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d) Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen
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Keine Nebenbestimmungsfeindlichkeit. Ein Hauptverwaltungsakt darf nicht mit einer Nebenbestimmung versehen werden, wenn er nebenbestimmungsfeindlich ist. Das ist entweder dann der Fall, wenn dies gesetzlich angeordnet ist (z.B. § 15 Abs. 4 PBefG) oder wenn sich die Nebenbestimmungsfeindlichkeit aus der Natur des Hauptverwaltungsakts oder aus dem Sinn und Zweck seiner Ermächtigungsgrundlage ergibt.[236] So kann aus dem erhöhten Bedarf an Rechtssicherheit z.B. bei statusverändernden Verwaltungsakten die Nebenbestimmungsfeindlichkeit folgen, wie dies bei der Ernennung eines Beamten auf Lebenszeit oder der Erteilung der Approbation der Fall ist.[237]
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Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht. Ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, also ein gebundener[238] begünstigender Verwaltungsakt,[239] darf gem. § 36 Abs. 1 VwVfG nur dann mit einer Nebenbestimmung versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift – also ein Gesetz, eine Rechtsverordnung oder eine Satzung[240] – zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden.
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Die Ermächtigungsgrundlage des § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG trägt eine Nebenbestimmung nur dann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen des Hauptverwaltungsakts noch nicht erfüllt sind. Sie scheidet aus, wenn die Nebenbestimmung lediglich für den Fall erlassen wird, dass die im Zeitpunkt des Erlasses des Hauptverwaltungsakts bereits erfüllten Voraussetzungen künftig wegfallen.[241]
Beispiele:
1. | Soll eine Nebenbestimmung die Erfüllung gesetzlicher Genehmigungsvoraussetzungen sicherstellen (§ 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG), muss das betreffende Vorhaben genehmigungsbedürftig sein. Anderenfalls ist die Nebenbestimmung rechtswidrig.[242] |
2. | Auf die Erteilung einer Spielhallenerlaubnis gem. § 33i Abs. 1 Satz 1 GewO besteht ein Anspruch, soweit kein Versagungstatbestand gem. § 33i Abs. 2 GewO vorliegt.[243] Die Ermächtigung zum Erlass von Nebenbestimmungen (§ 36 Abs. 1 Alt. 1 VwVfG) findet sich in § 33i Abs. 1 Satz 2 GewO, wonach die Erlaubnis mit einer Befristung erteilt und mit Auflagen verbunden werden kann. |
3. | Auf die Erteilung einer Baugenehmigung besteht ein Anspruch, wenn dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen (§ 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW). Zu den entgegenstehenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften gehören u.a. solche des Brandschutzes (§ 3 Abs. 1 Satz 1, § 17 BauO NRW), so dass die Baugenehmigung gem. § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG mit Brandschutzauflagen versehen werden darf, wenn dadurch die Einhaltung von Brandschutzvorschriften und damit die baurechtliche Genehmigungsfähigkeit sichergestellt ist.[244] |
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Sonstige Verwaltungsakte. Verwaltungsakte, auf die kein Anspruch besteht, dürfen unbeschadet des § 36 Abs. 1 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen mit Nebenbestimmungen erlassen werden (§ 36 Abs. 2 VwVfG).
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§ 36 Abs. 2 VwVfG enthält als erste Alternative eine Rechtsgrundverweisung auf § 36 Abs. 1 Alt. 2 VwVfG, infolge derer ein Verwaltungsakt, der im Ermessen der Behörde steht, mit einer Nebenbestimmung versehen werden darf, wenn diese der Sicherstellung der gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts dient.[245]
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Als zweite Alternative kommt der Erlass von Nebenbestimmungen auf Grundlage des § 36 Abs. 2 VwVfG in Betracht, wenn dies nicht der Sicherung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts dient.[246] Die pflichtgemäße Ermessensausübung muss dabei sicherstellen, dass die Nebenbestimmungen „ihre Rechtfertigung in dem Zweck des Gesetzes und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Materie finden […]. Sie müssen sachgerecht sein und dürfen nicht im Widerspruch zum Zweck des Verwaltungsakts stehen“[247]. Bei diesem Maßstab fließen die Vorgaben des § 36 Abs. 3 VwVfG, die im Fall des § 36 Abs. 1 VwVfG eine eigenständige Bedeutung haben, im Anwendungsbereich des § 36 Abs. 2 VwVfG in die Ermessensausübung ein.[248]
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Zweckwidrigkeitsverbot. Nach § 36 Abs. 3 VwVfG setzt die Rechtmäßigkeit von Nebenbestimmungen weiter voraus, dass sie dem Zweck des Verwaltungsakts nicht zuwiderlaufen. Diese Zweckorientierung ist ein für alle Nebenbestimmungen und alle Arten von Verwaltungsakten geltendes Gebot.[249] Mithin muss sich die Nebenbestimmung am Sinn und Zweck der Ermächtigungsgrundlage des Hauptverwaltungsakts ausrichten. Sie darf nicht irgendeinen legitimen, mit dem Hauptverwaltungsakt aber nicht unmittelbar zusammenhängenden Zweck verfolgen, sondern sie muss mit diesem in einem unmittelbaren inneren Sachzusammenhang stehen und der rechtmäßigen Umsetzung der abstrakt-generellen Vorgaben seiner Ermächtigungsgrundlage im konkreten Einzelfall dienen.[250]
Beispiel:
Aspekte der Abfallvermeidung sind nicht Regelungsgegenstand der Ermächtigungsgrundlage für die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis zur Außenbewirtschaftung, weshalb sie nicht mit einer Nebenbestimmung des Inhalts versehen werden darf, dass nur Mehrweggeschirr verwendet wird.[251]