Читать книгу Verteidigung in Steuerstrafsachen - Sebastian Burger - Страница 70

b) Verdacht einer Steuerstraftat

Оглавление

126

Ergibt sich während einer Betriebsprüfung der Verdacht einer Steuerstraftat, so hat der Prüfer unverzüglich die zuständige Straf- und Bußgeldsachenstelle zu unterrichten; § 10 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BpO. Nach S. 2 gilt dies bereits dann, wenn lediglich die Möglichkeit besteht, dass ein Strafverfahren durchgeführt werden muss. Damit wird der Zeitpunkt der Unterbrechung der Betriebsprüfung vorverlagert und es entscheidet die Straf- und Bußgeldsachenstelle, ob ein Verdacht vorliegt oder nicht, der Betriebsprüfer ist dieser Aufgabe enthoben und kann damit die Einleitung des Strafverfahrens durch (unzutreffende) Verneinung eines Tatverdachts nicht mehr verzögern. Der Steuerpflichtige ist zu belehren, dass eine Mitwirkung nicht mehr erzwungen werden kann, soweit er sich durch seine Mitwirkung belasten würde, § 10 Abs. 1 S. 4 BpO. Der Steuerpflichtige kann seine Mitwirkung aber nicht erst dann verweigern, wenn ein Strafverfahren gegen ihn eröffnet und ihm dies mitgeteilt worden ist, sondern schon dann, wenn er „gezwungen würde, sich selbst wegen einer von ihm begangenen Straftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu belasten“, § 393 Abs. 1 S. 2 AO.

Im Verhältnis zwischen der Veranlagungsdienststelle und der Straf- und Bußgeldsachenstelle bzw. der Steuerfahndungsstelle besteht unter bestimmten Voraussetzungen eine Unterrichtungspflicht.[3] So sind die Strafverfolgungsstellen bei Verdacht einer Steuerstraftat unverzüglich zu unterrichten; bei lediglich vagen Vermutungen schuldhaften Verhaltens nur ausnahmsweise. Bei Ordnungswidrigkeiten gilt Vergleichbares mit der Ausnahme möglicher Einstellung nach § 47 Abs. 1 OWiG oder einem steuerlichen Mehrergebnis von insgesamt unter 5.000 €. Die Unterrichtung der Straf- und Bußgeldsachenstelle soll bereits bei der Möglichkeit eines Straf- oder Bußgeldverfahrens erfolgen, also bereits unterhalb der „Verdachtsschwelle“. In Zweifelsfällen soll eine formlose Kontaktaufnahme zwischen den Behörden erfolgen. Diese Grundsätze gelten neben den Veranlagungsdienststellen auch für die Außenprüfung.[4] Die Finanzverwaltung hat in einem BMF-Schreiben zu § 10 Abs. 1 BpO[5] präzisiert, welche Voraussetzungen für eine Kontaktaufnahme der Außenprüfung mit der Straf- und Bußgeldsachenstelle bestehen. Es werden beispielhaft Fallgestaltungen aufgeführt, in denen grundsätzlich nicht von konkreten tatsächlichen Anhaltspunkten, die eine Unterrichtungspflicht auslösen, auszugehen ist:

Kontrollmitteilungen, es sei denn, die mitgeteilten Zahlungen wurden eindeutig nicht versteuert;
durch Verprobungen und Kalkulationen (Richtsätze, Geldverkehrsrechnungen, Chi²-Test, Zeitreihenvergleich usw.) aufgedeckte Differenzen, sofern nicht andere Anhaltspunkte dazu kommen;
das Aufdecken bloßer formeller oder kleinerer materieller Buchführungsmängeln;
wenn offensichtlich kein schuldhaftes und vorwerfbares Verhalten vorliegt.

Eine umgehende Unterrichtungspflicht sieht das BMF u.a. dagegen in folgenden Fällen:

Nach durchgeführten Verprobungen und Kalkulationen bleiben Differenzen von einigem Gewicht, die vom Steuerpflichtigen nicht schlüssig erklärt werden können;
bei ungebundenen Privatentnahmen, die zur Bestreitung des Lebensunterhalts offensichtlich nicht ausreichen;
bei Hinweisen auf verschwiegene Konten.

Ergeben sich aufgrund der Erkenntnisse in der Schlussbesprechung Anhaltspunkte für ein Straf- oder Bußgeldverfahren, ist gem. § 201 Abs. 2 AO ein entsprechender Hinweis zu erteilen. Ein Hinweis ist nicht zu erteilen, wenn mangels schuldhaftem oder vorwerfbarem Verhalten eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit nicht in Betracht kommt oder offensichtlich objektive oder subjektive Tatbestandmerkmale nicht mit der erforderlichen Gewissheit nachzuweisen sind. Bei einem Anfangsverdacht im Rahmen der Schlussbesprechung ist das Strafverfahren einzuleiten und der Steuerpflichtige zu belehren.[6] Schließlich ist der Straf- und Bußgeldsachenstelle in folgenden Fällen der Prüfungsbericht über straf- und bußgeldrechtliche Feststellungen zuzuleiten,[7] üblicherweise mit einem strafrechtlichen Vermerk („roter Aktenvermerk“):

1. Wenn im Zusammenhang mit der Außenprüfung ein Straf- und Bußgeldverfahren eingeleitet worden ist;
2. wenn der Steuerpflichtige in der Schlussbesprechung gem. § 201 Abs. 2 AO darauf hingewiesen worden ist, dass die straf- und bußgeldrechtliche Würdigung einem besonderen Verfahren vorbehalten bleibt;
3. ausnahmsweise in sonstigen Fällen, in denen sich aus den Prüfungsfeststellungen die Möglichkeit ergibt, dass ein Straf- und Bußgeldverfahren durchgeführt werden muss, insbesondere, wenn sich erst nach der Schlussbesprechung entsprechende Anhaltspunkte ergeben.

127

Es müssen in allen 3 Fällen sowohl hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale als auch der Schuldfrage zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat gegeben sein. Reichen die den Tatverdacht ergebenden Anhaltspunkte nur für die Annahme einer Ordnungswidrigkeit, ist gem. § 47 Abs. 1 OWiG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Soll der Prüfungsbericht aufgrund der Prüfungsfeststellungen an die Straf- und Bußgeldsachenstelle abgegeben werden, ohne dass ein Hinweis nach § 201 Abs. 2 AO erteilt worden ist, so hat das Finanzamt den Steuerpflichtigen im Falle des § 202 Abs. 2 AO bei Übersendung des Prüfungsberichts, sonst vor Erlass der Steuerbescheide in einem besonderen Schreiben auf die zu erwartende straf- und bußgeldrechtliche Überprüfung hinzuweisen. Der Außenprüfer darf die Außenprüfung also nicht dazu benutzen, um in Unkenntnis des Steuerpflichtigen von seinem Verdacht Material für ein Steuerstraf- oder -bußgeldverfahren zu sammeln.[8] Bei einem derartigen Fehlverhalten des Prüfers drohen Verwertungsverbote im Steuerstrafverfahren.[9] Auswirkungen auf das Besteuerungsverfahren hat es indes nicht.[10]

Teil 1 Allgemeine GrundfragenV. Zuständigkeiten von Ermittlungsbehörden und Gerichten › 2. Steuerfahndung

Verteidigung in Steuerstrafsachen

Подняться наверх