Читать книгу Goschamarie Alte Geschichten - neue Freunde - Stefan Mitrenga - Страница 12
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Kaum war Walter im Schlafzimmer verschwunden, schlich Balu zur Küchentür. Sie war wie immer unverschlossen. Balu setzte sich direkt unter die Türklinke und machte „Männchen“, wie es die Menschen nannten. Dadurch hatte er beide Vorderpfoten frei, stützte sich mit der rechten am Türrahmen ab, um das Gleichgewicht zu halten, und legte die linke Pfote auf den Türdrücker (ja – Balu ist Linkspfotler – in der Familie der Wolfspitze ein häufiges Phänomen). Beim ersten Drückversuch rutschte er ab, beim zweiten gelang es ihm und er verlagerte sein Gewicht leicht nach hinten, um die Tür aufzuziehen. Dabei hatte er sorgfältig darauf geachtet, dass keine seiner Krallen Tür oder Wand berührten und dadurch verräterische Kratzspuren hinterließen. So gern er Walter auch mochte – dieser Trick sollte sein Geheimnis bleiben.
„Nicht schlecht für einen Canis Lupus“, zog ihn Kitty auf, die bereits vor der Tür gewartet hatte. Sie saß aufrecht mit eng angelegtem Schwanz neben Seppi, der gerade schmatzend das Katzenfutter verschlang. „Das ist doch unfair“, schimpfte Balu. „Ich kenne zig Häuser mit einer Katzenklappe, damit ihr rein und raus könnt wie ihr wollt, aber ich kenne nicht ein einziges Haus mit Hundeklappe! Warum eigentlich?“ „Weil die Menschen wissen, dass sie uns Katzen eh nicht kontrollieren können. Wir kommen und gehen wann und wie wir wollen und wenn man uns darin hindert, machen wir Ärger. Zerfetzen Tapeten und Vorhänge oder verrichten unser Geschäft im Topf einer Yukka-Palme und das wollen sie eben nicht.“ „Hätte ich so ein schönes warmes zu Hause und genügend zu Fressen, würde ich gar nicht mehr raus gehen. Höchstens mal zur Paarungszeit!“ Für Seppi war eben alles einfacher. Balu und Kitty liefen querfeldein den kürzesten Weg nach Alberskirch. Hinter der Goschamarie den Hügel hinauf, durch den Taldorfer Weinberg, an einem Bauernhof und dem Dürnaster Spielplatz vorbei, durch zwei Obstplantagen und schon standen sie vor Pfarrer Sailers Haus. Soweit Balu sehen konnte, hatte sich seit heute Nacht nichts verändert. Wieder sprang er auf den Holzstapel, um in die Küche sehen zu können. Nirgends eine Spur von Eglon. Doch irgendetwas war anders. Balu wusste erst nicht recht was es war, doch dann viel ihm der freie Platz auf dem Küchentisch auf. Die alten Bücher waren verschwunden. Auch die Kaffeetasse und die beiden Teller in der Spüle waren weg. „Jemand hat aufgeräumt“, sagte Balu und erklärte Kitty, wie es noch heute Nacht ausgesehen hatte. Plötzlich hatte die Katze eine Idee. „Natürlich! Ich weiß wo Eglon steckt: in Herrgottsfeld! Balu, wer würde denn bei dem toten Pfarrer aufräumen? Natürlich seine Haushälterin – die Annemarie! Sie hat einen Schlüssel und wohnt drüben in Herrgottsfeld. Die hat sicher mal vorbei geschaut und den armen Eglon mitgenommen, damit er nicht verhungert.“ „Oder schlank wird“, konnte sich Balu nicht verkneifen. „Ach du“, winkte Kitty mit unbekrallter Pfote ab. „Lass uns rüber laufen. Wenn wir uns beeilen, schaffen wir das in zehn Minuten!“ Noch bevor Balu einwenden konnte, dass es doch eigentlich schon recht spät sei und Walter wohl demnächst aufwachen und merken würde, dass er nicht da war, war Kitty schon von dem Holzstapel heruntergesprungen und galoppierte in Richtung Herrgottsfeld. Balu bellte einmal laut und setzte ihr nach. Weiber!