Читать книгу Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess - Thomas Elwell Jacob - Страница 360
1. Entwicklung und Bedeutung
Оглавление382
Mit dem Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes am 1.1.1977 hat der Gesetzgeber mit den §§ 54 ff. VwVfG den bis dahin schon praktizierten Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge auf eine zentrale gesetzliche Grundlage gestellt und ihn damit als legitime Handlungsform der Verwaltung anerkannt.[755] Der öffentlich-rechtliche Vertrag hat eine Doppelnatur als auf den Abschluss eines Verwaltungsverfahrens gerichtetes Handlungsinstrument zum einen und materiell-rechtliches Rechtsgeschäft zum anderen.[756] Er steht gleichrangig neben dem Verwaltungsakt (vgl. § 9 VwVfG),[757] hat diesen aber trotz seiner Etablierung in der Verwaltungspraxis noch nicht als wichtigste Handlungsform abgelöst[758].
383
Die §§ 54 ff. VwVfG sind seit Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes unverändert geblieben. Ein im Jahr 2004 vorgelegter, aber noch nicht verwirklichter Bund-Länder-Musterentwurf sieht u.a. die Normierung des Kooperationsvertrages[759] als neue allgemeine Vertragsart sowie eine Reform des Schriftformerfordernisses (§ 57 VwVfG) und der Nichtigkeitsgründe (§ 59 VwVfG) vor.[760]
384
Gegenüber dem Verwaltungsakt hat der öffentlich-rechtliche Vertrag den Vorzug der flexibleren Handhabung atypischer oder komplexer Fallgestaltungen, und er erfährt wegen des notwendigen Konsenses zwischen Verwaltung und Vertragspartner eine größere Akzeptanz.[761] In diesem Sinne ist er ein zeitgemäßes Handlungsinstrument in einem modernen Verwaltungsrecht, in dem der Einzelne „nicht Untertan, sondern Bürger“[762] ist.[763] Doch wenngleich der öffentlich-rechtliche Vertrag „Ausdrucksmittel eines kooperativen Staates“[764] ist, hat die Behörde keine der Privatautonomie vergleichbare Gestaltungsmacht.[765] Vor allem entbinden die §§ 54 ff. VwVfG sie nicht vom Vorrang des Gesetzes (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG).[766]
D. Handlungsformen und Entscheidungen im Verwaltungsverfahren › III. Der öffentlich-rechtliche Vertrag › 2. Rechtsgrundlagen