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4. Der Sprung in die Illegalität

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Die Befreier Andreas BaaderBaader, Andreas durchgängig erwähnts hatten an jenem 14. Mai 1970, der als GeburtsstundeRAF:Geburtsstunde der RAF angesehen wird, für den Fall, dass etwas Unvorhergesehenes geschehe, die Wohnung einer Freundin Ulrike MeinhofMeinhof, Ulrike Marie durchgängig erwähnt bis Seite 73s als Ausweichquartier vorgesehen. Sie war Schauspielerin und wohnte wenige Straßen vom ZentralinstitutInstitut für Soziale Fragen entfernt. Allerdings hatte niemand sie vorher gefragt.

Jetzt, da plötzlich Schüsse gefallen, ein Mensch schwerverletzt und aus dem geplanten Überraschungscoup ein Mordversuch geworden war, flüchteten die Akteure in diese Wohnung.

Ulrike MeinhofMeinhof, Ulrike Marie durchgängig erwähnt bis Seite klingelte an der Haustür. Die Freundin öffnete.

»Wir brauchen deine Solidarität«, sagte Ulrike der völlig ahnungslosen Frau. Die Frau war dazu bereit.

»So könnt ihr draußen nicht herumlaufen«, erklärte die 32-jährige Schauspielerin den Befreiern. Andreas BaaderBaader, Andreas durchgängig erwähnt setzte sich auf den Klodeckel und ließ sich die Haare schneiden. Die Frauen wurden geschminkt und kostümiert. Ulrike MeinhofMeinhof, Ulrike Marie durchgängig erwähnt bis Seite, die mit offenen Haaren und in Jeans und Pullover an der Aktion teilgenommen hatte, wurde in das feinste Kleidungsstück der Schauspielerin gesteckt, ein blaues Kostüm mit engem Rock, taillierter Jacke und weißer Bluse. Am Nachmittag sollte sie im Bus nach Charlottenburg fahren. Dort wollte sich die Gruppe in der Wohnung des Kabarettisten Wolfgang NeussNeuss, Wolfgang treffen, der mit einer Fotografin zusammenlebte, der Schwester von Ulrike Meinhofs Anwalt Kurt GroenewoldGroenewold, Kurt. Beide waren die Erben eines Hamburger und Berliner Immobilien-Imperiums. Während die Polizei eine der größten Fahndungsaktionen der Nachkriegszeit einleitete, saßen fast alle Gesuchten in einer Wohnung, nur wenige hundert Meter entfernt von dem durch Polizei abgeriegelten InstitutInstitut für Soziale Fragen.

In den Ermittlungsakten der Berliner Kriminalpolizei findet sich dazu ein höchst sonderbarer Vermerk vom 26. Mai 1970: »Dienstlich wurde hier bekannt, dass am 14.5.1970 – dem Tage der gewaltsamen Befreiung Baaders – in der Cunostraße in Berlin 33, etwa in der Höhe des Grundstückes Nr. 107, ein blauer VW-Käfer für kurze Zeit geparkt hatte. Es handelte sich um ein VW-Cabriolet mit Klappverdeck. Einem sich dem VW nähernden Alfa Romeo, der in unmittelbarer Nähe des VW hielt, entstiegen eine weibliche und eine männliche Person, die sich in den VW setzten und mit diesem in Richtung Kirchstraße weiterfuhren.« Die Personen seien in höchster Eile umgestiegen. Eine habe dem Fahrer zugerufen: »Schnell, wir müssen uns beeilen.« Die weibliche Person, so der Vermerk weiter, sei Ulrike MeinhofMeinhof, Ulrike Marie durchgängig erwähnt bis Seite 73 gewesen. Der VW-Fahrer sei als Matthias L.L., Matthias identifiziert worden. Kurze Zeit später wurde der Alfa Romeo wenige hundert Meter entfernt verlassen aufgefunden.

