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2.Abs. 1

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2Abs. 1 enthält das sogenannte Legalitätsprinzip: Liegen tatsächliche Anhaltspunkte vor, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, so steht es nicht im Ermessen der Disziplinarbehörde, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, sondern sie muss dann grundsätzlich unverzüglich ein Disziplinarverfahren einleiten.

Zugleich ist sie stets verpflichtet, diese Einleitung durch Aktenvermerk festzuhalten. Für diesen Einleitungsvermerk gibt es keine gesetzliche Form- oder nähere Inhaltsvorschriften. Das BVerwG1 verlangt jedenfalls, dass der zuständige Dienstvorgesetzte in der Disziplinarakte vermerkt, (dass und) wann er die Entscheidung für die Einleitung getroffen hat, wobei sich aus dem Vermerk die inhaltlich unmissverständliche Entscheidung und die Verantwortlichkeit des Dienstvorgesetzten hierfür ergeben, d. h. er muss sich den Einleitungsvermerk jedenfalls zu eigen gemacht haben, wofür auch das Abzeichnen des Einleitungsvermerks mit einer Paraphe genügen soll. Was den Inhalt des Einleitungs-Aktenvermerks betrifft, verlangt die Rechtsprechung,2 dass der Gegenstand des Disziplinarverfahrens hinreichend konkretisiert wird – andernfalls fehlt es an einer rechtswirksamen Einleitung, so dass das Verfahren wieder einzustellen (und ggf. neu zu eröffnen) ist. Um wirksam zu sein, muss die Einleitungsverfügung u. a. den Sachverhalt darlegen, der den Verdacht von Dienstpflichtverletzungen begründet. Sie muss den zu verfolgenden Verdacht einer Pflichtverletzung dem Sachverhalt wie auch der disziplinaren Beurteilung nach so konkret, eindeutig und substantiiert darlegen, wie es der gegebene Ermittlungsstand und der sich daraus ergebende Verdacht zulassen – dazu gehören namentlich substantiierte Angaben über Zeit, Ort und Einzelheiten des vorzuwerfenden Verhaltens.3

Die Entscheidung, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, bedarf nicht der Beteiligung des Personalrats (nicht im LPVG vorgesehen). Auch die Beauftragte für Chancengleichheit bzw. die kommunale Beauftragte nach § 25 Abs. 1 und 2 ChancenG BW ist nicht zu beteiligen (nicht im ChancenG BW vorgesehen; anders das Bundesrecht, vgl. § 27 Abs. 1 Nr. 1 d) Bundesgleichstellungsgesetz). Die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bedarf einer differenzierten Betrachtung. Nach § 178 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB IX gilt: „Der Arbeitgeber4 hat die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung anzuhören; er hat ihr die getroffene Entscheidung unverzüglich mitzuteilen. Die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung nach Satz 1 getroffenen Entscheidung ist auszusetzen, die Beteiligung ist innerhalb von sieben Tagen nachzuholen; sodann ist endgültig zu entscheiden.“ Da die Einleitung des Disziplinarverfahrens (anders als etwa der Erlass einer Disziplinarverfügung) noch keine „Entscheidung“ im Sinne der Norm darstellt, ist die Schwerbehindertenvertretung von der Einleitung nur zu unterrichten (und auch dies – in analoger Anwendung des § 11 Abs. 1 – solange nicht als ihre Unterrichtung die Aufklärung gefährden könnte), nicht aber vorher anzuhören.5

