Читать книгу Goschamarie Alte Geschichten - neue Freunde - Stefan Mitrenga - Страница 16

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Schon als Walter die Treppen zur Goschamarie erreichte, hörte er den Lärm aus der Gaststube. Der ganze Parkplatz war belegt. Einige Autos hatten sich noch irgendwo dazwischen gequetscht und so die Fahrwege verstellt. Gegen später würde es wieder ein paar kleinere Blechschäden geben. Balu beschnupperte einige Fahrzeug und setzte eine kleine Marke, wenn das Fahrzeug nach einem anderen Hund roch. Auch ein Fahrzeug der Ravensburger Polizei war dabei. Polizisten waren bei der Goschamarie durchaus nichts Ungewöhnliches. Oft kamen sie nach Feierabend auf ein Bier vorbei, manchmal kamen sie aber auch schon mittags, parkten ihren Streifenwagen dann aber diskret hinter dem Haus.

Als Walter die Gaststube betrat, prallte er gegen die gewohnte graue Wand aus Zigarettenqualm. Heute war es besonders schlimm, so dass er von den Gästen am Ende der Gaststube nur die Konturen erkennen konnte. Er setzte sich auf seinen Platz am Stammtisch und bestellte per Kopfnicken, während Balu unter der Eckbank verschwand. Max zu seiner Linken unterhielt sich gerade angeregt mit einer blonden Schönheit am Nebentisch, die offensichtlich nicht aus der Gegend stammte. Immer wieder fragte die Blonde „Wie bitte?“, da sie Max’ breites Schwäbisch nicht verstand. Rechts von Walter lag Elmar schlafend auf dem Tisch. Er hatte den linken Arm abgewinkelt und benutzte ihn als Kissen. Er trug noch die Musikantenuniform von der Beerdigung am Vormittag. Marie stellte die zwei Flaschen Bier für Walter auf den Tisch.

„Lossn schlafa. Hots glaub schtreng kett heit. Magsch no was ässa? I het no von dem Schweinebrota iebrig. Isch ja kaum oiner komma heit middag – waret alle beim Totamohl.“

Walter liebte Schweinebraten. „Gern. Aber bitte kein Brot. Ich muss jetzt doch mal ein bisschen aufs Gewicht achten“, sagte er und streichelte dabei mit beiden Händen über seinen Bauch.

Marie hob gespielt entsetzt die Hände vors Gesicht. „Noi Walter, duuu doch it! Sähs scho komma, dass du au no so an Hungerhoka wirsch. Aber isch guat – kriegsch halt blos Schpätzla und koi Brot. Wenn’s dr hilft.“ Kopfschüttelnd verschwand sie in der Rauchwand. Als Walter ihr hinterher blickte, entdeckte er zwei Polizisten an einem Ecktisch. Den einen erkannte Walter als seinen alten Schulfreund Manni. Er hob die Hand zum Gruß und nickte einmal, was soviel bedeutete wie „Hallo, lange nicht mehr gesehen.“ Manni hob leicht die Schultern und ließ den Kopf etwas sinken mit der Bedeutung „Ja. Aber man hat ja nie Zeit!“ Walter lächelte und nickte mehrmals leicht „Wem sagst du das.“ Manni zeigte mit einem Finger auf sein Bier und dann zu Walter und hob die Augenbrauen „Soll ich auf einen Schluck rüber kommen?“ Walter lächelte breit und nickte „Klar!“. Der Polizist stand auf und bahnte sich, mit der Bierflasche in der Hand, einen Weg durchs Lokal. Da er einen beachtlichen Körperumfang hatte, streifte er immer wieder andere Gäste und musste sich entschuldigen. Er musste auch am verrückten Dieterle vorbei, der gerade zwei Fremde in eines seiner wirren Gespräche verwickelt hatte. Niemand wusste Genaueres über „s’Dieterle“. Irgendwann war er aufgetaucht und bewohnte seitdem eine alte Hütte am Taldorfer Ortsrand. Alle waren sich einig, dass er nicht richtig tickte (er behauptete im Taldorfer Wald hätten sich Außerirdische versteckt), da er aber niemandem etwas tat, störte sich auch niemand an ihm. Als Manni ihn mit seinem Bauch schubste, schaute er denn auch nur kurz auf und lachte übertrieben.