Die Formulierung »Dienstlich wurde bekannt« heißt normalerweise so viel wie: »Das Landesamt für VerfassungsschutzVerfassungsschutz teilte uns mit.« Das bedeutet: Verfassungsschützer waren in der Nähe des Befreiungsortes. Ihre Beobachtungen decken sich allerdings nicht mit den Erinnerungen von Beteiligten. Ulrike MeinhofMeinhof, Ulrike Marie durchgängig erwähnt bis Seite 73 hatte nicht in Astrid ProllProll, Astrids Alfa gesessen.

Während Ulrike MeinhofMeinhof, Ulrike Marie durchgängig erwähnt bis Seite in dem VW zur Bushaltestelle gebracht wurde, blieb der Rest der Truppe in der Dahlemer Wohnung. Wie nach einer gelungenen Premiere wurde eine Flasche Sekt geöffnet. Baader klopfte dem ihm vorher unbekannten Schützen auf die Schulter: »Mann, ist ja gelaufen.« Doch der Mann war völlig fertig: »Hast recht«, antwortete er und schlug so hart zurück, dass Baader auf dem Fußboden landete. Das jedenfalls behauptete einer, der dabei gewesen war. Andere bestreiten die Schlägerei.

Baader und seine Befreier hörten den Polizeifunk ab, nur der Schütze machte sich auf den Weg. Er packte zwei KleinKlein, Hans Joachimkaliber-SchnellfeuergewehreRAF Rote Armee Fraktion-Waffen, die bei der Aktion nicht zum Einsatz gekommen waren, in einen Campingbeutel und nahm den nächsten Autobus. Am KaDeWe stiegen an die zwanzig Polizisten zu, um den Bus zu durchsuchen. Der Mann schaffte es, seinen Campingbeutel zu schultern und auszusteigen. Er ging die letzten Meter zu seiner Wohnung zu Fuß.

Am Abend trafen sich die Befreier und der Befreite in einer Hinterhauswohnung. Bis auf Ulrike MeinhofMeinhof, Ulrike Marie durchgängig erwähnt bis Seite 73 waren alle versammelt. Die Stimmung war gut, schließlich war die Aktion gelungen. Dass ein Mensch dabei lebensgefährlich verletzt worden war, wurde weggewischt.

Man diskutierte, wie es nun weitergehen sollte. Alle waren sich einig, dass die Gruppe Berlin so schnell wie möglich verlassen müsse. Auch wohin die Reise gehen sollte, war klar: in den Nahen Osten. Schon vorher waren Gespräche mit einem Vertreter der PalästinPalästinenserenser geführt worden, um WaffenRAF Rote Armee Fraktion-Waffen zu beschaffen. Der hatte ihnen aber ausgerichtet, dass die Fatah vor irgendwelchen Waffenlieferungen auf einer militärischen Ausbildung in Jordanien bestehen würde. So wurden die Aufgaben für die nächsten Tage und Wochen verteilt. Einige sollten die Reise organisieren, andere die nötigen Papiere besorgen und umfrisieren.

Am Abend traf ein Eingeweihter, der an der Aktion aber nicht beteiligt gewesen war, in einer Kneipe den Mann, der auf den Institutsangestellten Georg LinkeLinke, Georg geschossen hatte. Unter Tränen erklärte der Schütze immer wieder, dass er nicht habe schießen wollen. Es sei eine Kurzschlusshandlung gewesen, er habe aus Versehen statt der Gaspistole die scharfe Pistole abgefeuert.

Inzwischen lief die Fahndung nach Baader und seinen Befreiern auf vollen Touren. Die Litfaßsäulen wurden mit einem Steckbrief von Ulrike MeinhofMeinhof, Ulrike Marie durchgängig erwähnt bis Seite beklebt: »Mordversuch in Berlin. 10000 DM Belohnung«. Aber Ulrike Meinhof blieb verschwunden – nicht nur für die Polizei. Auch in der Gruppe wusste zwei Tage lang niemand, wo sie war. Man machte sich Sorgen. Aber Überlegungen, Ulrike Meinhof könnte sich abgesetzt haben, wurden beiseitegeschoben. Schließlich steckte sie in der Sache drin. Sie konnte nicht mehr aussteigen.