Wird das Disziplinarverfahren eröffnet, so muss der Beamte über die Eröffnung grundsätzlich sofort unterrichtet werden – es sei denn, seine sofortige Unterrichtung würde die Aufklärung des Sachverhalts gefährden, vgl. § 11 Abs. 1. Gerade weil also der Beamte nicht in jedem Fall sofort über die Einleitung informiert wird, ist der gesetzlich geforderte Aktenvermerk über die Einleitung wichtig – und zwar im Interesse der Rechtsklarheit und der späteren Nachvollziehbarkeit der Disziplinarvorgänge sowie im Hinblick auf das Antragsverfahren nach § 37 Abs. 3.6 In diesem Zusammenhang betont das BVerwG7 übrigens, dass sowohl die Einleitungs- als auch die Unterrichtungspflicht letztlich auch dem Schutz des Beamten dienen, denn sie sollen sicherstellen, dass die disziplinarischen Ermittlungen so früh als möglich im Rahmen des gesetzlich geordneten Disziplinarverfahrens stattfinden, mit all seinen rechtsstaatlichen Sicherungen zugunsten des Beamten, insbesondere dem Recht auf Beweisteilhabe. Daraus ergibt sich im Übrigen auch: Über das Vorstehende hinaus hat Abs. 1 keinen drittschützenden Charakter, d. h. Dritte (namentlich durch den Beamten vorgeblich oder auch tatsächlich Geschädigte) haben aus Abs. 1 keinen Anspruch auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens.8 Und schließlich gilt: Besteht die gesetzliche Pflicht zur Verfahrenseinleitung aus Abs. 1, so steht diese nicht zur Disposition des Dienstvorgesetzten; Zusicherungen oder Vereinbarungen der Nichteinleitung sind daher unwirksam.9

Bereits mit der Einleitung des Disziplinarverfahrens (und nicht erst ab der Unterrichtung des Beamten nach § 11 Abs. 1) beginnt die 6-Monats-Frist aus § 37 Abs. 3 Satz 1 zu laufen. Diese Vorschrift erlaubt es dem Beamten, wenn nach der Einleitung sechs Monate vergangen und das Disziplinarverfahren noch nicht abgeschlossen ist, beim Verwaltungsgericht den Antrag zu stellen, der Disziplinarbehörde eine Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens zu bestimmen.

Die Einleitungsentscheidung ist richtigerweise als reine Verfahrenshandlung nach § 44a VwGO nicht isoliert angreifbar, vgl. § 11 Abs. 4 Satz 1 (und – im Wege des Erst-recht-Schlusses – § 13 Abs. 4 Satz 2).

3Es müssen „tatsächliche Anhaltspunkte“ vorliegen, die den „Verdacht“ eines Dienstvergehens rechtfertigen. Das BVerwG10 formuliert hierzu wie folgt: Tatsächliche Anhaltspunkte, die zur Verfahrenseinleitung verpflichten, liegen dann vor, wenn „der Dienstvorgesetzte Kenntnis von Tatsachen erhält, aufgrund derer die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein bestimmter Beamter schuldhaft seine Dienstpflichten in disziplinarrechtlich relevanter Weise verletzt hat“. Liegen Verdachtsmomente vor, so gilt: Die Verdachtsmomente müssen zwar nicht bewiesen sein, der Verdacht eines Dienstvergehens aber hinreichend konkret sein, d. h. bloße Vermutungen ins Blaue hinein, reichen nicht aus11 – insbesondere genügen bloße Gerüchte oder Spekulationen nicht.

In der Praxis stehen zu Beginn allerdings in aller Regel genau solche Vermutungen, Spekulationen, einzelne Zeugenaussagen oder vage Hinweise wie etwa anonyme Anzeigen auf ein Dienstvergehen im Raum. Diese müssen dann richtigerweise zunächst daraufhin untersucht werden, ob sich aus ihnen tatsächliche, belastbare Anhaltspunkte für ein Dienstvergehen ergeben – dieses Konkretisieren anfänglicher Vermutungen geschieht durch sogenannte Verwaltungsermittlungen, von deren Ausgang es dann abhängt, ob nach Abs. 1 ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden muss.12 Bleibt auch nach dem Abschluss der Verwaltungsermittlungen nur ein „vager“ Verdacht, ist der Dienstherr auf Dauer gehindert, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, da dann gerade keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für den Verdacht eines Dienstvergehens vorliegen.13 Zu den Verwaltungsermittlungen kann insbesondere ein Gespräch mit dem betroffenen Beamten gehören. Wegen § 11 Abs. 4 Satz 3 gilt hierbei: Eine Verwertung der Einlassung des Beamten im später gegen ihn eröffneten Disziplinarverfahren ist grds. nur möglich, wenn der Beamte schon jetzt, im Vorermittlungs-Gespräch, über seine Rechte gemäß § 11 Abs. 2 nachweislich belehrt wurde. Im Übrigen ist das Verwaltungsermittlungsverfahren gesetzlich nicht geregelt – ein formloses Verfahren ohne Protokollierungsvorschriften.14 Die besonderen Eingriffsrechte der §§ 15 bis 19 und die vorläufigen Maßnahmen der §§ 21, 22 gelten so jedenfalls erst ab Eröffnung des Disziplinarverfahrens. Im Rahmen der Vorermittlungen ist es aber etwa zulässig, Gespräche mit dem Beamten selbst und mit anderen Beschäftigten zu führen, dienstliche Stellungnahmen und Auskünfte einzuholen, Akten auszuwerten usw. Eine Dokumentationspflicht besteht insoweit nicht; allerdings können Erkenntnisse, die im Rahmen der Vorermittlungen gewonnen werden nur dann in das spätere Disziplinarverfahren eingebracht und dort verwertetet werden, wenn sie seinerzeit protokolliert worden sind.15 Im Rahmen der Verwaltungsermittlungen wird der Dienstvorgesetzte zudem regelmäßig prüfen, ob es angezeigt ist, dem verdachtsbetroffenen Beamten vorläufig zu verbieten, seinen Dienst weiter zu versehen. § 39 Satz 1 BeamtStG erlaubt diese sog. Zwangsbeurlaubung „aus zwingenden dienstlichen Gründen“, die dann gegeben sind, wenn dem Dienstherrn nicht mehr zugemutet werden kann, den Beamten seine Dienstgeschäfte fortsetzen zu lassen.16 Das Dienstleistungsverbot erlischt nach Ablauf von drei Monaten kraft Gesetzes, wenn nicht bis dahin gegen den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist (§ 39 Satz 2 BeamtStG).

