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5. Anwesenheitsrechte

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Gem. § 230 I StPO darf eine erstinstanzliche Hauptverhandlung nur gegen einen anwesenden Angeklagten durchgeführt werden (für die Berufungshauptverhandlung gilt § 329 StPO, dazu u. Rn 843). Damit kommt sowohl eine Anwesenheitspflicht als auch ein Anwesenheitsrecht[58] des Angeklagten zum Ausdruck. Das Anwesenheitsrecht des Angeklagten in der Hauptverhandlung ist ein aus Art. 103 I GG fließendes essentielles Recht, das unverzichtbar zu einem rechtsstaatlichen Verfahren gehört (s.a. Art. 14 IIId IPBPR). Ausnahmevorschriften wie zB §§ 231 II, 231a, 231b, 231c, 232, 247 StPO, die ein Verhandeln in Abwesenheit des Angeklagten erlauben, sind daher eng auszulegen, gewähren dem entscheidenden Gericht gleichwohl einen Beurteilungsspielraum[59].

Beispielsweise umfasst die zulässige Entfernung des Angeklagten nach § 247 StPO während der Vernehmung eines Zeugen nicht die Verhandlung über die Entlassung des Zeugen. Hierbei muss der Angeklagte wieder anwesend sein, um von seinem rechtlichen Gehör (§ 248 S. 2 StPO) in Form von Fragen oder Anträgen Gebrauch machen zu können[60]. Allerdings nimmt die Rspr – bei Verstoß gegen diese Vorgabe – eine Heilung des Verfahrensfehlers an, wenn der Angeklagte bei seiner nachträglichen Unterrichtung (§ 247 S. 4 StPO) mitteilt, keine Fragen mehr an den Zeugen stellen zu wollen, oder wenn eine Befragung durch erneute Ladung ermöglicht wird[61]. Auch wenn bei einer Zeugenvernehmung in Abwesenheit des Angeklagten ein Beweismittel in Augenschein genommen wird, tritt Heilung ein, sofern dem Angeklagten das Objekt später im Rahmen seiner Unterrichtung erneut gezeigt wird[62].

Obwohl eine restriktive Auslegung der Vorschriften, die eine Ausnahme von der Anwesenheit des Angeklagten vorsehen, geboten ist, hält der 1. Strafsenat des BGH zu Unrecht ein eigenmächtiges „Sich-Entfernen“ iSv § 231 II StPO für gegeben, wenn der Angeklagte einen ernsthaften Suizidversuch unternimmt, der zu seiner Verhandlungsunfähigkeit führt[63].

Bei Verstößen gegen das Anwesenheitsrecht in der Hauptverhandlung kommt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr 5 StPO in Betracht[64] (s. auch u. Rn 582, 854).

Auch bei der ermittlungsrichterlichen Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen ist dem Beschuldigten gem. § 168c II StPO die Anwesenheit zur Sicherstellung der Waffengleichheit zwischen Anklage und Beschuldigtem grundsätzlich gestattet – jedoch mit Ausnahme der Fälle des § 168c III, IV StPO. Allein das Vorliegen eines Ausschlussgrundes gem. § 168c III StPO macht aber die Benachrichtigung des Beschuldigten vom Termin (§ 168c V StPO) nicht entbehrlich, denn sie dient der Wahrung seiner Rechte auch über die Ermöglichung der Anwesenheit hinaus[65]. Bei rechtswidriger Versagung der Anwesenheit bzw bei Verletzung der Benachrichtigungspflicht entsteht richtiger Ansicht nach ein Beweisverwertungsverbot dergestalt, dass ohne Einverständnis des Angeklagten oder seines Verteidigers weder das Protokoll gem. § 251 StPO in die Hauptverhandlung eingeführt (s.u. Rn 632 ff) noch der Ermittlungsrichter vernommen werden darf[66]. Der BGH vertritt hingegen, dass die Verletzung des Konfrontationsrechts des Angeklagten mit einem Belastungszeugen nach Art. 6 IIId EMRK allein durch eine vorsichtige Beweiswürdigung kompensiert werden kann[67].

§ 7 Der Beschuldigte, seine Vernehmung (Grundzüge) und seine Rechte und Pflichten › IV. Weitere Rechte des Beschuldigten › 6. Beweisantragsrechte

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