Ein Freund Ulrike MeinhofMeinhof, Ulrike Marie durchgängig erwähnt bis Seites wurde beauftragt, festzustellen, bei wem sie Unterschlupf gefunden haben könnte. Nach mehreren vergeblichen Anläufen klingelte er an der Tür einer schwarzen Amerikanerin, Sympathisantin der »Black PanthersBlack Panthers«, einer militanten Farbigen-Organisation in den USA. »Ist Ulrike hier?«, fragte er.

»No«, sagte die Amerikanerin.

»Ich bin aber der Meinung, sie ist hier«, sagte der Besucher.

Die Frau drehte sich um und ging in die Küche. Einen Augenblick später kam Ulrike zur Tür und ließ den Freund herein. Sie machte einen ziemlich aufgelösten Eindruck. Auf dem Küchentisch lagen die Zeitungen mit den Schlagzeilen über die Befreiung Baaders. Die beiden redeten eine Viertelstunde lang, dann sagte Ulrike: »Die anderen können mich hier abholen.« Sie ließ kein Wort darüber fallen, warum sie sich zwei Tage lang nicht gemeldet hatte. Am späten Abend wurde Ulrike MeinhofMeinhof, Ulrike Marie durchgängig erwähnt bis Seite abgeholt.

Alle zogen gemeinsam in eine Wohnung. Einige erledigten die notwendigen Besorgungen, während der engere Kreis der vordringlich von der Polizei Gesuchten zumeist zu Hause blieb. Dort wurde fast jeden Tag Kalbsbraten gegessen, denn Andreas BaaderBaader, Andreas durchgängig erwähnt hatte immer noch unter den Folgen einer Gelbsucht zu leiden, die er sich Monate zuvor zugezogen hatte, und durfte nur leichte Speisen zu sich nehmen.

Abends spielten die Frauen, Ulrike MeinhofMeinhof, Ulrike Marie durchgängig erwähnt bis Seite, Ingrid SchubertSchubert, Ingrid und Irene GoergensGoergens, Irene, häufig Skat. Ulrike war eine gute Spielerin.

Der Rechtsanwalt Horst MahlerMahler, Horst war noch »legal«, doch auch er plante seinen Abgang in den Untergrund. Am S-Bahnhof Halensee traf er sich mit einem Anwaltskollegen, der viele Jahre später am Kabinettstisch der Bundesregierung sitzen sollte. Kurz darauf fuhr Astrid ProllProll, Astrid ihn zum Ludwigkirchplatz, wo er sich mit Ulrike MeinhofMeinhof, Ulrike Marie durchgängig erwähnt bis Seite verabredet hatte. Ulrike trug eine blonde Perücke. »Wir waren über die Plakatfahndung nach Ulrike erschrocken und unvorbereitet«, erinnerte sich Astrid Proll später. »Keiner erlaubte sich den Gedanken, dass Meinhofs Unfreiheit der Preis für die Befreiung gewesen sein könnte. Wir schauten ausschließlich nach vorn, für Reflexion gab es keinen Raum. Die einsetzende Fahndung vereinte erst einmal.«

Vor der Verhaftung Baaders hatte Astrid Proll zunächst mit ihm und Gudrun Ensslin gemeinsam in der Jenaer Straße, nicht weit entfernt von Ulrike Meinhofs Wohnung in der Kufsteiner Straße, gewohnt. Während Andreas in Haft gewesen war, hatte sie allein mit Gudrun zusammengelebt. Wenn sie am Abend von ihrer Logistikarbeit für die anstehende Befreiung zurückgekommen war, hatte Gudrun gekrümmt auf dem Bett gesessen und Briefe an ihren Geliebten im Gefängnis geschrieben, Nacht für Nacht: »Manchmal kamen noch spät Meinhof oder MahlerMahler, Horst, um noch etwas zu besprechen. Obwohl ich beide gut kannte, war es gespenstisch. Ich fühlte für Gudrun, das Geheimnis um die Qual im Gefängnis hat es mir jedoch nicht verständlicher gemacht.«

