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10. Rechtsfolgen einer fehlerhaften Sachverhaltsermittlung
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Ermittelt die Behörde den Sachverhalt nicht ordnungsgemäß, so begeht sie einen Verfahrensfehler. Nach § 46 VwVfG kann der Beteiligte die Aufhebung des in einem fehlerhaften Verfahren ergangenen Verwaltungsakts allerdings nicht verlangen, wenn offensichtlich ist, dass dieser Verfahrensverstoß die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Verfahrens- oder Formfehler sollen nach dem Willen des Gesetzgebers nur noch dann beachtlich sein, wenn sie die Entscheidung in der Sache auch tatsächlich beeinflusst haben.[380]
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Im Bereich der gebundenen Verwaltung wirkt sich eine unzureichende behördliche Sachverhaltsermittlung schon nach der bisherigen Rechtslage in aller Regel nicht aus. § 86 Abs. 1 VwGO zwingt das Verwaltungsgericht – selbst bei noch so nachlässigen behördlichen Ermittlungen –, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und die Spruchreife des Verfahrens herbeizuführen.[381] Nur wenn die noch erforderlichen Ermittlungen nach Art und Umfang erheblich sind und eine Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Prozessbeteiligten sachdienlich ist, kann das Gericht (innerhalb eines begrenzten Zeitraums), ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den angefochtenen Verwaltungsakt und einen eventuellen Widerspruchsbescheid aufheben (§ 113 Abs. 3 VwGO).[382]
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Im Ermessensbereich und im Rahmen von Beurteilungsspielräumen der Verwaltung war die Auswirkung von § 46 VwVfG (a.F.) in Fällen einer fehlerhaften Tatsachenermittlung nicht völlig geklärt.[383] Die Neufassung stellt den Anwendungsbereich dieser Vorschrift klar. Erfasst werden nunmehr alle Ermessensentscheidungen, d.h. auch solche, bei denen keine Ermessensreduzierung auf null vorliegt.[384] Im Falle eines behördlicherseits nicht hinreichend ermittelten Sachverhalts kann der Betroffene die Aufhebung eines Ermessensverwaltungsakts (Gleiches gilt für eine Beurteilungsentscheidung) mithin nicht verlangen, wenn auch für einen durchschnittlichen Betrachter ohne Weiteres erkennbar ist, dass dieser Verfahrensfehler auf die Sachentscheidung keinen Einfluss gehabt hat. Von Einfluss ist der Fehler dann, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne ihn die Entscheidung in der Sache anders ausgefallen wäre.[385] Insoweit hat sich im Vergleich zur alten Rechtslage nichts geändert.[386]
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Am Prinzip der Amtsermittlung rüttelt die Neuregelung des § 46 VwVfG im Übrigen nicht. Die Erweiterung des Anwendungsbereichs dieser Norm darf die Behörde also nicht dazu verleiten, ihre in § 24 VwVfG niedergelegten Pflichten zu vernachlässigen.