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dd) Stellungnahmen und Einwendungen
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Behörden und Planbetroffene (die wiederum in Enteignungsbetroffene und mittelbar Betroffene unterschieden werden[102]) sowie anerkannte Vereinigungen haben ein Beteiligungsrecht dergestalt, dass sie über den festzustellenden Plan in Kenntnis gesetzt werden und hierzu Stellungnahmen bzw. Einwendungen vorbringen können. Mit diesen muss sich die Anhörungs- bzw. Planfeststellungsbehörde inhaltlich auseinandersetzen. Dadurch wird im Interesse einer größtmöglichen Richtigkeitsgewähr der Verwaltungsentscheidung ein Teil des Rechtsschutzes auf das Verwaltungsverfahren vorverlagert und eine Möglichkeit für den frühzeitigen Ausgleich individueller und öffentlicher Interessen geschaffen.[103] Im Interesse der Planungs- und damit Rechts- und Investitionssicherheit wird dieses Beteiligungsrecht vom Instrument der materiellen Präklusion flankiert, das verspätet gegen den Plan vorgebrachte Stellungnahmen und Einwendungen ausschließt, d.h. sie unbeachtlich werden lässt.[104] Im Einzelnen:
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Stellungnahmen der Behörden. Die Anhörungsbehörde hat innerhalb eines Monats nach Zugang des vollständigen Plans nicht nur dessen Auslegung zu veranlassen, sondern sie muss zugleich die Behörden, deren Aufgabenbereich durch das Vorhaben berührt wird, zur Stellungnahme auffordern (§ 73 Abs. 2 VwVfG). Die beteiligten Behörden müssen ihre Stellungnahme innerhalb einer von der Anhörungsbehörde zu setzenden Frist, die drei Monate nicht überschreiten darf, abgeben (§ 73 Abs. 3a Satz 1 VwVfG).
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Die „berührten Aufgaben“ i.S.d. § 73 Abs. 2 VwVfG sind Entscheidungsbefugnisse, die infolge der Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses von der Planfeststellungsbehörde wahrgenommen werden, sowie Mitwirkungsrechte (z.B. Anhörungs- und Stellungnahmerechte), die kraft Gesetzes anlässlich des Planfeststellungsverfahrens bestehen.[105]
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Gemeinden sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts „als Träger der gemeindlichen Planungshoheit […] nicht im Rahmen der Behördenanhörung zu beteiligen, sondern müssen, wie jeder andere in eigenen Rechten Betroffene auch, ihre Einwendungen im Rahmen der Anhörung“ gem. § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG erheben.[106]
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Einwendungen der Betroffenen. Jeder, der durch das Vorhaben in seinen Belangen berührt wird, kann bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist (vgl. § 73 Abs. 3 Satz 1 VwVfG) schriftlich oder zur Niederschrift bei der Anhörungsbehörde oder bei der den Plan auslegenden Gemeinde Einwendungen gegen den Plan erheben (§ 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG).[107] Eine Pflicht, Einwendungen zu erheben, gibt es nicht. Es handelt sich um eine Obliegenheit („kann“), deren Verletzung grundsätzlich die Einwendungspräklusion zur Folge hat.[108] Die fehlerhafte Berechnung der Einwendungsfrist durch die Behörde ist nach Maßgabe des § 46 VwVfG unbeachtlich, wenn der Betroffene seine Einwendungen gleichwohl innerhalb der Einwendungsfrist erhoben hat.[109]