Nach Baaders Befreiung wurde die Jenaer Straße vorübergehend zum Hauptwohnsitz der Gesuchten. In den sechs Wochen vor der Abreise in den Nahen Osten verbrachten sie ihre Zeit vor allem an Orten, die nicht von Berliner LinkeLinken besucht wurden. Am Kurfürstendamm spazierten sie mit Touristen umher, gingen ins Kino oder ins Café. »Wir gaben unsere bisherigen jungen Leben auf und lebten mehr und mehr von und in der Gruppe«, erinnerte sich Proll. »Baader und Ensslin fuhren jedes Mal mit einem großen Schlitten durch die Uhlandstraße in die City. Wir kauften Kleider für die Reise nach Jordanien. Gudrun kaufte bei Selbach auf dem Kurfürstendamm für Andreas eine halblange Badehose, mit der er später in einem Schwimmbad auffiel. Ensslin kaufte gern ein, für ihren Boyfriend und andere. Sie kaufte Qualität. Schon in Frankfurt überraschten wir Baader öfter mit einer neuen Hose. Das Einkaufen von guter Kleidung und Lebensmitteln spielte in den Jahren danach neben dem Nutzwert eine ebenso wichtige psychologische Rolle.«

Baader war ihr schon immer wie ein »typisches Männerprodukt der siebziger Jahre« vorgekommen. »Seine Freundin kümmerte sich um den Haushalt und schaffte alles ran. Er ließ sich von ihr anziehen, Kleider in die Reinigung bringen und bügeln. Sie bezahlte immer, er selbst trug nie Geld bei sich. So gesehen war er ein gut betreuter junger Mann.«

Gudrun EnsslinEnsslin, Gudrun durchgängig erwähnt vergaß nie die normalen Dinge des Lebens: »Als wir später in Kassel nach einem BanküberfalBanküberfalll eine Wohnung verlassen mussten, wischte sie noch schnell den Boden.«

Die Hälfte der Gruppe wurde inzwischen steckbrieflich gesucht. Es war ein heißer Sommer, und nachts gingen alle einige Male im Berliner Schlachtensee schwimmen. Baader war häufig als einziger Mann dabei. Er liebte Aktivitäten und Umtriebigkeit. »Sie verstauten ihre PistolenRAF Rote Armee Fraktion-Waffen unter der Kleidung, sprangen ins Wasser und schwammen ruhig unter nächtlichem Himmel. Es war schön und normal und markierte unsere Lebensfreude«, erzählte Astrid ProllProll, Astrid später. Bei einem der Ausflüge bekam eine der Frauen im Wasser einen Krampf und wäre fast ertrunken: »Wir konnten sie erreichen und ans Ufer retten.«

Inzwischen waren die Vorbereitungen für die Reise nach Jordanien abgeschlossen. Der PalästinenserPalästinenser Said DudinDudin, Said hatte Kontakte nach Jordanien geknüpft, die Flugtickets waren bei der DDR-Fluggesellschaft »Interflug« gebucht, und es waren per Telegramm neun Zimmer im Hotel »Strand« in Beirut bestellt worden.

Am 8. Juni 1970 um 9.20 Uhr sollte die erste Reisegruppe vom Ostberliner Flughafen Schönefeld starten. Zuvor aber wollte man noch etwas für die Öffentlichkeit tun.

Die französische Journalistin Michèle RayRay, Michèle, ehemaliges Chanel-Mannequin in Paris, die Ulrike MeinhofMeinhof, Ulrike Marie durchgängig erwähnt bis Seite 73 von der Zeitschrift »konkret«konkret her flüchtig kannte, wurde in Paris angerufen. Auf Englisch erklärte man ihr, sie möge »in einer wichtigen Sache, die die LinkeLinke betrifft«, nach Berlin reisen. Michèle RayRay, Michèle, damals 31 Jahre alt, im sechsten Monat schwanger, entschloss sich zu fahren, nachdem ihr der Anrufer noch ein paar Namen prominenter deutscher Linker als Referenz genannt hatte. Die Französin, verheiratet mit dem Filmregisseur Costa-GavrasCosta-Gavras, Constantin, war als engagierte Linke darauf spezialisiert zu beschreiben, was hinter der Front geschah. So hatte sie für den »Nouvel Observateur« aus VietnamDemonstration:Vietnamkrieg berichtet, in Bolivien die Spuren der tödlichen Jagd auf Che GuevaraGuevara, Ernesto Che verfolgt und im Mittleren Osten über die El Fatah geschrieben. Auch »konkret« hatte eine Titelgeschichte von ihr gedruckt: Eine Reportage aus einem nahöstlichen Camp für palästinensische Waisenkinder, die zu Kämpfern ausgebildet wurden.

