Читать книгу Strafprozessrecht - Sabine Swoboda - Страница 131
8. Das „nemo-tenetur-Prinzip“
Оглавление191
Von nicht minder großer Bedeutung als die genannten aktiven Teilhaberechte ist für die Waffengleichheit des Beschuldigten, dass er in keiner Weise verpflichtet ist, an seiner eigenen Überführung mitzuwirken – nemo tenetur se ipsum accusare (niemand ist verpflichtet, sich selbst zu belasten). Wichtigster Ausdruck dieses aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten (Art. 2 I iVm Art. 1 I GG) sowie dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG) abzuleitenden Grundsatzes[73] ist die Wahlmöglichkeit des Beschuldigten, auszusagen oder die Einlassung zu verweigern, § 136 I 2 StPO. Gleichzeitig verbietet der Grundsatz den staatlichen Behörden, eine aktive Selbstbelastung zu erzwingen, vgl ua § 136a StPO (u. Rn 202 ff). Nimmt der Beschuldigte sein Schweigerecht in Anspruch, dh verweigert er in vollem Umfang die Aussage, dürfen hieraus im Urteil keine für ihn nachteiligen Schlüsse gezogen werden[74] (u. Rn 760). Dies gilt auch für das sonstige prozessuale Verhalten des Angeklagten, soweit es mit seinem Schweigerecht untrennbar zusammenhängt. So darf zB die Weigerung des Beschuldigten, seinen Arzt oder seinen Verteidiger von der Schweigepflicht zu entbinden (§ 53 II StPO), nicht als Indiz für die Berechtigung des Tatvorwurfs gewertet werden[75].
Auch wenn der Beschuldigte von seinem Schweigerecht keinen Gebrauch macht, trifft ihn keine prozessuale Verpflichtung, die Wahrheit zu sagen[76]. Ob man dieses Selbstbegünstigungsprivileg als „Lügerecht“ bezeichnen soll[77], ist letztlich nur eine terminologische Frage. Jedenfalls ist die Lüge des Beschuldigten sanktionslos, es sei denn, dass durch sie die Tatbestände der §§ 145d, 164, 185 ff StGB erfüllt werden, indem der Beschuldigte beispielsweise eine bis dahin unverdächtige Person bewusst wahrheitswidrig der Straftat bezichtigt (§ 164 I StGB)[78]. Auch ist es dem Gericht nicht verwehrt, bei Bekanntwerden einer Lüge des Beschuldigten dessen allgemeine Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen[79].
§ 7 Der Beschuldigte, seine Vernehmung (Grundzüge) und seine Rechte und Pflichten › IV. Weitere Rechte des Beschuldigten › 9. Recht auf informationelle Selbstbestimmung