Читать книгу Verteidigung in Steuerstrafsachen - Sebastian Burger - Страница 74

c) Aufgaben

Оглавление

135

Die Aufgabenzuweisungsnorm des § 208 AO weist der Steuerfahndung sowohl strafrechtliche als auch steuerliche Ermittlungsfelder zu.

136

Nach § 208 Abs. 1 Nr. 1 AO besteht die Hauptaufgabe der Steuerfahndung in der Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten gem. §§ 369 ff. AO.[23] Eine Tätigkeitsbefugnis der Steuerfahndungsstellen besteht auch, soweit andere Gesetze die Straf- und Bußgeldvorschriften der AO für anwendbar erklären.[24] Bestehen Vermutungen für das Vorliegen einer Steuerhinterziehung, fehlen jedoch die konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht, so kann die Steuerfahndung sogenannte Vorermittlungen[25] durchführen. Hierbei handelt es sich um eine zulässige strafrechtliche Ermittlungsmethode.[26] Rechtsgrundlage für Ermittlungen (z.B. in sozialen Netzwerken im Internet, s. Rn. 138) bilden die Generalbefugnisse der §§ 161, 163 StPO.

137

Daneben wird die Steuerfahndung gem. § 208 Abs. 1 Nr. 2 AO als Steuerermittlungsorgan tätig, indem sie in den Fällen des § 208 Abs. 1 Nr. 1 AO die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln hat. Aus dem Zusammenspiel beider Aufgaben ergibt sich eine Doppelfunktion: Die Steuerfahndung ist Strafverfolgungs- und Fiskalbehörde, die in zwei Verfahren – Steuerstraf- und Besteuerungsverfahren – tätig wird.[27] Diese beiden Verfahren verlaufen parallel mit unterschiedlichen Rechten und Pflichten für die beteiligten Parteien (§ 393 AO). Problematisch wird die Verzahnung beider Bereiche in der Praxis etwa bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen (10 Jahre) im Fall steuerstrafrechtlich bereits verjährter (5 Jahre) Zeiträume,[28] aber auch in allen anderen Fällen, in denen ein strafrechtliches Verfahrenshindernis vorliegt (Strafklageverbrauch, verstorbener Beschuldigter). Im Besteuerungsverfahren ist der Untersuchungsgrundsatz sowie der Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung zu beachten. In der Rechtsprechung und überwiegend auch in der Literatur wird der Steuerfahndung in diesen Fällen ein eigenständiges Recht zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen im Rahmen einer Straftat zugestanden (sog. isolierte Fiskalermittlungen).[29]

138

Zu den Aufgaben der Steuerfahndung gehören nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO ferner die Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle, Ermittlungen finden hier nicht im strafrechtlichen Bereich statt.[30] Solche Vorfeldermittlungen sind geboten, wenn noch keine konkreten Anhaltspunkte für eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit gegeben sind, jedoch die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt. Verdachtsunabhängige Recherchen im allgemein zugänglichen Bereich des Internets (z.B. in sozialen Netzwerken) stützen sich ebenfalls auf § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 88 AO. In geschützten Bereichen müssen höhere Anforderungen an den Grundrechtseingriff gestellt werden. Ist es erforderlich, auf bestimmten Plattformen Informationen zu sammeln (z.B. XING), so werden die Steuerfahnder mit einem Pseudonym und einer Legende tätig. Zwar haben solche Plattformen den Zugriff auf die Daten ihrer Nutzer durch die Öffentlichkeit eingeschränkt, jedoch geht diese Einschränkung nicht so weit, dass es sich um einen eng begrenzten „Freundeskreis“ handelt, sondern alle Mitglieder, die gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen haben, erhalten diesen Zugriff. Es handelt sich demnach nicht um einen Bereich mit besonderem schutzwürdigem Interesse. Auch das Bundesverfassungsgericht hat bezüglich dieser Sachverhalte keinen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gesehen.[31]

Der BGH[32] hat die Abgrenzung zum verdeckten Ermittler (§ 110a StPO), für den die Zustimmung der Staatsanwaltschaft bzw. des Gerichts erforderlich ist, wie folgt vorgenommen:

Der Ermittlungsauftrag geht über einzelne, wenig konkret bestimmte Ermittlungshandlungen hinaus.
Eine unbestimmte Vielzahl von Personen wird über die wahre Identität des Ermittlungsbeamten getäuscht,
wodurch eine Gefährdung des allgemeinen Rechtsverkehrs und eine erhebliche Beeinträchtigung der Rechte von Betroffenen eintritt.
Es ist abzusehen, dass die Identität des Beamten im Strafverfahren auf Dauer geheim gehalten werden muss.

