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5. Vorauskommando zurück

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Die Palästinenser wollten die Deutschen so schnell wie möglich loswerden.

Hans-Jürgen BäckerBäcker, Hans Jürgen, der in Berlin noch nicht gesucht wurde, erhielt seinen Pass von den Palästinensern zurück und durfte als Kundschafter vorausfahren. Die übrigen Pässe blieben weiterhin unter Verschluss.

Über Zypern flog BäckerBäcker, Hans Jürgen nach Berlin-Schönefeld. An der Passkontrolle zeigte er seine arabischen Papiere. Die ostdeutschen Grenzbeamten stellten ihm eine Frage, und Bäcker antwortete auf Englisch. Den Beamten fiel der deutsche Akzent auf, und sie schickten den angeblichen Araber zur Sonderuntersuchung.

»Nun machen Sie sich mal frei«, sagte ein Volkspolizist.

»Meine Herren, bedienen Sie sich«, antwortete BäckerBäcker, Hans Jürgen und öffnete seine Jeansjacke. Eine Pistole kam zum Vorschein. Die Beamten nahmen ihm die Waffe ab und holten die Kollegen vom StaatssicherheitsdienstMinisterium für Staatssicherheit der DDR. Bäcker wurde von drei Herren in einen Wartburg verladen und nach Karlshorst gebracht. Seine Begleiter klingelten an der Tür eines scheinbar privaten Wohnhauses. Ein Uniformierter öffnete, und Bäcker wurde in eine Wohnung mit vergitterten Fenstern geführt. Er durfte sich in einen Sessel setzen, und man bot ihm Westzigaretten an. Dann begann das Verhör. Es dauerte 24 Stunden. Hans-Jürgen Bäcker wunderte sich, wie genau die Stasibeamten über die Baader-Meinhof-GruppeBaader-Meinhof-Gruppe informiert waren. Sie wussten, wer bei der Baader-BefreiungBaader-Befreiung dabei gewesen war und wer geschossen hatte. Sie kannten die DecknamenDecknamen der Gruppenmitglieder, waren über die Einzelheiten der Ausbildung im Palästinenserlager unterrichtet.

Gestärkt mit Brathähnchen, Coca-Cola und Roth-Händle schrieb BäckerBäcker, Hans Jürgen seinen Lebenslauf. Dann stellten ihm die StasiMinisterium für Staatssicherheit der DDRoffiziere Fragen zur Gruppe. Bäcker räumte die achtwöchige »Ausbildung als Einzelkämpfer« im Palästinenserlager ein, gab aber nicht zu, dass er an der Baader-BefreiungBaader-Befreiung beteiligt gewesen war: »Einzelheiten darüber wurden mir nicht bekannt.«

»Aus welchen Gründen reisten Sie am Donnerstag, dem 6.8.1970, in die Hauptstadt der DDR ein?«

»Aufgrund der zunehmenden Bombardierung durch israelische Flugzeuge konnte unsere Ausbildung nicht mehr fortgesetzt werden«, antwortete BäckerBäcker, Hans Jürgen. »Unsere persönliche Sicherheit war gefährdet.«

Deshalb sei am Mittwoch der Beschluss gefasst worden, sofort nach Westberlin zurückzukehren. Da nicht genügend Plätze zur Verfügung gestanden hätten, sei er von BaaderBaader, Joseph von und MahlerMahler, Horst beauftragt worden, vorauszufliegen und die spätere Ankunft der anderen, »die dort illegalIllegalität leben mussten«, vorzubereiten.

Die Geheimdienstler legten ihm seine vorher abgenommene Pistole vor: »Zu welchem Zweck brachten Sie sich in den Besitz dieser Schusswaffe?«

»Ich hatte die Absicht, mich mit dieser Waffe bei einer Festnahme durch die Westberliner Polizei zur Wehr zu setzen«, sagte BäckerBäcker, Hans Jürgen. »Außerdem war verabredet, diese sowie weitere WaffenRAF Rote Armee Fraktion-Waffen bei geplanten Aktionen in Westberlin einzusetzen.« Auch die übrigen Gruppenmitglieder wollten sich Schusswaffen beschaffen und sie nach Westberlin einführen.