„Die Polizei, dein Freund und Helfer, gell, ja, gell! Aber bei den Fremden helft ihr nicht, gell! Gell!“

Manni schüttelte nur den Kopf und steuerte weiter auf Walter zu. Der flüsterte Max etwas ins Ohr, der nur nickte und seinen Stuhl frei machte, um sich an den Tisch der Blonden zu setzen. Als Manni am Stammtisch ankam, ließ er sich auf den Stuhl fallen wie ein Wanderer nach einem schweren Bergaufstieg am Gipfelkreuz.

„Grüß dich Walter! Wir haben uns ja schon ewig nicht mehr gesehen. Ich weiß, liegt an mir. Ich schaff es einfach kaum mehr hier raus aufs Land.“ Manni war nach seiner Ausbildung zum Polizist in die Stadt gezogen.

„Mir geht’s grad anders rum“, entgegnete Walter, „ich bin so gut wie nie in der Stadt. Außer mal zum Klamotten kaufen oder samstags auf den Markt.“ Mit einem leichten Schauder erinnerte er sich an sein letztes Gespräch mit Eugen Heesterkamp, bei dem dieser angedroht hatte, mit ihm Sportkleidung kaufen gehen zu wollen. „Was treibt dich denn heute mal wieder nach Taldorf?“ Manni hatte gerade den letzten Schluck Bier getrunken und winkte Marie mit der leeren Flasche zu.

„Der Tod vom Pfarrer. Als ich es in der Zeitung gelesen habe, war ich doch recht traurig. War ja damals auch bei ihm Ministrant. Konnte heute Vormittag leider nicht zur Beerdigung, weil ich Dienst hatte.“

Walter klopfte ihm mitfühlend auf die Schulter. „Ja, das waren noch Zeiten damals. Aber irgendwann sind wir alle mal dran und Pfarrer Sailer war ja auch nicht mehr der Jüngste.“ Marie, die das Bier vor Manni auf den Tisch knallte und Walter seinen Schweinebraten vorsetzte, hatte die letzten Sätze mitgehört.

„Do hosch recht, Walter. Für jeden ischs irgendwänn Zeit, au für an Pfarrer. Und so alt wiener war isch do au nimme d’Hebamm schuld!“

Manni bedankte sich für das Bier und beugte sich dann nach vorne, um leiser sprechen zu können. „Eigentlich bin ich wegen dir hier. Ich wollte mit dir reden, weil da gibt es etwas, was ich merkwürdig finde.“ Manni trank einen Schluck Bier, bevor er weiter sprach. „Man hat beim Pfarrer eine Autopsie gemacht. Das Ergebnis: Herzinfarkt. Ansonsten war bei ihm alles O.K. Bis auf eines: er hatte einen viel zu hohen Koffeinwert im Blut.“ Walter, den Mund voll Schweinebraten und Spätzle, wusste nicht so recht, worauf Manni hinaus wollte.

„Na, er wird wohl am Morgen einen Kaffee getrunken haben.“ Manni schüttelte den Kopf.

„Du hast mich nicht richtig verstanden, Walter. Er hatte einen viiiiiiiel zu hohen Koffeinwert. Ich hab’s nur durch Zufall erfahren, weil einer am Telefon darüber geredet hat, als ich eine Akte abgeholt habe.“

Walter zog die Augenbrauen zusammen und dachte nach. Konnte es sein, dass Pfarrer Sailer sich vor dem Gottesdienst erst ein paar Tassen Kaffee reingeschüttet hatte, bevor er zur Kirche gegangen war? Unwahrscheinlich, vor allem wenn man bedachte, dass er schon einmal einen Herzinfarkt gehabt hatte und seitdem sehr vernünftig lebte. Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.

„Weißt du denn, wie viele Tassen Kaffee er gebraucht hätte, um den Wert zu erreichen?“

„Ja. Und genau das hat mich gewundert. Er hätte rund fünfundzwanzig Tassen trinken müssen.“

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