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2.Abs. 1: Ausdehnung des Verfahrens

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2Nach Abs. 1 kann das Disziplinarverfahren nach seiner Eröffnung auf weitere Handlungen ausgedehnt werden, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen. Dabei ist einerlei, ob diese Handlungen vor oder nach der Einleitung begangen wurden; gleichgültig ist auch, ob diese Handlungen schon vor der Einleitung des Disziplinarverfahrens bekannt waren oder erst danach bekannt wurden.1 Die Vorschrift erlaubt auch mehrmalige Ausdehnungen. Sie dient grundsätzlich der Durchsetzung des Grundsatzes der Einheit des Dienstvergehens, denn durch die Einbeziehung(en) können alle Dienstvergehen (wie vom Gesetzgeber intendiert) in einem einheitlichen Disziplinarverfahren gebündelt und mit einer einheitlichen Disziplinarmaßnahme geahndet werden.

Die Ausdehnungs-Entscheidung steht im Ermessen der Disziplinarbehörde, das – wie gewöhnlich – gemäß § 40 LVwVfG2 aktiv auszuüben ist, entsprechend dem Zweck der Ermächtigung, wobei die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten sind, namentlich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.3 In der Regel wird das Ermessen dahingehend auszuüben sein, den weiteren Vorwurf einzubeziehen – denn der Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens verlangt es eben, alle Pflichtenverstöße grundsätzlich in einem einzigen Verfahren zu verfolgen und zu ahnden.4 Das wird insbesondere der Fall sein, wenn der zusätzliche Vorwurf eine gewichtigere oder graduell verschärfte Disziplinarmaßnahme rechtfertigt.5

3Zwingend ist die Ausdehnung aber nicht: Vielmehr ermöglicht die Vorschrift es auch, den Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens zu durchbrechen, wenn andere disziplinarrechtliche Grundsätze der Ausdehnung entgegenstehen – namentlich kann von einer Ausdehnung abzusehen sein, wenn sich andernfalls das laufende Disziplinarverfahren erheblich verzögern würde (Beschleunigungsgrundsatz, Ziel einer effektiven Ahndung des Dienstvergehens durch rasche Einwirkung auf den Beamten).6 Letztlich sind bei der Ermessensausübung die beiden unterschiedlichen Ziele in Ausgleich zu bringen (Einheit des Dienstvergehens einerseits – Beschleunigungsgebot andererseits).

Wird von der Ausdehnung vorläufig abgesehen, kann sich die Situation ergeben, dass der nicht einbezogene Vorwurf später in einem weiteren, neuen Disziplinarverfahren verfolgt wird. In dieser Nicht-Einbeziehung des weiteren Vorwurfs in das laufende Disziplinarverfahren liegt (wie dargelegt) eine gewisse Durchbrechung des Grundsatzes der Einheit des Dienstvergehens. Der Gesetzgeber lässt dies in Abs. 1 aber ausdrücklich zu – und überlässt die (ermessensgerechte) Entscheidung der Nicht-Ausdehnung der Disziplinarbehörde. Dies bedeutet in der Konsequenz, dass für ein materiell eigentlich einheitlich zu beurteilendes Dienstvergehen am Ende mehrere Disziplinarmaßnahmen ausgesprochen werden – diesem Umstand muss daher bei der Bemessung der späteren Disziplinarmaßnahme Rechnung getragen werden.7 Will heißen: Es mag zwar verfahrensrechtlich nach Abs. 1 zulässig sein, den weiteren Vorwurf nicht in das laufende Disziplinarverfahren einzubeziehen – im späteren Disziplinarverfahren zum zweiten Vorwurf muss dann aber materiell-rechtlich (d. h. bei der Bemessung der zweiten Disziplinarmaßnahme) sichergestellt werden, dass der Beamte nicht schlechter gestellt wird als wären beide Vorwürfe von vornherein in einem einheitlichen Disziplinarverfahren gleichzeitig und einheitlich geahndet worden.8

Disziplinarrecht Baden-Württemberg

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