»Welche Aktionen waren nach Rückkehr der Gruppe MahlerMahler, Horst in Westberlin geplant?«, wollten die StasiMinisterium für Staatssicherheit der DDRleute wissen.

»Der eigentliche Initiator von Aktionen und Leiter der Gruppe ist nicht MahlerMahler, Horst, sondern Andreas BaaderBaader, Andreas durchgängig erwähnt«, stellte BäckerBäcker, Hans Jürgen richtig. »Rechtsanwalt Mahler, Gudrun EnsslinEnsslin, Gudrun durchgängig erwähnt und Ulrike MeinhofMeinhof, Ulrike Marie durchgängig erwähnt bis Seite gehören zum sogenannten Führungsgremium der Gruppe. Von Gudrun Ensslin stammt meines Erachtens auch der Vorschlag, die Gruppe als ›Rote Armee‹ zu bezeichnen. Über meine Rolle gab es noch keine Vorstellungen.« Es werde angestrebt, die zurzeit etwa zwanzig Personen starke Gruppe auf fünfzig bis hundert Personen zu verstärken. »Danach soll zu GewaltRAF Rote Armee Fraktion-Gewaltpolitiktaten übergegangen werden. Es besteht die Absicht, einen Anschlag gegen das Hauptquartier der USA-Besatzungstruppen in der Clayallee, und zwar SprengstoffanschlägeSprengstoffanschläge, zu unternehmen. Des Weiteren soll mittels Brandsätzen ein Anschlag gegen das Büro der US-Fluggesellschaft Pan Am in der Kantstraße durchgeführt werden, da die Gruppe vermutet, dass sich dort ein getarntes Büro des amerikanischen Geheimdienstes CIA befindet.«

Im Zuge der Ausbildung im Kommandolager der El FatahEl Fatah seien sie in der selbständigen Herstellung von Spreng- und Brandsätzen unterrichtet worden. »Außerdem ist vorgesehen, Spezialdruckmaschinen in der Druckerei des Springer VerlagesSpringer-Verlag unbrauchbar zu machen. Darüber hinaus wurde erwogen, den Westberliner Innensenator NeubauerNeubauer, Kurt zu entführen und damit die Freilassung politischer GefangeneGefangene, politischer zu erzwingen.«

Zur Begründung sagte BäckerBäcker, Hans Jürgen: »Durch die Aktionen wird das Ziel verfolgt, den Abzug der USA-Besatzungstruppen aus Westberlin wegen ihres verbrecherischen Krieges in Indochina zu erzwingen, den Willkürapparat der Westberliner Polizei und Justiz zu erschüttern und die Angestellten zu demoralisieren sowie die Ablösung des Innensenators NeubauerNeubauer, Kurt herbeizuführen.«

Als er alle Fragen schriftlich beantwortet hatte, nahm einer der Geheimdienstleute das Papier, wedelte damit herum und sagte: »Das wird jetzt geprüft. Wenn die Generalstaatsanwaltschaft der DDR feststellt, dass alles stimmt, können Sie gehen.«

Die DDR-Geheimdienstler fassten Bäckers Aussagen zu einem Bericht zusammen und schickten ihn an den Genossen Minister und die Leiter der StasiMinisterium für Staatssicherheit der DDR-Hauptabteilungen IX, VI, II/8 und II/2. Damit war das Ministerium für StaatssicherheitMinisterium für Staatssicherheit der DDR gründlich über die Pläne der entstehenden RAF unterrichtet.

Am nächsten Tag wurde Hans-Jürgen BäckerBäcker, Hans Jürgen von den Stasimännern zum Grenzübergang Friedrichstraße gebracht. Dort gaben ihm die Beamten seine Pistole zurück, und er durfte die DDR in Richtung Westen verlassen.

Der Baader-Meinhof-Komplex

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