Читать книгу Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess - Thomas Elwell Jacob - Страница 322

a) Fehlerkategorien

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Das Verwaltungsverfahrensgesetz unterscheidet zwischen der offenbaren Unrichtigkeit und der Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten. Offenbare Unrichtigkeiten wie Schreibfehler oder Rechenfehler lassen die Wirksamkeit und die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts unberührt[546] und können von der Behörde jederzeit berichtigt werden (§ 42 Satz 1 VwVfG).

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Formelles und materielles Recht. Die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts kann sich aus Verstößen gegen formell-rechtliche Vorschriften, also solchen über die Zuständigkeit, das Verfahren oder die Form ergeben (formelle Rechtswidrigkeit)[547] oder aus Verstößen gegen materiell-rechtliche Vorschriften, wenn also der Regelungsgehalt des Verwaltungsakts nicht mit den einschlägigen Vorschriften in Einklang steht (materielle Rechtswidrigkeit).

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Relatives und absolutes Verfahrensrecht. Soweit formelles Recht in Gestalt von Verfahrensrechten in Rede steht, wird zwischen relativen und absoluten Verfahrensrechten differenziert. Diese Unterscheidung hat Bedeutung dafür, ob das Verfahrensrecht dem Betroffenen ein eigenständiges subjektiv-öffentliches Recht vermittelt und ob bei einem Verstoß gegen das Verfahrensrecht die Vorschrift des § 46 VwVfG zur Anwendung kommt.

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Das Verfahrensrecht hat grundsätzlich keinen Selbstzweck, sondern es dient der effektiven Durchsetzung des materiellen Rechts.[548] Dieses Prinzip des nicht selbstständig durchsetzbaren, sondern vom materiellen Recht abhängigen relativen Verfahrensrechts[549] kommt in § 46 VwVfG zum Ausdruck, wonach der Anspruch auf Aufhebung eines Verwaltungsakts ausgeschlossen ist, wenn er lediglich unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, und offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.

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Demgegenüber sind absolute Verfahrensrechte, auf die § 46 VwVfG nicht anwendbar ist und die selbstständig durchgesetzt werden können, der Ausnahmefall.[550] Ein absolutes Verfahrensrecht liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vor, wenn es „nicht nur der Ordnung des Verfahrensablaufs, insbesondere einer umfassenden Information der Verwaltungsbehörde dient, sondern dem betroffenen Dritten in spezifischer Weise und unabhängig vom materiellen Recht eine eigene, nämlich selbstständig durchsetzbare verfahrensrechtliche Rechtsposition gewähren will, sei es im Sinne eines Anspruchs auf die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens überhaupt, sei es im Sinne eines Anspruchs auf die ordnungsgemäße Beteiligung an einem (anderweitig) eingeleiteten Verwaltungsverfahren.“[551] Ob dies der Fall ist, richtet sich „allein nach der Zielrichtung und dem Schutzzweck der Verfahrensvorschrift selbst. Aus ihrem Regelungsgehalt muss sich ergeben, dass die Regelung des Verwaltungsverfahrens mit einer eigenen Schutzfunktion zu Gunsten einzelner ausgestattet ist, und zwar in der Weise, dass der Begünstigte unter Berufung allein auf einen ihn betreffenden Verfahrensmangel, d.h. ohne Rücksicht auf das Entscheidungsergebnis in der Sache, die Aufhebung bzw. den Erlass einer verfahrensrechtlich gebotenen behördlichen Entscheidung gerichtlich soll durchsetzen können“[552]. Als absolute Verfahrensrechte anerkannt sind z.B. das Erfordernis des gemeindlichen Einvernehmens bei einer Baugenehmigung (§ 36 BauGB) oder – wenn der Verband nicht in der Lage ist, den angegriffenen Planfeststellungsbeschluss einer materiellen Prüfung zuzuführen – das Beteiligungsrecht eines anerkannten Naturschutzverbandes gem. § 63 Abs. 2 Nr. 6 BNatSchG.[553]

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Fehlerfolgen. Das Verwaltungsverfahrensgesetz sieht ein abgestuftes Rechtswidrigkeitsfolgenregime vor. Verstöße gegen formell-rechtliche oder materiell-rechtliche Vorschriften können nach Maßgabe des § 44 VwVfG zur Nichtigkeit und damit gem. § 43 Abs. 3 VwVfG zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts führen. Er ist dann nicht vollziehbar, muss also nicht befolgt werden, und kann nicht in Bestandskraft erwachsen. Bestimmte Verfahrens- oder Formfehler können dagegen gem. § 45 VwVfG geheilt werden oder sie bleiben, wenn sie nicht geheilt wurden oder nicht heilbar sind, unter den Voraussetzungen § 46 VwVfG folgenlos. Auch die Verletzung von Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit fällt in den Anwendungsbereich des § 46 VwVfG. Verstöße gegen materielles Recht können, wie z.B. im Fall des Abwägungsmangels (vgl. § 75 Abs. 1a VwVfG), nach Maßgabe spezieller Vorschriften unerheblich sein.[554]

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