Читать книгу Strafprozessrecht - Sabine Swoboda - Страница 120

2. Hinweis über Ausmaß der Beschuldigung, § 136 I 1 StPO

Оглавление

180

Bei der Vernehmung durch Polizei/StA oder Richter muss dem Beschuldigten gem. § 136 I 1 StPO der Tatvorwurf in groben Zügen so weit erläutert werden, dass er sich sachgerecht verteidigen kann, jedoch nicht so weit, dass die Aufklärung des Sachverhalts und damit die Effektivität der Strafverfolgung darunter leiden (Beurteilungsspielraum)[43]. Derzeit noch ungeklärt ist die Rechtsfolge, wenn die Grenzen des Beurteilungsspielraums überschritten werden, der Beschuldigte also zwar grundsätzlich darüber informiert wird, dass ein Strafverfahren eingeleitet worden ist und dass ihm ein Aussageverweigerungsrecht zusteht (s.o. 1.), die Belehrung über den konkreten Tatvorwurf aber nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 136 I 1 StPO entspricht.

Beispiel (nach BGH JuS 2012, 658): A – gegen den schon häufiger wegen Körperverletzungen zum Nachteil seiner Ehefrau ermittelt wurde – steht in Verdacht, diese erschlagen und die Sterbende unter einem Auto versteckt zu haben, damit die Tat nicht zu schnell entdeckt wird. In Unkenntnis des tatsächlichen Todeseintritts wird er fünf Stunden lang – ohne Verteidiger – von der Polizei vernommen. Zwar wird er dabei zu Beginn ordnungsgemäß über sein Schweige- und Anwaltskonsultationsrecht belehrt. Obwohl der Polizei zu diesem Zeitpunkt der Tod des Opfers bereits bekannt ist, wird A trotz mehrfacher Nachfrage, ob seine Frau noch lebe, aber nicht eröffnet, dass sie verstorben ist und deshalb wegen eines Tötungsdelikts gegen ihn ermittelt wird. A erfährt nur, dass er „seiner Frau etwas Schlimmes angetan“ habe und dass es darum in der Beschuldigtenvernehmung gehe.

Lösung: Verstöße gegen § 136 I 1 StPO iVm § 163a IV 1 StPO werden in Bezug auf die Aussagefreiheit zumeist nicht dieselbe Tragweite aufweisen wie solche gegen die Belehrungspflichten im Sinne von § 136 I 2 StPO. Deshalb verbietet sich in diesem Fall eine generelle Bejahung[44] eines Beweisverwertungsverbotes – ebenso aber auch dessen prinzipielle Ablehnung[45]. Vielmehr kommt es für die Verwertbarkeit auf das Ausmaß der Beeinträchtigung der Aussagefreiheit im Einzelfall an. Entgegen der Ansicht des BGH, der ein Beweisverwertungsverbot im Fall ablehnte, spricht hier vieles dafür, dass die defizitäre Aufklärung des A über die vorgeworfene Tat Auswirkungen auf sein Aussageverhalten (zB Verteidigerhinzuziehung) gehabt hat: Die Verteidigung gegen eine Körperverletzung ist wesensmäßig etwas anderes als diejenige gegen ein Tötungsdelikt[46]. Erschwerend kommt der vom BGH nicht aufgeworfene Umstand hinzu, dass vorliegend seitens der vernehmenden Polizeibeamten bewusst täuschend vorgegangen wurde, indem sie – in Kenntnis aller Umstände – das wahre Tatausmaß fünf Stunden lang trotz Nachfrage verschwiegen haben. Bei solchen Überschneidungen mit verbotenen Vernehmungsmethoden iSv § 136a StPO (dazu u. Rn 202 ff) ist ein Beweisverwertungsverbot geradezu zwingend[47].

§ 7 Der Beschuldigte, seine Vernehmung (Grundzüge) und seine Rechte und Pflichten › III. Die unterlassene Belehrung nach § 136 StPO › 3. Spontanäußerungen, informatorische Befragungen

Strafprozessrecht

Подняться наверх