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c) Abgrenzung zum privatrechtlichen Vertrag

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Der Verwaltungsvertrag ist aus materiell-rechtlichen Gründen vom privatrechtlichen Vertrag abzugrenzen, weil er nicht dem rein zivilrechtlichen Vertragsrecht unterliegt, sondern sich seine Rechtmäßigkeit und Fehlerfolgen nach den speziellen Bestimmungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes richten (vgl. § 62 Satz 1 VwVfG) und nur ergänzend die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend gelten (§ 62 Satz 2 VwVfG).[794] In prozessualer Hinsicht stellt sich die Abgrenzungsfrage mit Blick auf die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 VwGO).[795]

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Abgrenzungskriterien. Die Qualifizierung eines Vertrages als öffentlich-rechtlich oder zivilrechtlich hängt nicht von seiner formalen Bezeichnung oder dem subjektiven Willen der Vertragschließenden ab, weil ihnen insoweit die Dispositionsbefugnis fehlt.[796] Die Abgrenzung richtet sich ausschließlich nach objektiven Kriterien.[797] Dabei macht allein die Beteiligung einer Behörde am Vertrag diesen noch nicht zu einem öffentlich-rechtlichen Vertrag, weil sich Behörden zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben sowohl öffentlich-rechtlicher als auch zivilrechtlicher Handlungsformen bedienen können.[798] Umgekehrt kann auf einen zivilrechtlichen Vertrag nicht schon aus einem zwischen den Vertragspartnern bestehenden Gleichordnungsverhältnis geschlossen werden, weil dieses auch dem Verwaltungsvertrag eigen ist.[799] Maßgeblicher Anknüpfungspunkt der Abgrenzung ist stattdessen der Vertragsgegenstand.[800] Ob dieser öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist, ist anhand der allgemeinen, im Rahmen des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Anwendung kommenden Kriterien zur Abgrenzung des öffentlichen Rechts vom Privatrecht zu ermitteln.[801] Namentlich kommt es darauf an, ob der Vertragsgegenstand einer öffentlich-rechtlichen Norm zugeordnet werden kann.[802]

Beispiel:

Zur Bekämpfung einer polizeilichen Notlage wurde auf der Grundlage von § 10 ThürPAG[803] ein Privatfahrzeug in Anspruch genommen. Der nach § 68 ThürPAG zu gewährende Ausgleich kann durch Verwaltungsakt festgesetzt werden; einigt sich die ausgleichspflichtige Stelle mit dem Ausgleichsberechtigten, wird ein öffentlich-rechtlicher Entschädigungsvertrag (kein privatrechtlicher Mietvertrag) geschlossen.[804]

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Aufhebungs- oder Änderungsverträge teilen die Rechtsnatur des von ihnen betroffenen Vertrages.[805]

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Mischvertrag. Enthält ein Vertrag sowohl privatrechtliche als auch öffentlich-rechtliche (Gegen-)Leistungspflichten, ist zunächst zwischen Mischverträgen und zusammengesetzten Verträgen zu unterscheiden. Bei Mischverträgen sind die privatrechtlichen und die öffentlich-rechtlichen Leistungspflichten untrennbar ineinander verschränkt.[806] Hier ist mit der h.M. ein Aufspaltungsverbot anzunehmen; d.h. die Trennung des Vertragsgegenstands in einen öffentlich-rechtlichen und einen zivilrechtlichen Teil mit entsprechend zweispuriger Rechtswegzuweisung ist unzulässig, weil nur ein einheitliches Vertragsverhältnis begründet werden kann (vgl. § 54 Satz 1 VwVfG).[807]

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Bei der sich anschließenden Frage, ob der Mischvertrag dem öffentlichen Recht oder dem Zivilrecht zuzuweisen ist, kommt es auf den Schwerpunkt der Vereinbarung(en) an und ist der Vertrag dem öffentlichen Recht zuzuordnen, wenn ihn die öffentlich-rechtlichen Elemente entscheidend prägen.[808]

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Zusammengesetzter Vertrag. Für zusammengesetzte Verträge, in denen sich – anders als bei Mischverträgen – öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Pflichten inhaltlich selbstständig und damit teilbar gegenüberstehen, gilt das Aufspaltungsverbot nicht; dem öffentlichen Recht und dem Verwaltungsrechtsweg zuzuweisen ist nur der öffentlich-rechtliche Teil des Vertrages.[809]

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„Hinkender Austauschvertrag“. Auch ein sog. „hinkender Austauschvertrag“[810] unterliegt dem Prinzip der einheitlichen Beurteilung. Zu diesem Zweck ist die nur außervertraglich vorausgesetzte Leistung der Behörde im Wege einer „Als-Ob-Betrachtung“[811] fiktiv als echter Vertragsbestandteil zu behandeln.[812]

D. Handlungsformen und Entscheidungen im Verwaltungsverfahren › III. Der öffentlich-rechtliche Vertrag › 4. Vertragsarten

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