbeiteten Walter Ötsch und Silja Graupe 2018 zu Recht erneut auf und belegten, wie umfassend und aktuell seine Überlegungen bis heute sind.

Die Friedensforscher Einar Östgaard, Johan Galtung und Mari H. Ruge kritisierten 1965 ebenfalls das mediale Verzerrungspotential in der Kriegs- und Konfliktberichterstattung und wollten klare Ereignisfaktoren definieren. Galtung & Ruge bauten ihre Überlegungen zu einer ersten Nachrichtenwerttheorie aus. 1976 teilte der Kommunikationswissenschaftler Winfried Schulz die Kriterien neu ein und betonte die Zuschreibeaktivität von Journalisten und Redakteuren, die Ereignisse bewerten. Hans Mathias Kepplinger versuchte 1998 in seinem viel beachteten Aufsatz Der Nachrichtenwert der Nachrichtenfaktoren die Integration von journalistischen Auswahlkriterien und Ereigniseigenschaften. Weitere Studien im Sinne einer Nachrichtenwerttheorie erschienen, die sämtlich belegen wollten, dass Medien eine repräsentative Auswahl der Realität treffen.

Nicht zuletzt der Münchener Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen griff 2018 in seinem seien die Thesen bis dato auf und stellte fest, dass Nachrichtenwerte nicht objektivierbar sind, sondern auf subjektive Vorlieben und antrainierten Sichtweisen von Medienmachenden hinwiesen, sodass sie nicht über den Rang von Vorurteilen und Ausreden hinauskommen. Meyen verwies auf eine systemische »Medienlogik« und die Folgen von omnipräsenter »Medialisierung«, um die eigenen Medienrealitäten zu erklären.

4 Während der Journalist Marcus Klöckner 2019 auf die Homogenität von im Journalismus Tätigen in Bezug auf ihre Klassenzugehörigkeit hinwies – weshalb man von einer Art »soziale[n] Zensur« sprechen könne –, betonte sein Kollege Ignacio Ramonet die Einflussnahme auf den Journalismus von außen auf der einen und die begrenzte Zeit der Informationsaufnahme auf der anderen Seite. Das Zumüllen mit irrelevanten Informationen komme seiner Einschätzung nach einer »demokratische[n] Zensur« gleich.

5 www.medienvertrauen.uni-mainz.de, siehe kritische Auseinandersetzung mit den Prämissen der Studie weiter unten.

Allerdings kommt hier das Agenda-Building durch andere Akteure – auch außerhalb der Politik – zum Tragen, auf das wir noch genauer eingehen werden. Die Bestrebungen zur Beeinflussung der Medienagenden und deren etwaiger Erfolg ist aber kein linearer Prozess mit Trichterfunktion, wie Jörg Becker das eindrücklich beschreibt (vgl. Becker 2016).

6 John Austin (How to do Things with Words) und John Searle (Speech Acts) begründeten die Theorie vom Sprachhandeln, die sogenannte Sprechakttheorie. In der Linguistik beschäftigt sich die Pragmatik mit diesem Forschungszweig (vgl. Charles Sanders Peirce). Die Zeichenhaftigkeit von Sprache betonen Sprachphilosophen wie Karl Bühler (Organon-Modell) und Ludwig Wittgenstein (Linguistische Wende), während Umberto Eco und wiederum Charles Sanders Peirce als Mitbegründer und wichtige Stimmen der Semiotik, also der Lehre von den Zeichen insgesamt, gelten können, die weit über die reinen Sprachzeichen hinausgehen.

7 Vgl. Girnth 2002.

8 Dazu zählen auch Teil-Ganzes, Ursache-Wirkung und andere metonymische Relationen – also etwa das Beispiel »Weißes Haus« für den US-Präsidenten oder »Berlin« für die Bundesregierung. Metonymien setzen bereits kollektives Wissen voraus und bilden somit auch ein Potential, soziale Schichten auszuschließen.

9 Obwohl der Schweizer Kommunikations- und Medienwissenschaftler Urs Dahinden eine überzeugende Begriffsintegration vornimmt und die Metapher- und Metonymie-Konzepte von Lakoff & Johnson dem Framingbegriff als Teilaspekt unterordnet, behalte ich aus Gründen der Anschaulichkeit die Empfehlung bei, sich über die Lektüre der Arbeiten von George Lakoff der Aufgabe der Frame-Identifikation zu nähern.

