Читать книгу Goschamarie Alte Geschichten - neue Freunde - Stefan Mitrenga - Страница 19
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Auf dem Heimweg versuchte Walter seine Gedanken zu ordnen. Er fühlte sich von der neuen Situation überfordert. Seit Jahren war sein Leben bestenfalls langweilig. Nicht dass er unzufrieden wäre, es war nur einfach ziemlich ereignislos und jetzt schien sich auf einmal alles zu überschlagen. Auf was hatte er sich da eingelassen? Wieso hatte er sich von der kleinen Gruppe um seinen alten Freund Manni überreden lassen bei dieser aberwitzigen Aktion mitzumachen? Walter schüttelte den Kopf. Ganz in Gedanken war er bereits bis Bavendorf gekommen, als ihm einfiel, dass er noch tanken wollte. 1,24 €. Das konnte nicht wahr sein. Heute Morgen hatte der Liter Diesel noch 1,13 € gekostet. Zwar leuchtete schon die rote Zapfsäule im Armaturenbrett, doch er biss wütend die Zähne zusammen und fuhr an der Tankstelle vorbei. Ohnehin wurde er allmählich nervös. Balu war schon seit heute früh allein im Haus. Da ihn der Wolfsspitz sonst ständig begleitete, wusste Walter nicht, wie der Hund darauf reagieren würde. Hatte er in seiner Abwesenheit die Wohnung verwüstet? Gardinen herabgerissen, Regale umgekippt? Oder hatte er gar sein Geschäft in irgendeinem Winkel verrichtet? Unbewusst beschleunigte Walter seinen alten Peugeot. Wuuuuusch! Scheiße! Als er den roten Blitz sah, war es zu spät. Die mobile Radarfalle hatte ihn erwischt. Auch das reflexartige Bremsen half nichts mehr. Die Tachonadel war bei ungefähr fünfundachtzig gewesen. Hier, auf Höhe von Wernsreute, waren auf der Bundesstraße aber nur siebzig erlaubt. Frustriert hämmerte Walter ein paarmal aufs Lenkrad und versuchte sich zu beruhigen und achtete darauf, die vorgeschriebene Geschwindigkeit einzuhalten.
Als er den Peugeot in die Garage fuhr, erwartete er Balus Gebell zu hören, wütend oder gar verzweifelt, doch alles war ruhig. Misstrauisch öffnete er die Haustür und schaute vorsichtig in den Gang. Doch da war nichts. Kein Laut. Kein Hund. Er hängte seine Jacke an den Garderobenhaken und öffnete die Tür zur Küche. Er hatte vieles erwartet, das jedoch nicht. Balu lag eingerollt, scheinbar schlafend, in seinem Hundekorb. In seiner Bauchkuhle schlummerte, fast auf dem Rücken liegend, Kitty. Walter beugte sich zu den beiden hinab und streichelte erst vorsichtig Balu, dann Kitty, die sich unter seiner Berührung wohlig streckte und ihre Vorderpfoten genießerisch an Balus Nase drückte. Balu öffnete ein Auge nur einen Spalt breit. „Er darf nie erfahren, wie du hier rein gekommen bist!“ Auch Kitty öffnete an einem Auge einen schmalen Schlitz. „Natürlich nicht!“
Kopfschüttelnd ließ Walter die Tiere weiter schlummern und öffnete die Tür zur Terrasse, nicht ohne sich zu wundern, dass sie unverschlossen war. Die Sonne schien noch, doch er musste seinen Gartenstuhl ganz an den Rand der Terrasse schieben, um ein paar Strahlen zu erwischen, da der Schatten des Hauses schon weit vorgerückt war. Er versuchte erneut seine Gedanken zu ordnen, eine Struktur in die ganzen Ereignisse der letzten Tage zu bringen. Für den Anfang sei das das Wichtigste, hatte ihm Kripo-Hubert erklärt. Doch wo sollte er anfangen? Walter beschloss, da zu beginnen, als er Pfarrer Sailer das letzte Mal gesehen hatte. Er hatte sich ein kleines Notizbuch aus der Kommode im Flur geholt und machte einen ersten Eintrag. Er hatte den Pfarrer zuletzt am Freitag vor zwei Wochen bei der Goschamarie gesehen. Was war da passiert? Er wirkte recht aufgeregt, als er sich zu den Kartenspielern an den Tisch gesetzt hatte. Was dort gesprochen wurde, hatte Walter nicht mitbekommen, aber irgendwie gab es dann Streit und einer der Kartenspieler war wütend aufgestanden und gegangen. Josef aus Herrgottsfeld. Kurz darauf hatte auch Pfarrer Sailer die Wirtschaft verlassen. Danach hatte Walter ihn nicht mehr gesehen. Walter schaute auf die einzelnen Punkte, die er notiert hatte und wusste, was er tun musste. Er würde heute bei der Goschamarie in Erfahrung bringen, um was es in dem Streit zwischen Pfarrer Sailer und Josef gegangen war. Vielleicht brachte ihn das irgendwie weiter. Zufrieden klappte er sein Notizbuch zu und schob sich den Bleistift hinters Ohr. Er fingerte sein Handy aus der Hosentasche und schrieb die erste SMS seines Lebens. Streifenkollege Hans hatte ihm auf dem Markt noch eine kurze Einweisung gegeben, und so drückte Walter mutig auf das kleine Briefsymbol. Sofort öffnete sich das Eingabefeld. Mit viel Mühe tippte er Buchstabe für Buchstabe ein und teilte Manni mit, was er vorhatte. Außerdem erzählte er ihm, dass er auf Höhe Wernsreute geblitzt worden war. Die Autokorrektur des Handys half ihm bei der Eingabe. Nachdem das Handy mit einem kurzen „Plopp“ den Versand der SMS bestätigt hatte, schaltete er es aus und schob es in seine Hosentasche. Dann schloss er die Augen und genoss die wärmenden Sonnenstrahlen auf seinem Gesicht.
Nur zehn Kilometer entfernt piepte Mannis Handy. Er wischte kurz über das Display, um es zu entsperren, und sah, dass Walter ihm eine SMS geschickt hatte. Mit einem Fingertip öffnete er die App und las kopfschüttelnd die kurze Nachricht:
„Liebste Manni,
ich gehe heute abend Gesund Maria. Habe ideen. Schreibe morgen Meer. Habe übrigens Strafzoll in Wünschelrute bekommen. Blöd. Tschüss Walter“