Da lediglich eine Kommunikation im Internet unter Verschleierung der Identität des Ermittlungsbeamten angestrebt wird, sind diese Kriterien nicht erfüllt.

139

Auch ein Sammelersuchen der Steuerfahndung an ein Kreditinstitut um Auskunft über Provisionszahlungen an alle in einer bestimmten Zeit für das Kreditinstitut tätig gewordenen Kreditvermittler wurde unter der Voraussetzung anerkannt, dass nach allgemeiner Erfahrung verhältnismäßig viele Kreditvermittler ihre Provisionen nicht versteuern und die Ausführung des Ersuchens keine unverhältnismäßige, unzumutbare Belastung bedeutet.[33]

140

Insgesamt besteht ein begründeter Anlass als Voraussetzung für Vorfeldermittlungen der Steuerfahndung, wenn aufgrund konkreter Momente oder allgemeinen (Steuerfahndungs-)Erfahrungen eine Anordnung bestimmter Art geboten ist.[34] Unzulässig sind dagegen Fahndungsmaßnahmen „ins Blaue hinein“.[35] Die Abgrenzung von zulässigen steuerlichen Vorfeldermittlungen und unzulässigen Ermittlungen „ins Blaue hinein“ ist praktisch schwer zu ziehen, sodass immer die Gefahr besteht, dass unter dem Deckmantel des Besteuerungsverfahrens strafrechtliche Ermittlungen durchgeführt werden können.[36] Die höchstrichterliche Rechtsprechung legt nicht allzu strenge Maßstäbe an die Zulässigkeit von Auskunftsersuchen.[37]

141

Die Ermittlungen können sich sowohl auf unbekannte Steuerpflichtige als auch auf unbekannte Sachverhalte beziehen. Ergibt sich aufgrund der Ermittlungen der Verdacht einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit führt die Steuerfahndung weitere Ermittlungen im Rahmen ihrer Aufgaben nach § 208 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO durch. Ergeben die Ermittlungen, dass ein Verdacht nicht besteht, sind aber weitere Ermittlungen bezüglich der Besteuerungsgrundlagen angezeigt, so führt die Steuerfahndung die Ermittlungen selbst durch oder regt deren Durchführung durch andere Stellen an.[38] Erscheint die Steuerfahndung im Rahmen ihrer Ermittlungen beim Steuerpflichtigen, so löst dies eine Sperre für die Abgabe einer Selbstanzeige aus. Sachlich und zeitlich begrenzt wird diese Sperrwirkung durch den Ermittlungsauftrag.

142

In Ausnahmefällen hat die Steuerfahndung nach § 208 Abs. 2 Nr. 1 AO auf Ersuchen der zuständigen Finanzbehörde Außenprüfungen vorzunehmen sowie Ermittlungen im Besteuerungs- und Vollstreckungsverfahren durchzuführen, auch wenn keine Anhaltspunkte für eine Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit vorliegen z.B. bei überörtlichen oder schwierigen Ermittlungen und Auskunftsersuchen in besonderen Fällen, etwa bei Vorbefasstheit der Fahndungsstelle mit dem Fall.[39] Entsprechende Ersuchen können allerdings nach § 112 Abs. 3 bis 5 AO bei Vorliegen gewichtiger Gründe zurückgewiesen werden.[40] Die Vorschrift des § 208 Abs. 2 Nr. 2 AO ergibt gegenüber den Aufgabenzuweisungen der Steuerfahndung nach § 208 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO keine neuen Erkenntnisse, weshalb die Praxis hiervon auch wenig Gebrauch gemacht hat.

143

Eine Kompetenzbegrenzung der Steuerfahndung ergibt sich aus § 208 Abs. 3 AO, wonach die Befugnisse der steuerverwaltenden Finanzbehörden unberührt bleiben. Das bedeutet, dass die Steuerfahndungsstellen und ihre Beamten über die ihnen übertragenen Ermittlungsmaßnahmen hinaus nicht in die Rechtsstellung der steuerverwaltenden Finanzbehörde treten, diese in der gleichen Sache tätig sein und sich sogar bestimmte Ermittlungen vorbehalten können.[41]

Verteidigung in Steuerstrafsachen

Подняться наверх