Sobald sich die Verwaltungsermittlungen zu einem Verdacht im Sinne des Abs. 1 verdichtet haben, muss das Disziplinarverfahren unverzüglich eröffnet werden,17 die weiteren Ermittlungen sind dann nur noch unter dem Schirm des Disziplinarverfahrens durchzuführen – dies dient dem Schutz des Beamten, weil hier das Beweiserhebungsverfahren und die Beteiligungsrechte des Beamten gesetzlich geregelt sind. In diesem Zusammenhang betont das Bundesverwaltungsgericht: Der Dienstvorgesetzte darf, wenn die Voraussetzungen zur Einleitung vorliegen, nicht abwarten und weiteres Belastungsmaterial sammeln; verzögert er die Einleitung des Disziplinarverfahrens, so kann dies bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme als mildernder Umstand berücksichtigt werden, wenn die verzögerte Einleitung für das weitere Fehlverhalten des Beamten ursächlich war.18 Keine Verwaltungsermittlungen sind durchzuführen, wenn ein rechtskräftiges Strafurteil zum Ergebnis kommt, dass ein Dienstvergehen vorliegt; in diesem Fall ist grds. unmittelbar ein Disziplinarverfahren einzuleiten.19

Auch außerdienstlich erlangtes Wissen kann dazu führen, dass der Dienstvorgesetzte das Verfahren einleiten muss – in der Literatur wird in diesen Fällen eine Pflicht zur Einleitung (einschränkend) aber nur dann angenommen, wenn es um die Wahrung „hochrangiger“ dienstlicher Interessen geht.20

