Читать книгу Goschamarie Alte Geschichten - neue Freunde - Stefan Mitrenga - Страница 20
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Während Walter sich um den Wäscheberg vor seiner Waschmaschine kümmerte, zog es Balu und Kitty nach draußen. Zwar dämmerte es bereits, doch die vielen Sonnenstunden sorgten dafür, dass es abends nicht mehr so schnell abkühlte. Sie entdeckten Seppi, der gerade einen dicken Regenwurm zwischen ein paar Schneeglöckchen herauszog. Der Wurm wusste, dass es um Leben und Tod ging, und kringelte sich in Todesangst trotzig um Seppis Nase. Balu verzog angeekelt die Lefzen.
„Das ist doch widerlich. Wie kannst du so was essen?“ Seppi streifte den Wurm geübt mit seiner rechten Vorderpfote von der Nase und hielt ihn damit fest, so dass er genussvoll auf dem anderen Ende herumkauen konnte. „Das ist ein Leckerbissen“, schmatzte er undeutlich, „die großen machen richtig satt. Viel Eiweiß!“ Kitty stupste den kleinen Igel mit ihrer Nase leicht unterhalb seiner Stacheln an. „Dann brauchst du das Katzenfutter also nicht mehr?“ Seppi verschluckte sich fast und blickte schuldbewusst zu der Katze auf. „Eigentlich brauche ich alles, was ich kriegen kann. Ich habe immer noch nicht genug auf den Rippen für die Paarungszeit. Die kommt ja bald und da muss ich fit sein.“ Kitty konnte und wollte sich nicht vorstellen wie die Paarung bei Igeln vor sich ging. Trotzdem war sie neugierig. „Wie macht ihr Igel das eigentlich bei der Paarung? Also, ich meine … wegen der ganzen Stacheln.“ Seppi hörte für einen kurzen Moment auf zu kauen und sah Kitty mit seinen Knopfaugen schelmisch an. Dann legte er einen Hauch Erotik in seine Stimme und säuselte: „Wie wir das machen? Na … gaaaaaanz vorsichtig!!!“ Alle drei brachen in lautes Gelächter aus und Seppi verlor das letzte Stück des Wurms, das schwach zuckend vor ihm im Gras liegen blieb. Der Igel beruhigte sich als erster. „Was macht ihr denn heute Abend?“ Balu wusste das selbst noch nicht genau. „Wenn mich nicht alles täuscht, gehen wir später noch zur Goschamarie. Walter hat zwar nichts gesagt, aber die Lederhose hängt am Schrank – eigentlich ein untrügliches Zeichen.“ Im selben Moment trat Walter auf die Terrasse und rief nach seinem Wolfsspitz. Balu reagierte sofort und verabschiedete sich im Rennen flüchtig von dem kleinen Igel, der bereits den nächsten Wurm am Kragen hatte. Walter klopfte seinem Hund auf die Flanke und streichelte einmal kurz über Kittys Fell. „Dann sind wir ja komplett. Kommt mit ihr zwei. Heute haben wir bei der Goschamarie eine ganz besondere Mission.“ Auf dem kurzen Weg zur Goschamarie erzählte Walter den Tieren, was er mit seinen neuen Freunden auf dem Markt besprochen und vereinbart hatte. Eigentlich erzählte Walter es sich selbst, aber die Tiere hörten aufmerksam zu. Balu war besorgt. „Was denkt er sich denn dabei? Glaubt er das sei ein nettes kleines Abenteuer und am Ende ist er der große Held? Was da alles passieren kann!“ Kitty verstand die Besorgnis ihres Freundes und streifte beruhigend seine Flanke. „Darum ist es umso wichtiger, dass wir auf ihn aufpassen. Auch wir halten unsere Augen und Ohren offen und wenn es eng wird, sind wir zur Stelle!“
Obwohl es Samstag war, standen auf dem Parkplatz vor der Goschamarie nur wenige Autos. Walter war enttäuscht, denn dann war auch die Wahrscheinlichkeit gering, die Leute zu treffen, auf die er gehofft hatte. Als er die Gaststube betrat, war er überrascht, wie gut die Tische trotzdem belegt waren. Offensichtlich waren viele der Gäste zu Fuß gekommen. Am Stammtisch waren noch viele Stühle frei. Peter saß alleine vor seinem Vesper und zwei Flaschen Bier.
„Ja Walter! Kommst du jetzt jeden Abend her? Aber das passt gut. Siehst ja: von den anderen hat’s noch keiner geschafft.“
Walter hängte seine Jacke auf und setzte sich auf seinen Platz, während Balu und Kitty es sich unter der Bank gemütlich machten. „Ach, bei dem schönen Wetter wollt ich einfach nicht zu Hause rumsitzen. Außerdem muss ich noch was für meine Figur tun!“ Walter lachte und streichelte über seinen Bauch.
Marie kam aus der Küche und stellte zwei Vesperteller am Nachbartisch ab. „Ja Walter. Scho wieder do? Hosch a Sehnsucht kett noch mer, hä? Oder ischs blos der Hunger?“
Walter grinste die Wirtin schelmisch an und legte ihr eine Hand auf den Unterarm. „Die Sehnsucht natürlich, die Sehnsucht nach dir, Marie! Aber ein Vesper nehme ich trotzdem!“
Marie streifte seine Hand ab und stemmte die Arme in die Hüfte. „Ha! Verarscha ka i mi selber, Freindle! Kennt ja dei Mutter sei. Aber d’Mama lueget nach ihre Kind … und drum bring i dir glei dei Veschper!“ Marie klang bei diesen Worten recht streng und nur wer sie gut kannte, konnte um ihren Mund den Ansatz eines Lächelns entdecken.
