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3.Abs. 2: Ausscheiden unbedeutender Handlungen

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4Abs. 2 Satz 1 ermöglicht es, aus dem bereits eröffneten Verfahren einzelne Handlungen wieder auszuscheiden, die für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme voraussichtlich nicht ins Gewicht fallen würden. Auf diese Weise kann das laufende Verfahren auf die wesentlichen Vorwürfe konzentriert werden. Die Vorschrift dient daher der Verfahrensbeschleunigung und der Verfahrensökonomie.

Die Norm ist eine Durchbrechung des Grundsatzes der Einheit des Dienstvergehens, der ja eigentlich vorgibt, dass alle Dienstvergehen des Beamten in einem einheitlichen Disziplinarverfahren mit einer einheitlichen Disziplinarmaßnahme geahndet werden. In Kombination mit Abs. 4 stellt die Vorschrift zudem eine Durchbrechung des Legalitätsgrundsatzes aus § 8 Abs. 1 dar: Denn wenn die ausgeschiedene Handlung nicht bis zum Erlass der Abschlussverfügung wieder einbezogen wurde, darf sie nicht zum Gegenstand eines neuen Disziplinarverfahrens gemacht werden und bleibt damit endgültig disziplinarrechtlich ungeahndet.

Tatbestandlich setzt die Vorschrift voraus, dass die ausgeschiedene Handlung bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme voraussichtlich ohnehin nicht ins Gewicht fallen würde. Die Gesetzesbegründung nennt als Beispiel für ein sachgerechtes Ausscheiden leichtgewichtigerer Vorwürfe den Fall, dass bereits einer von mehreren Vorwürfen voraussichtlich zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führen wird oder wenn die Berücksichtigung des weiteren Vorwurfs eine schärfere Disziplinarmaßnahme nicht zu rechtfertigen vermag.9 Das BVerwG lässt es (recht streng) nur zu, solche Tathandlungen aus dem Disziplinarverfahren auszuscheiden, die „für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt ins Gewicht fallen können“.10 Wenn sich die Handlung also auf die Art oder auch nur die Höhe der Disziplinarmaßnahme (Höhe der Geldbuße, Ausmaß der Bezügekürzung, Grad der Zurückstufung) auswirken könnte, scheidet demnach ein Ausschluss der Handlung richtigerweise aus.11 Hierzu ist eine sorgfältige Prognose anzustellen.12

Auf Rechtsfolgenseite steht auch die Beschränkungs-Entscheidung im Ermessen der Behörde, das nach § 40 LVwVfG auszuüben ist. Die Behörde muss dabei insbesondere abwägen: den Legalitätsgrundsatz und den Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens auf der einen Seite – und auf der anderen Seite das Gebot der Konzentration des Verfahrens auf die wesentlichen, tragenden Vorwürfe sowie das Beschleunigungsgebot13 (vgl. die gesetzgeberische Wertung hinter § 37 Abs. 3 Satz 1, wonach das Disziplinarverfahren grundsätzlich innerhalb von sechs Monaten nach seiner Eröffnung abgeschlossen sein soll) und den Gedanken, dass die zeitnahe Ahndung von Dienstvergehen größere selbstreinigende Außenwirkung und individualpräventive Wirkung hat als sich lange hinziehende Verfahren.

5Nach Abs. 2 Satz 2 können ausgeschiedene Handlungen wieder in das (noch laufende) Verfahren einbezogen werden, wenn die Voraussetzungen für das vormalige Ausscheiden inzwischen entfallen sind. Auch diese Entscheidung steht im Ermessen der Behörde. Grundsätzlich soll zwar ein einmal verfügtes Ausscheiden einzelner Vorwürfe bindend sein (im Hinblick auf den erforderlichen Vertrauensschutz und die notwendige Rechtssicherheit).14 Wenn aber die Ausscheidens-Voraussetzungen nachträglich wieder entfallen, soll ein Zurückholen der Vorwürfe ins laufende Verfahren möglich sein. Das betrifft etwa den Fall, dass die im laufenden Verfahren verbliebenen Vorwürfe sich als unerweislich herausstellen – so dass den ausgeschiedenen Handlungen nachträglich ein anderes Gewicht zukommt.15 Denkbar ist auch, dass der im Verfahren verbliebene Vorwurf zwar erweislich ist, sich aber als deutlich leichtgewichtiger herausstellt als ursprünglich angenommen. Aber auch der umgekehrte Fall ist denkbar, nämlich dass der vormals ausgeschiedene Vorwurf sich als deutlich schwerwiegender entpuppt als ursprünglich eingeschätzt. All diese früheren Fehlprognosen können über die Wiedereinbeziehung nach Abs. 2 Satz 2 nachträglich korrigiert werden. Nicht ausreichend ist aber, dass bei unverändertem Sachverhalt und unveränderter Kenntnislage der Behörde sich lediglich die behördliche (juristische) Einschätzung der Beachtlichkeit der ausgeschiedenen Handlung ändert – hier liegt kein „Entfallen“ der ursprünglichen Ausscheidungs-Voraussetzungen vor sondern nur eine Einschätzungsveränderung auf Seiten der Behörde.16

Das Wiedereinbeziehungs-Ermessen wird dabei richtigerweise von denselben Gesichtspunkten geleitet wie das Ausscheidens-Ermessen. Insbesondere kann es ermessensgerecht sein, die ausgeschiedene Handlung wieder einzubeziehen, wenn nur so eine gewichtigere Disziplinarmaßnahme verfügt werden kann, die angesichts des Gesamtgeschehens als die angemessene Maßnahme erscheint und durch die Wiedereinbeziehung keine unverhältnismäßige Verzögerung des Disziplinarverfahrens droht.

Disziplinarrecht Baden-Württemberg

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