4Die tatsächlichen Anhaltspunkte müssen den Verdacht eines „Dienstvergehens“ begründen. Besonders bei außerdienstlichem Fehlverhalten ist also schon an dieser Stelle zu prüfen, ob dieses wirklich ein Dienstvergehen darstellt. Nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG ist ein außerdienstliches Fehlverhalten nämlich nur dann als Dienstvergehen zu qualifizieren, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das (statusrechtliche) Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.21 Bloße Bagatellverstöße gegen die Wohlverhaltensklausel (§ 34 Satz 3 BeamtStG) außerhalb des Dienstes dürfen also nicht disziplinarrechtlich geahndet werden. Eine besondere Vertrauensbeeinträchtigung ist (so das BVerwG)22 insbesondere anzunehmen bei vorsätzlich begangenen Straftaten sowie bei Vorliegen eines Bezuges zwischen dem außerdienstlichen Pflichtenverstoß und dem statusrechtlichen Amt. Anders bei innerdienstlichem Fehlverhalten: Hier ist jede schuldhafte Verletzung von Dienstpflichten immer auch gleich begrifflich ein Dienstvergehen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG). Zu den Dienstpflichten zählen v. a. die in §§ 33 ff. BeamtStG und §§ 47 ff. LBG aufgeführten Pflichten, also etwa: die Verschwiegenheitspflicht, das Verbot der Annahme amtsbezogener Vorteile, die Pflicht, rechtmäßige Weisungen zu befolgen sowie Erklärungspflichten (etwa zu Nebentätigkeiten, bei Beihilfe-, Reise- und Umzugskostenanträgen usw.). Auch die Befolgung von Dienstanweisungen gehört hierher (z. B. eine Dienstanweisung, private Telefonate, privates Internetsurfen, private Kopien zu unterlassen usw.). Und nicht zuletzt gehört hierher die Dienstleistungspflicht, zu der – ganz banal – insbesondere die Pflicht zur ordnungsgemäßen Erfüllung der übertragenen Aufgaben. Das wiederum bedeutet nichts anderes als dass grundsätzlich bereits jede schuldhaft fehlerhafte Sachbearbeitung ein Dienstvergehen darstellt (beispielsweise die rechtswidrige Gewährung oder Ablehnung von Wohngeld, die auf eine schuldhaft fehlerhafte juristische Sachbearbeitung zurückgeht). Besonders in der letzten Konstellation ist aber eine einschränkende Auslegung des Begriffs „Dienstvergehens“ geboten. Ersichtlich (und vom Sinn und Zweck des Disziplinarrechts her: Anhalten des Beamten zu künftig korrekter Dienstausübung, Wahrung von Funktionsfähigkeit und Ansehen des öffentlichen Dienstes23) kann nicht jede, etwa mit leichtester Fahrlässigkeit begangene fehlerhafte juristische Sachbearbeitung begrifflich ein Dienstvergehen darstellen, weil derartige Fehlleistungen (als in der Bandbreite menschlicher Unzulänglichkeiten liegend) grundsätzlich hinzunehmen sind. Auch die Rechtsprechung trägt diesem Gedanken Rechnung – etwa, wenn das BVerwG formuliert, dass ein Dienstvergehen einen „Rechtsverstoß von Gewicht“ voraussetze. Bagatellverfehlungen von geringem Gewicht erfüllen also richtigerweise schon den Begriff des Dienstvergehens nicht, so dass hier auch keine Pflicht aus Abs. 1 zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens besteht (möglich bleiben ggf. die Maßnahmen schriftliche oder mündliche Missbilligung). Speziell zur Fallgruppe der fehlerhaften Arbeitsweise wird in der Rechtsprechung betont, dass nicht jede fehlerhafte Arbeitsweise begrifflich gleich ein Dienstvergehen darstelle, weil eine absolut fehlerfreie Arbeitsleistung gar nicht geschuldet sei – sondern vielmehr eine ordnungsgemäße Ausübung des Dienstes, die „auch allerlei Mängel in der Arbeitsweise einschließt, da selbst der fähigste und zuverlässigste Beamte gelegentlich Fehler macht und Schwankungen seiner Arbeitskraft unterworfen ist“.24 Ergibt sich nach all dem, dass schon begrifflich kein Dienstvergehen vorliegt, existiert auch keine Pflicht zur Verfahrenseinleitung nach Abs. 1. Ergibt sich dagegen, dass begrifflich ein Dienstvergehen vorliegt, ist die Einleitungspflicht nach Abs. 1 ausgelöst – allerdings kann sich aus Abs. 2 eine Ausnahme von der Eröffnungspflicht ergeben, namentlich aus Opportunitätsgründen („sonstige Gründe“ im Sinne des Abs. 2 Satz 1), etwa bei überragend positivem Persönlichkeitsbild des betroffenen Beamten (hierzu sogleich unter Rn. 7).