Am 4. Juni um 11.00 Uhr morgens traf Michèle RayRay, Michèle auf dem Berliner Flughafen Tempelhof ein. Ein Kontaktmann mit dem Decknamen »LotharDecknamen« erwartete sie. Erkennungszeichen war ein roter Lenin-Band, den »Lothar« in der Hand hielt. Ein und eine Viertelstunde wurde die Journalistin mit U-Bahn, Taxi, U-Bahn und wieder Taxi durch die Stadt gefahren. Dann musste sie bis kurz nach Mittag in einem Appartement warten. Schließlich kam ein Anruf, und sie wurde wieder mit U-Bahn und Taxi quer durch die Stadt geschafft. Im oberen Stockwerk eines Mietshauses traf sie Andreas BaaderBaader, Andreas durchgängig erwähnt, Gudrun EnsslinEnsslin, Gudrun durchgängig erwähnt und Ulrike MeinhofMeinhof, Ulrike Marie durchgängig erwähnt bis Seite. Alle drei hatten sich so verkleidet, dass sie kaum noch Ähnlichkeit mit ihren überall aushängenden Fahndungsfotos hatten. Ulrike Meinhof trug eine Perücke mit langen blonden Haaren und ein Minikleid. Horst MahlerMahler, Horst, der ebenfalls dazukam, hatte eine Perücke aufs schüttere Haupthaar gesetzt und sich Koteletten wachsen lassen. Auch der Anwalt wurde inzwischen gesucht; nicht offiziell, denn für die Baader-BefreiungBaader-Befreiung hatte er ein Alibi: Er hatte vor Gericht verteidigt. Dennoch wurde verdeckt nach ihm gefahndet.

Die Französin trank mit den Gesuchten Tee und aß frische Erdbeeren. Danach wurde Michèle RayRay, Michèle von »Lothar« wieder zurück in das erste Zwischenquartier geführt. Am Abend erschien Horst MahlerMahler, Horst und brachte ihr ein von Ulrike MeinhofMeinhof, Ulrike Marie durchgängig erwähnt bis Seite besprochenes Tonband. Am Morgen darauf, es war Freitag, der 5. Juni, traf man sich noch einmal zum Frühstück, und Michèle Ray erfuhr, was die Gruppe als Nächstes zu tun gedachte: Berlin zu verlassen und zu den palästinensischen FedayinFedayin zu gehen.

Michèle RayRay, Michèle übergab das Tonband dem »Spiegel«, der es in Auszügen abdruckte, so stand es jedenfalls im Blatt.

Ulrike MeinhofMeinhof, Ulrike Marie durchgängig erwähnt bis Seites Antwort auf die Frage, warum Baader befreiBaader-Befreiungt worden sei: »Man kann sagen aus drei Gründen: Erst mal natürlich deswegen, weil Andreas BaaderBaader, Andreas durchgängig erwähnt ein Kader ist. Und weil wir bei denjenigen, die jetzt kapiert haben, was zu machen ist und was richtig ist, nicht davon ausgehen können – auf irgendeine luxuriöse Art und Weise –, dass Einzelne dabei entbehrlich sind.

Das Zweite ist, dass wir als erste Aktion eine GefangenenbefreiungGefangenenbefreiung gemacht haben, weil wir glauben, dass diejenigen, denen wir klarmachen wollen, worum es politisch heute geht, welche sind, die bei einer Gefangenenbefreiung überhaupt keine Probleme haben, sich mit dieser Sache selbst zu identifizieren … Das Dritte ist, wenn wir mit einer Gefangenenbefreiung anfangen, dann auch deswegen, um wirklich klarzumachen, dass wir es ernst meinen.«