Walter versuchte unauffällig an die anderen Tische zu schauen. Hinten im Eck saß s’Dieterle und baute aus Bierdeckeln ein Kartenhaus, das just in diesem Moment zusammenbrach. Daneben saßen vier Männer, die Walter nicht kannte, schweigend vor ihrem Bier. Dahinter ein älteres Ehepaar aus Taldorf beim Abendessen und gegenüber zwei Landwirte aus der Umgebung. Einer davon, Georg, war einer der Kartenspieler gewesen, als der Pfarrer den Streit mit Josef hatte. Walter kannte ihn eher beiläufig, aber doch gut genug um „hallo“ zu sagen. Er entschuldigte sich bei Peter, der gerade mit seinem Rauchfleisch kämpfte, und setzte sich an den Tisch der beiden.
„Hallo Georg! Was ist los bei euch? Heute keine Skatrunde?“ Die beiden schienen nicht sonderlich überrascht über Walters Besuch, wenn doch, dann zeigten sie es nicht.
„Geht nicht zu zweit. Kannst du Skat, Walter?“ Walter konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal Karten gespielt hatte. Zwar glaubte er sich zu erinnern, wie das Reizen funktionierte, aber mehr auch nicht.
„Ach, das wird glaub ich nichts. Hab’s schon seit Jahren nicht mehr probiert. Aber wo sind denn eure Skatbrüder?“, lenkte Walter das Gespräch in die beabsichtigte Richtung. Georg zuckte müde mit den Schultern und spielte am Etikett seiner Bierflasche, das sich schon halb gelöst hatte.
„Wir sind ja nur noch zu dritt, seit letztes Jahr der Renn Willy gestorben ist. Der Anton, der sonst manchmal einspringt, ist krank, und Josef hat sich schon seit zwei Wochen nicht mehr blicken lassen.“
Damit hatte Walter gerechnet. „Ach, seit dem Streit mit dem Pfarrer?“
Georg überlegte kurz und schüttelte den Kopf. „Weiß nicht, ob es daran lag. Wohl eher nicht. War ja auch nichts Wichtiges. Hat wahrscheinlich gerade viel auf dem Hof zu tun. Mitte März, da geht es dagegen.“
Walter hatte Angst weiter nachzufragen ohne allzu neugierig zu wirken und schaute gespielt gleichgültig zum Stammtisch, an dem Peter immer noch allein sein Vesper aß. Als er gerade aufstehen und sich verabschieden wollte, hielt Georg ihn mit einer Hand am Arm zurück.
„Die hatten ja keinen Streit. Pfarrer Sailer hat Josef nur gesagt, er solle auf seine Gesundheit achten und mal wieder zum Arzt gehen. Er hätte in irgendwelchen alten Unterlagen etwas gefunden, was darauf hindeutet, dass es in seiner Familie eine Krankheit gibt, die sich weiter vererbt. Und da ist der Josef sauer geworden – jeder weiß doch, wie ungern der zum Arzt geht. Und das war’s dann auch schon. Josef ist aufgestanden und gegangen. Seitdem hab ich ihn nicht mehr gesehen.“
„Ach, so genau hab ich’s gar nicht wissen wollen“, log Walter, aber er konnte Georg ansehen, dass er ihm das nicht abnahm. „Ich muss dann auch mal wieder rüber. Der Peter sitzt da ganz allein. Wollte ja eh nur kurz hallo sagen.“
Walter merkte selbst, wie blöd sich das anhörte, stand aber auf und ging zurück zum Stammtisch. Er drehte sich nicht mehr um, da er befürchtete Georg müsste ihm seine kleine Flunkerei im Gesicht ansehen. Er glaubte nicht, wie seine Mutter früher immer gesagt hatte, dass beim Lügen seine Nase länger wurde, aber er spürte die Hitze in seinen Wangen, als das Blut in sein Gesicht stieg.
„Geht’s dir nicht gut Walter?“, fragte Peter als er sich auf seinen Stuhl fallen ließ. „Bist ganz rot im Gesicht und schwitzt ja richtig.“
Walter wollte irgendetwas Sinnvolles antworten, fand aber nichts, was irgendwie glaubhaft geklungen hätte. In diesem Moment kam Marie zum Stammtisch und rettete ihn aus dieser Zwickmühle.
„Dei Bier und dei Veschper. Loss dir schmecka, Walter!“ Ohne ein Wort setzte Walter die Flasche Bier an den Mund und trank sie, ohne abzusetzen, halb leer. Das Glühen auf seinen Wangen ließ etwas nach und sofort spürte er die entspannende Wirkung des Alkohols. Mit einem befreiten Seufzer lehnte er sich zurück, griff dann nach dem Besteck und machte sich über sein Vesper her.
„Das war so ziemlich das Plumpeste, was ich je gesehen habe!“, lästerte Kitty mit einem leichten Kopfschütteln. „Wenn er so weiter macht, wird er unsere Hilfe schon bald dringend brauchen!“ Auch Balu hatte plötzlich ein schlechtes Gefühl bei der ganzen Sache, bemühte sich aber nicht allzu besorgt zu klingen. „Vielleicht lernt er ja noch dazu? Von Georg hat er auf jeden Fall nichts zu befürchten. Der hat nichts damit zu tun. Das spüre ich.“ Kitty nickte. Sie hatte Georg die ganze Zeit beobachtet und war mit Balu einer Meinung. „Aber irgendwer HAT damit zu tun und der wird nicht so ruhig bleiben.“