10 In seiner wegweisenden Theoriebildung hat Dahinden gezeigt, wie Framing als integrative Theorie der Massenkommunikation nutzbar gemacht werden kann. Dabei integriert er Nachrichtenwert- und Agenda-Setting-Theorie. Gleichzeitig grenzt er Frames von Schemas und Skripts ab, wobei er sie gleichzeitig in die Framing-Theorie eingliedert.

11 Man muss nicht Anhänger der Theorie vom radikalen (soziokulturellen) Konstruktivismus eines Siegfried J. Schmidt sein, um anzuerkennen, dass jede Darstellung die Vorstellung von der Wirklichkeit mit formt (vgl. Weber 2002).

12 Vgl. Hörmann 2016 (1978): vor allem »Sinnkonstanz«, S. 179 ff.

13 Vgl. Schiffer 2006.

14 Die Komposita unterscheiden sich in der Grammatik, denn Frauen sind hier nicht als handelnde Subjekte konzipiert, sondern als Objekte von Unterdrückung, während in den beiden anderen Komposita »Ausländer« und »Polizisten« als handelnde Subjekte kulpabilisiert werden.

15 Die von der US-amerikanischen Kognitionspsychologin Eleanor Rosch entwickelte Prototypentheorie ist für sprachanalytische Zwecke gut zugänglich in Kleiber (1998) und Mangasser-Wahl (2000).

16 Vgl. Lutz 1989; Schiffer 2005.

17 Vgl. »Sinnkonstanz« (Hörmann 1978, siehe oben).

18 Vgl. Grice 1975; Sperber & Wilson 1995.

19 Hörmann 1978.

20 Den aufmerksamen Lesern ist sicher auch das Wording aufgefallen, denn man hätte hier auch von »Regierung« oder »Präsident« sprechen können, was den »Umsturz« als weniger legitim hätte erscheinen lassen. Man kann sich in der Analyse auch des Begriffspaars »Konnotation« und »Denotation« bedienen, um zu beschreiben, wie die unterschiedlichen Begriffe »konnotiert« sind – also, welche Zusatzbedeutung oder Färbung sie über die reine Sachbeschreibung hinaus transportieren. So natürlich auch der völkerrechtlich vielfach diskutierte Begriff »Annexion«.

21 Vgl. Schiffer 2015a.

22 Vgl. »Media-Watch Islam« Pilotprojekt der Autorin von 2002 bis 2003, Diskussionspapier bei DIK (2006–2009), www.medienverantwortung.de/projektbeispiele (aufgerufen am 20.09.2020).

23 Diese Elemente hat der Inhaltsanalytiker Werner Früh bereits als Kategorien für das Kodierhandbuch vorgeschlagen. Tatsächlich ist zur Einschätzung einer potentiellen Medienwirkung wichtig, Kriterien wie Medien, Genre, Sendeplatz und vieles mehr festzuhalten und zum Inhalt in Bezug zu setzen. Wobei der Inhalt natürlich mitsamt den ihn einordnenden und bewerteten Meta-Botschaften präsentiert wird, weshalb die Analyse in Schritten und Schichten vorgehen muss – wobei die Oberfläche der Darstellung den Ausgangspunkt bildet, um schließlich bis zu den subtilsten Konnotationen vorzudringen.

24 … wobei wir mit »höher (e Bewertung)« ein weiteres Orientierungsprinzip ausschöpfen, nämlich Oben (hoch) ist besser als Unten (niedrig). Die tiefe Verankerung dieser Ordnungssysteme sollte analytisch Forschenden stets bewusst sein/werden.

25 Vgl. Ötsch & Grauße 2018.

26 Der Begriff »Fake News« wird sich als Sammelbegriff für Fehlleistungen medialer Darstellungen durchsetzen, auch wenn er ursprünglich instrumentell von US-Präsident Donald Trump geprägt und gezielt gegen die Medien, die ihm nicht genehm waren, gerichtet war. Mehr Verallgemeinerung, als »die Medien« selbst als »you are fake news« zu bezeichnen, ist nicht möglich. Die Bedeutungsübernahme von begrifflichen Vorläufern, wie Ente oder Desinformation, wird sich meiner Einschätzung nach durchsetzen. Zu hoffen bleibt, dass es nicht gelingt, mit dem Begriff »Fake News« die Problematik auf digitale Medienangebote einzuschränken. Auch dazu will dieses Buch einen Beitrag leisten.