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Der Begriff der Belange umfasst nicht nur subjektive Rechte, sondern auch alle schützenswerten Interessen.[110] Die Einwendungsbefugnis gem. § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG ist demzufolge weiter als die Klagebefugnis gem. § 42 Abs. 2 VwGO.[111] Es muss sich um die eigenen Belange des Einwenders handeln. Das bedeutet nicht, dass Einwendungen nur individuell erhoben werden dürfen, vielmehr sind auch Sammeleinwendungen zulässig.[112] Unstatthaft sind jedoch „Populareinwendungen“, mit denen sich jedermann zum Sachwalter der Belange Dritter oder der Allgemeinheit erheben würde.[113] Berührt sind die Belange nicht erst bei einer Rechtsverletzung, sondern schon dann, wenn eine Betroffenheit von Rechten oder Interessen durch das Vorhaben zumindest möglich ist.[114]
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Einwendungen sind nach der Definition des Bundesverwaltungsgerichts „sachliches, auf die Verhinderung oder Modifizierung des Planvorhabens zielendes Gegenvorbringen“[115]. Sie müssen fristgerecht gem. § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG bzw. § 73 Abs. 4 Satz 2 VwVfG erhoben werden. Bei Fristversäumnis ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Maßgabe des § 32 VwVfG möglich.[116]
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Stellungnahmen der Vereinigungen. Anerkannte Vereinigungen, namentlich Umwelt- und Naturschutzverbände, sind private „Vereinigungen, die sich satzungsgemäß zu privaten Zwecken einer an sich öffentlichen Aufgabe widmen und denen insoweit als besondere Sachwalter nach anderen gesetzlichen Vorschriften Mitwirkungsrechte im öffentlichen Interesse neben den Behörden zugestanden werden“[117]. Im Planfeststellungsverfahren haben sie die Funktion eines „Verwaltungshelfers“, indem sie ihren Sachverstand in das Verfahren einbringen.[118]
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Durch das mit dem Planungsvereinheitlichungsgesetz eingeführte Recht zur Abgabe einer Stellungnahme zu dem Plan innerhalb der für die Erhebung von Einwendungen geltenden Frist (§ 73 Abs. 4 Satz 5 VwVfG) werden die anerkannten Vereinigungen den Betroffenen i.S.d. § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG gleichgestellt.[119] Das Gesetz spricht von einer „Stellungnahme“, weil eine Vereinigung typischerweise keine eigenen Belange geltend macht, sondern sich als „Anwalt der Natur“[120] des Wohls der Allgemeinheit annimmt.[121] Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass eine anerkannte Vereinigung z.B. als Grundstückseigentümerin in eigenen subjektiven Rechten betroffen ist.[122] In diesem Fall steht ihr nicht das Stellungnahmerecht nach § 73 Abs. 4 Satz 5 VwVfG zu, sondern das Einwendungsrecht nach § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG.[123]
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Das Stellungnahmerecht nach § 73 Abs. 4 Satz 5 VwVfG setzt das Recht der Vereinigung zur Anfechtung des mit dem Planfeststellungsverfahren vorbereiteten Planfeststellungsbeschlusses (§ 74 Abs. 1 Satz 1 VwVfG) bzw. der Plangenehmigung (§ 74 Abs. 6 Satz 1 VwVfG) mit den Rechtsbehelfen der Verwaltungsgerichtsordnung voraus. Ein solches Verbandsklagerecht wird nicht durch § 73 Abs. 4 Satz 5 VwVfG, sondern durch spezielle Vorschriften wie z.B. § 2 Abs. 1 UmwRG gewährt.
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Das Bundesverwaltungsgericht hat klargestellt, dass mit dem Beteiligungsrecht anerkannter Vereinigungen „weder die Übertragung von öffentlichen Verwaltungsaufgaben noch von Entscheidungsbefugnissen oder Kontrollrechten gegenüber der Verwaltung verbunden“ sei noch die Planfeststellungsbehörde „zu einem ständigen Abstimmungsprozess [oder] gar zur Herstellung des Einvernehmens mit den Naturschutzverbänden verpflichtet“ sei. Die Verbände hätten keinen „Anspruch auf einen ‚Dialog mit der Planfeststellungsbehörde‘“, ihr Stellungnahmerecht sei „verfahrensrechtlich auf die Vorbereitung des Planfeststellungsbeschlusses und inhaltlich auf die Einbringung des Sachverstandes der Naturschutzverbände beschränkt“.[124]