Dann kam Ulrike MeinhofMeinhof, Ulrike Marie durchgängig erwähnt bis Seite auf die Polizei zu sprechen: »Wenn man es hier mit den Bullen zu tun hat, wird argumentiert, die sind ihrer Funktion nach natürlich brutal, ihrer Funktion nach müssen sie prügeln und schießen, und ihrer Funktion nach müssen sie Unterdrückung betreiben, aber das ist ja auch nur die Uniform, und es ist nur die Funktion, und der Mann, der sie trägt, ist vielleicht zu Hause ein ganz angenehmer Zeitgenosse …

Das ist ein Problem, und wir sagen natürlich, die Bullen sind Schweine, wir sagen, der Typ in der Uniform ist ein Schwein, das ist kein Mensch, und so haben wir uns mit ihm auseinanderzusetzen. Das heißt, wir haben nicht mit ihm zu reden, und es ist falsch, überhaupt mit diesen Leuten zu reden, und natürlich kann geschossen werden.«

Das Tonband mit Ulrike MeinhofsMeinhof, Ulrike Marie durchgängig erwähnt bis Seite berühmt gewordener Erklärung ist nicht mehr auffindbar. Aber ein zweites Band mit ihrer Stimme fand sich Jahre später im »Spiegel«DerSpiegel-Archiv wieder. Darauf liest sie einen offenbar vorformulierten Text vor: »Den bewaffneten KampfKampf, bewaffneter organisieren, die KlassenkämpfeKlassenkampf entfalten, die Rote Armee aufbauen. Die Frage, ob es richtig ist, bewaffnete, das heißt illegale Widerstandsgruppen in der Bundesrepublik und Westberlin zu organisieren, ist die Frage, ob es möglich ist. Die Antwort darauf kann nur praktisch ermittelt werden, alles andere sind Spekulationen. Einige Genossen haben sich zu dieser Praxis entschlossen. Daran wird sich zeigen, ob genug Leute, ob genug psychische und physische Energie, genug Schlauheit, genug Disziplin, genug Unzufriedenheit und genug Klassenhass aktivierbar sind aus der Konkursmasse der StudentenbewegungStudentenbewegung, als Folge der sich international und national verschärfenden Klassenkämpfe. Um in der imperialistischen Bundesrepublik den Imperialismus tatsächlich angreifen zu können … Nur Opportunisten konnten die Baader-BefreiungBaader-Befreiung als abenteuerlich, putschistisch, anarchistisch abtun. Nachdem der Erfolg bewiesen hatte, dass sie unter der richtigen Einschätzung der eigenen und der Kräfte der Bullen durchgeführt worden war. Einen kurzfristig mobilisierenden Effekt erwarten und dann vermissen konnten nur Konsumenten der Aktion. Die Baader-Befreiung für den blinden Aktionismus eines unpolitischen Institutsangestellten verantwortlich zu machen, das ist das Bier der KlassenjustizKlassenjustiz … Die politische Macht kommt aus den Gewehrläufen. Schickt den Genossen im Knast Roth-Händle-Zigaretten, Milchschokolade mit Nuss, Obst, Vitamintabletten, Zeitungen, Bücher und Geld.«

Die Formulierung »der Typ in Uniform ist ein Schwein« und »natürlich kann geschossen werden« ist nicht auf diesem Tonband.

Erst im Frühsommer 2017 wurde im »SpiegelDerSpiegel« ein Brief von Ulrike MeinhofMeinhof, Ulrike Marie durchgängig erwähnt bis Seite aufgefunden, aus dem hervorgeht, was sich damals wirklich abspielte.

Damit ist klar: Der »Spiegel«DerSpiegel hatte einen schriftlichen Text, und das Tonband diente nur als Beleg für den direkten Kontakt mit Ulrike MeinhofMeinhof, Ulrike Marie durchgängig erwähnt bis Seite 73. Die Frage, ob der später berühmt gewordene Satz wirklich von ihr stammte – oder von BaaderBaader, Andreas durchgängig erwähnt oder Ensslin hineinredigiert wurde – ist nach wie vor offen.

Ob der »Spiegel«DerSpiegel die verlangte Summe zahlte, ebenfalls.

Der Baader-Meinhof-Komplex

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