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1 Theoretische Grundlagen und Vorüberlegungen

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Jedes Informationsangebot zeichnet sich durch Auswahlprozesse aus – was wird genannt, was wird weggelassen? Denn alles linear zu berichten ist zeitlich nicht möglich. Im Beleuchten (soll heißen: Nennen) und Ausblenden steckt aber bereits viel Gestaltungsmacht. Die größte Entscheidungsgewalt liegt also nicht nur im »Agenda-Setting«, das in Bezug auf Medienmacht und Nachrichtenwerte immer wieder diskutiert wird, sondern auch und gerade im »Agenda-Cutting«. Denn über das meiste, was in der Welt passiert, wird nicht berichtet. Wir erfahren von vielen Themen – auch wenn es schlimme Katastrophen sind – nichts. Und wir begreifen oft nicht die Brisanz, wenn Themen keine Medienthemen sind.1 Hierin liegt die größte Gestaltungsmacht, die Mediennutzende den Medienmachern einräumen. Denn nur im Zusammenspiel von Interessen und journalistischen Hypothesen wird verständlich, warum etwas für relevant erachtet wird und anderes nicht. Und dies gilt auch in Zeiten von Social Media, denn erst wenn etablierte Medien ein Thema aufgreifen, wird es für die breite Öffentlichkeit relevant.

Objektivität ist bei der medialen Aufbereitung von Themen zwar ein Ideal, aber subjektive Erwartungen und Interpretationen von allen, die am Medienmachen und Medienkonsum beteiligt sind, bestimmen die Agenda.2 Aufgrund der Dominanz der subjektiven Sicht aufseiten der Produktion und Rezeption ist von folgendem Kreisschluss auszugehen: Das Angebot bestimmt die Nachfrage, die Nachfrage wiederum bestimmt das Angebot, das Angebot die Nachfrage … Natürlich gibt es Ereignisse, die sich aufdrängen (sogenannte »Schlüsselereignisse«), aber es herrscht von Medienseite viel zu wenig Bewusstsein für die eigene Gestaltungsmacht: Wer die Agenda bestimmen kann, hat Deutungsmacht. Wer sich innerhalb einer Agenda bevorzugt äußern kann, hat Deutungshoheit. Auch das Internet als angeblich gleichwertiger Diskursraum verändert die deutungsmächtigen Hierarchien nicht.3 So geriert sich beispielsweise das soziale Netzwerk Twitter (im deutschsprachigen Raum) zunehmend als selbstreferentieller Ort für journalistische Themenverstärkung.4 Und auch das bahnbrechende Video des YouTubers Rezo »Die Zerstörung der CDU« von 2019 erhielt einen gehörigen Aufmerksamkeitsschub mit besonders stark ansteigender Zugriffskurve, nachdem darüber in etablierten Medien berichtet worden war. Ob das Publikum die Nachrichtensendungen der öffentlich-rechtlichen TV-Kanäle für besonders glaubwürdig hält, wie die »Langzeitstudie Medienvertrauen« an der Universität Mainz regelmäßig feststellt, ist das eine, die Funktion als Agenda-Setter ist ihnen nach wie vor sicher.5

Alle Teilnehmenden am teils stark aufgesplitteten öffentlichen Diskurs – man spricht hier von »Fragmentierung« oder gar »Atomisierung« durch vielfältige Medienkanäle – bedienen sich der gleichen Zeichen. Und diese wirken ebenso stark auf den Raum des Sagbaren wie die bereits genannten Einflüsse und weitere Einflussfaktoren im ökonomischen Bereich, die aber nur bedingt die beobachtbaren Selbstbeschränkungen erklären können. Hierfür ist die Auseinandersetzung mit Zeichensystemen und der menschlichen Wahrnehmung zentral.

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