27 Im Jahr 2020 erfährt die Medienkritik erneut eine Schwächung, diesmal durch Verschwörungsideologien sogenannter »Corona-Leugner«, die massenhaft auf die Straße gehen und gegen Maßnahmen zur Eindämmung einer Viruspandemie protestieren, sich angesichts der möglichen Gefährdung anderer unsolidarisch verhalten und vielfach Medienvertreter angreifen. An verbale Attacken gegen die »Mainstreammedien« hatte man sich längst gewöhnt, aber tätliche Angriffe auf Journalisten waren bis dato ein Randphänomen von rechtsradikalen Gruppierungen.

28 Vgl. Startseite des Projekts »Langzeitstudie Medienvertrauen«: www.medienvertrauen.uni-mainz.de (aufgerufen am 25.08.2020).

29 Vgl. beispielsweise das Interview mit dem Historiker Kurt Gritsch zu seinen Forschungen über die Medienrolle im Kosovo-Krieg, davor und danach, in: Neues Deutschland 30.03.2019, www.neues-deutschland.de/artikel/1115633.medien-im-kosovokrieg-es-bleibt-immer-etwas-haengen.html (aufgerufen am 20.08.2020).

30 Vgl. Jäger 1993 ff.

31 Also eine zugrunde gelegte Voraussetzung (zur Ermittlung von Prämissen siehe Kapitel 2).

32 Zuvor noch ein (selbst)kritischer Hinweis zum »Forschungsstand«, der jeder wissenschaftlichen Arbeit voraussteht. Wenn man die globale Forschung und Publizistik einbeziehen würde, sähe der Forschungsstand anders aus. Auch diesem Buch liegt eine eurozentristische Perspektive zugrunde, allenfalls noch Literatur aus den USA einbeziehend. Die Machbarkeitsfrage, der eigene eingeschränkte Blick, aber auch die Zugriffsstrukturen auf weltweites Vorwissen verbieten eigentlich, den verwendeten Kanon als »Forschungsstand« zu bezeichnen. Das ist anmaßend und sei wenigstens als selbstkritische Überlegung an dieser Stelle hier vermerkt.

33 Krüger & Sevignani 2020: S. 10.

34 Ziel des Netzwerks KriKoWi ist die Korrektur der »konservativen Wende« der Achtzigerjahre in der Kommunikationswissenschaft, die wesentlich von Paul Lazersfeld vorangetrieben worden war und zu einer Aushöhlung des kritischen Potentials von Sozial- und Ideologiekritik geführt hat. Es geht also nun um die erneute Einbeziehung der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule von Habermas und Adorno und deren Weiterentwicklung im Sinne von Kritik an Herrschafts- und Machtverhältnissen heute – wobei Medien und Kommunikation entscheidende Schlüsselstellen zur Vermittlung von Ideologien darstellen, wie auch eine zahnlose Medien- und Kommunikationswissenschaft (Vgl. Krüger & Sevignani 2020; Meyen 2017).

35 Diskurse sind als regulierte Praktiken des Zeichengebrauchs durch Diskursbeteiligte zu verstehen, wobei auf kollektives Wissen zurückgegriffen und gleichzeitig durch diskursives Handeln wiederum Realität geschaffen wird (vgl. Keller 2010).

36 Vgl. La Roche 2013: S. 98ff; vgl. auch www.br.de/telekolleg/faecher/deutsch/medienkompetenz/05-darstellungsformen102.html (aufgerufen am 20.08.2020).

37 »Public Relations«, also Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

38 Beispielhaft kann hier ein Artikel der New York Times vom 12.05.2019 angeführt werden, der unter dem Titel »Russia Is Targeting Europe’s Elections. So Are Far-Right Copycats« eine Verschwörung gegen Wahlen in Europa als Fakt darstellt, welche sich auf eine einzige Quelle stützt – einen ehemaligen FBI-Agenten, der inzwischen als Berater tätig ist. Recherche und auch Analyse müssen da ansetzen, wo es zu prüfen gilt, ob eine vorhandene zweite Quelle tatsächlich eine unabhängige ist …

39 Vgl. www.presserat.de/beschwerdeausschuesse.html (aufgerufen am 09.11.2020).

40 Vgl. Klöckner 2019.

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