Ergeben sich außerdem tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass das Dienstvergehen zugleich auch einen Straftatbestand erfüllt, so ist der Dienstvorgesetzte grundsätzlich nicht verpflichtet, Strafanzeige zu erstatten – vielmehr steht dies in seinem Ermessen (allerdings muss er den Beamten vor Erstattung der Strafanzeige aus Fürsorgegründen anhören).25

5Rechtsfolge des Abs. 1: Liegen nach all dem tatsächliche Anhaltspunkte vor, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, muss die Disziplinarbehörde das Disziplinarverfahren einleiten – und zwar unverzüglich. Das gilt auch dann, wenn der Beamte verhandlungsunfähig ist oder abwesend.26 Verstößt der Dienstvorgesetzte gegen die unverzügliche Eröffnungspflicht aus Abs. 1, begeht er seinerseits eine Dienstpflichtverletzung; war das Unterlassen schuldhaft, liegt bei ihm ein Dienstvergehen vor. Das BVerwG27 betont, dass die gesetzliche Pflicht zur Eröffnung aus Abs. 1 „indirekt“ auch zu einer Beschleunigung zwingt: „Der Dienstvorgesetzte darf, wenn die Voraussetzungen zur Einleitung vorliegen, nicht abwarten und weiteres Belastungsmaterial sammeln.“ Verletzt die Behörde diese Pflicht, leitet sie also nicht unverzüglich ein Disziplinarverfahren ein, so können sich aus diesem Verstoß gegen Abs. 1 verschiedene Konsequenzen ergeben:28 Es kann in der Folge etwa zum Maßnahmeverbot wegen Zeitablaufs gemäß § 35 kommen. Auch kann eine (bedeutende) Verzögerung u. U. bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme zu berücksichtigen sein – insbesondere kann ein solches Verhalten des Dienstvorgesetzten dem Beamten dann als mildernder Umstand zugutekommen, wenn es für sein weiteres Fehlverhalten ursächlich war.29

Rechtsfolgen der Einleitung: Wie bereits dargelegt, muss der Beamte über die Eröffnung grundsätzlich unverzüglich unterrichtet werden – es sei denn, seine derzeitige Unterrichtung würde die Aufklärung des Sachverhalts gefährden, vgl. § 11 Abs. 1, vgl. bereits oben Rn. 2. Die Schwerbehindertenvertretung muss (nur) unterrichtet werden, vgl. auch hierzu bereits oben Rn. 2.

Die Einleitung des Disziplinarverfahrens eröffnet zudem die Möglichkeit, verschiedene vorläufige Maßnahmen zu treffen: So kann die Disziplinarbehörde den Beamten ggf. vorläufig des Dienstes entheben (§ 22 Abs. 1)30 und dabei zugleich verfügen, dass bis zu 50 % seiner Bezüge einbehalten werden (§ 22 Abs. 2). Sie kann dem Beamten ggf. vorläufig eine geringerwertige Tätigkeit übertragen (§ 21). All diese vorläufigen Maßnahmen müssen mit Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung versehen und förmlich zugestellt werden (§ 23 Abs. 1 Satz 1).31

Mit der Einleitung des Disziplinarverfahrens (und nicht erst ab der Unterrichtung des Beamten nach § 11 Abs. 1) beginnt die 6-Monats-Frist aus § 37 Abs. 3 Satz 1 zu laufen. Diese Vorschrift erlaubt es dem Beamten, wenn nach der Einleitung sechs Monate vergangen und das Disziplinarverfahren noch nicht abgeschlossen ist, bei Verwaltungsgericht den Antrag zu stellen, der Disziplinarbehörde eine Frist zum Abschluss des Disziplinarverfahrens zu bestimmen.

Dagegen hat allein die Eröffnung des Disziplinarverfahrens keine förmliche Beförderungssperre zur Folge (das ergibt sich auch arg. e contrario aus § 29 Abs. 4, § 30 Abs. 2). Dennoch darf sich der Dienstherr auf den Standpunkt stellen, schon die Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen den Beamten (immerhin ja gestützt auf tatsächliche Anhaltspunkte, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen, vgl. Abs. 1) schließe ihn im Beförderungsverfahren bzw. im Verfahren um die Vergabe höherwertiger Dienstposten aus – anders, wenn die Vorwürfe offensichtlich unbegründet sind oder das Verfahren rechtsmissbräuchlich eingeleitet wurde, gerade um den Beamten von der Auswahl auszuschließen.32

Die Einleitungsverfügung ist richtigerweise als reine Verfahrenshandlung nach § 44a VwGO nicht isoliert angreifbar, vgl. § 11 Abs. 4 Satz 1 (und – im Wege des Erst-recht-Schlusses – § 13 Abs. 4 Satz 2).

Disziplinarrecht Baden-Württemberg

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