Читать книгу Goschamarie Alte Geschichten - neue Freunde - Stefan Mitrenga - Страница 13
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Es passiert heutzutage recht häufig, dass sich ein Ehepaar bei der Hochzeit nicht auf einen Familiennamen einigen kann und deshalb einen Doppelnamen wählt. Das ist in vielen Fällen sinnvoll und vermeidet Streitigkeiten, entbehrt manchmal aber auch jeglicher Vernunft.
Dr. Michael Vorn-Lang hätte damals im Namensstreit klein beigeben sollen und einfach den Namen seiner Frau „Vorn“ annehmen sollen, doch jetzt war es zu spät. Als leitender Pathologe hatte er zwar meist mit Toten zu tun, aber hin und wieder eben auch mit grinsenden Lebenden.
„Anne – kommen Sie mal rüber und helfen mir mit diesem Kunden?“ Dr. Vorn-Lang nannte die Leichen gerne „Kunden“, um der Pathologie eben doch ein wenig Leben einzuhauchen. Anne, 23 Jahre alt, gelernte Krankenschwester, war ein überaus fleißiges und fröhliches Mädchen.
„Soll ich hier hinten lang gehen?“ fragte sie in freudiger Erwartung der Antwort.
„Nein … (tiefer Seufzer) … kommen sie ruhig vorn lang“, sagte Dr. Vorn-Lang resigniert, während sich Anne brüllend auf die Schenkel klopfte. Er machte sich erst gar nicht die Mühe darauf einzugehen und öffnete auf seinem Tablet PC die Akte.
„Tiberius Sailer. Weiß, männlich, 73 Jahre. Tot in einer Kirche aufgefunden worden. Pfarrer im Ruhestand. Hatte schon mal einen schweren Herzinfarkt. Keine äußere Gewalteinwirkung zu erkennen … hmmm … vermute mal, wieder ein Herzinfarkt. Was haben wir aus dem Labor?“
Die fröhliche Anne hatte ebenfalls einen Tablet PC in der Hand (wenn auch ein älteres Modell) und rief die Testergebnisse auf.
„Soweit alles im normalen Bereich. Es scheint, als hätte der Herr Pfarrer brav seine Medikamente genommen. Alle Werte passen. Nur … ha … da ist den Jungs im Labor ja was Blödes passiert … da ist denen wohl das Komma um eine Stelle verrutscht. Sehen sie hier – bei der Blutanalyse der Koffeingehalt?“ Sie hielt Dr. Vorn-Lang ihr Tablet direkt unter die Nase, so dass ihm der rot markierte Wert quasi ins Gesicht sprang.
„Oh“, war seine spontane Reaktion. „Müssen die nochmal checken. Rufen Sie diesen Remtsma an, der hier unterschrieben hat und sagen Sie wir brauchen den Wert nochmal … sofort!“
Die fröhliche Anne trippelte an der Pritsche mit dem toten Pfarrer vorbei (natürlich vorn lang), um zu telefonieren. Dr. Vorn-Lang machte derweil mit der Autopsie weiter.
Nur wenige Minuten später klingelte sein Telefon.
„Vorn-Lang?“
„Angeber!“, kam die Antwort aus dem Hörer. Der Doktor blickte resigniert zur Decke, bis sich die Stimme am anderen Ende der Leitung beruhigt hatte.
„Entschuldigung! Entschuldigung! Entschuldigung! Aber das war einfach zu verlockend!“ Dr. Vorn-Lang verzichtete auch jetzt auf einen Kommentar.
„Sind Sie dieser Remtsma, der die Blutuntersuchung von der Leiche Sailer gemacht hat?“
„Nein … “
„Sie sind nicht Remtsma?“
„Remtsma bin ich nicht … aber vermutlich sprechen Sie es nur falsch aus. Sie sprechen es „Remmmtsmaaa“ …“
„Und wie sprechen Sie es aus?“
„Natürlich „Reeeemtsma“ – sie verstehen? Hinten kurz und … vorn lang!“
Dr. Vorn-Lang ritzte mit einem Skalpell feine Schnitte in den Unterarm von Pfarrer Sailer, bis sich Remtsma von seinem neuerlichen Lachanfall erholt hatte.
„Geht’s wieder? Ich brauche nämlich was von Ihnen: der Koffeinwert bei meinem Kunden hier ist viel zu hoch – messen Sie doch bitte noch mal nach!“
„Brauch ich nicht.“
„Warum?“
„Hab ich schon! Weil er so hoch war, hab ich noch zweimal nachgemessen. Der Wert, der da steht, stimmt so.“
Dr. Vorn-Lang konnte sich nicht vorstellen, wie man einen solchen Wert erreichen konnte, erst recht nicht, wenn man schon einmal einen Herzinfarkt hatte.
„Wie viele Tassen Kaffee müsste der Kunde denn getrunken haben, um diesen Wert zu erreichen?“
„Das hab ich schon hochgerechnet. Grob müssten es zwanzig bis fünfundzwanzig Tassen sein – aber mit nem ordentlich starken Zeugs.“
„Irrtum ausgeschlossen?“
„Ausgeschlossen!“
„Dann danke!“
„Gerne!“
Dr. Vorn-Lang legte auf und begann mit der eigentlichen Autopsie. Mit seinen Gedanken war er jedoch schon bei einem Anwalt, der ihm half diesen bescheuerten Doppelnamen loszuwerden. Und wenn seine Frau gleich mitginge – dann wäre es halt so.