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b) Voraussetzungen
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Änderung der Geschäftsgrundlage. Anknüpfungspunkt der Vertragsanpassung ist die Änderung der für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesenen Verhältnisse (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG). Die Geschäftsgrundlage „wird gebildet durch die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsabschluß aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, auf denen der Geschäftswille der Parteien sich aufbaut“[1009]. Der betreffende Umstand kann tatsächlicher oder rechtlicher Natur sein.[1010]
Beispiele:
1. | Der Betreiber eines Mobilfunknetzes und das (damalige) Bundesamt für Post und Telekommunikation regelten 1993 in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag die Kostenerstattung der von der Behörde vorzunehmenden Begutachtung von Basisstationen für Richtfunkstrecken. Zum 1.9.1997 trat die Telekommunikationszulassungsverordnung in Kraft, die eine bislang nicht bestehende Gebührengrundlage für diese Amtshandlung schuf. Das Inkrafttreten der normativen Gebührengrundlage ließ die in der Annahme des Fehlens einer normativen (Gebühren-)Regelung liegende Geschäftsgrundlage entfallen.[1011] |
2. | Die Nachbarklage gegen die Baugenehmigung zur Errichtung einer LKW-Abstellhalle wurde von den Beteiligten 1977 durch einen Vergleich beendet, der u.a. die Verpflichtung enthielt, zwischen 22 und 6 Uhr das Grundstück nicht mit LKW zu befahren. Nach Betriebserweiterungen und der Errichtung einer Schallschutzwand, die eine vollständige akustische Trennung der Nachbargrundstücke zur Folge hatte, klagte der Speditionsbetrieb erfolgreich auf Vertragsanpassung mit dem Ziel, das nächtliche Betriebsverbot aufzuheben, da sich die tatsächlichen baulichen Verhältnisse mit Blick auf den Lärmschutz für das Nachbargrundstück wesentlich geändert hatten.[1012] |
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Unzumutbarkeit. Die Änderung der Geschäftsgrundlage muss so wesentlich sein, dass einer Vertragspartei das Festhalten am vereinbarten Vertragsinhalt nicht zumutbar ist (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG). Hierfür genügen weder die Realisierung des normalen Vertragsrisikos noch der Umstand, dass der Vertragsschluss nicht mehr der gegenwärtigen Interessenlage der Vertragspartei entspricht und sie den Vertrag deshalb vernünftigerweise nicht mehr oder zumindest nicht mehr mit dem ursprünglich vereinbarten Inhalt abschließen würde.[1013] Prüfungsmaßstab ist die Frage, ob „die Änderung der für den Vertragsinhalt maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse zu schwerwiegenden, bei Vertragsschluss nicht absehbaren Nachteilen für die Vertragspartei geführt hat, denen die Vertragspartner billigerweise Rechnung getragen hätten, wenn sie die Entwicklung vorhergesehen hätten. Die Folgen der nachträglichen Änderung müssen also den Risikorahmen überschreiten, den ein Vertragspartner nach Treu und Glauben hinzunehmen hat […]. Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden der Vertragspartei abzustellen, sondern ein objektiver Maßstab zugrunde zu legen“[1014]. Anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls ist also eine Risikoabwägung vorzunehmen, bei der sich ein solch eklatantes Missverhältnis zwischen den vereinbarten Leistungspflichten auftun muss, dass der betroffene Vertragspartner bei einem Festhalten an der ursprünglichen Vereinbarung seine berechtigten Interessen annähernd nicht mehr gewahrt sehen kann.[1015] Die wesentliche Änderung der Geschäftsgrundlage muss kausal für die Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag sein.