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b) Gesetzliche Ausschlussgründe (§ 20 VwVfG)
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§ 20 VwVfG begründet eine unwiderlegliche gesetzliche Vermutung, dass die in Abs. 1 genannten Amtsträger dem Ausgang des Verfahrens nicht unbefangen gegenüberstehen.[163] Hiernach darf beispielsweise der Bedienstete des Bauaufsichtsamtes der Behörde in folgenden Fällen keine Baugenehmigung erteilen:
– | sich selbst nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG;[164] |
– | seiner Ehefrau nach § 20 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 Nr. 2 VwVfG;[165] |
– | seinem Nachbarn, für den er in Vollmacht handelt, nach § 20 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG; |
– | dem Verein, dem er als Kassenprüfer angehört, nach § 20 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG;[166] |
– | wer seinem Nachbarn die Baupläne erstellt hat, nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 VwVfG. |
Beachte:
Abzustellen ist darauf, ob der Beamte „außerhalb seiner amtlichen Eigenschaft“ tätig war. Wer also bei der unteren Bauaufsichtsbehörde beim Erlass der Baugenehmigung tätig war und später zur Aufsichtsbehörde versetzt worden ist, darf über den Widerspruch, der gegen die Baugenehmigung eingelegt worden ist, entscheiden, da die frühere Tätigkeit „innerhalb seiner amtlichen Eigenschaft erfolgte“.
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Die „Gleichstellungsklausel“ des § 20 Abs. 1 Satz 2 VwVfG bewirkt, dass derjenige, der einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil erlangen kann, wie ein Beteiligter behandelt wird. Die Bestimmung ist nicht einfach zu handhaben.
Beispiele:
a) | B ist für den Widerruf einer dem X erteilten Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung zuständig. Die Ehefrau des B ist ebenfalls Inhaberin einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung und damit Konkurrentin des X. Handelt es sich um eine kleinere Stadt, ist die Möglichkeit eines unmittelbaren Vorteils (= Ausschalten eines Konkurrenten) eher anzunehmen als in einer Großstadt mit vielen Mietwagenunternehmen. |
b) | Die Behörde widerrief die unter Widerrufsvorbehalt erteilte Nachtbetriebsgenehmigung für eine Windkraftanlage, nachdem Immissionsmessungen eine Lärmüberschreitung ergeben hatte. Bei der Erhebung der dem Widerruf zu Grunde gelegten Messdaten hatten die begünstigten Eigentümer des Nachbargrundstücks eigenverantwortlich die Aufzeichnungen durchgeführt.[167] |
Der Vorteil oder Nachteil kann schon durch die Tätigkeit (nicht erst durch die Entscheidung) unmittelbar[168] erlangt werden;[169] bereits dies hat das Verbot der Mitwirkung zur Folge. Von § 20 Abs. 1 Satz 2 VwVfG sind alle Arten von Vorteilen erfasst, also nicht nur rechtliche, sondern auch wirtschaftliche, immaterielle oder sonstige Vor- bzw. Nachteile.
Beispiel:
Eine verkehrsrechtliche Anordnung der Straßenverkehrsbehörde führt dazu, dass aus einer Durchgangsstraße eine Sackgasse wird. Die Verkehrsberuhigung verschafft dem Anwohner S, der zugleich Bediensteter des Straßenverkehrsamtes ist, Vorteile (Verkehrsberuhigung). Er ist gehindert im Verwaltungsverfahren, das der verkehrsrechtlichen Anordnung zugrunde liegt, mitzuwirken.[170]
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Die Mitwirkung nach Satz 3 ist aber möglich, wenn der Vor- oder Nachteil nur darauf beruht, dass Betroffene einer Berufs- oder Bevölkerungsgruppe angehören, deren Mitglieder alle in gleicher Weise betroffen werden.
Beispiel:
Der Amtsleiter A eines Bauaufsichtsamtes erlaubt in Abkehr von einer früheren behördlichen Praxis dem im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens tätigen Architekten B die Mitnahme von Bauakten in dessen Büro. Von dieser Änderung der Verwaltungspraxis ist zwar zukünftig auch die Ehefrau des A, die als Architektin tätig ist, begünstigt, aber nur deshalb, weil sie dem gleichen Berufsstand (Architekt) angehört. Deshalb steht die Ehefrau des A nicht einem Beteiligten gleich, A ist nicht an der Mitwirkung im Rahmen des von B betriebenen Verwaltungsverfahrens gehindert.
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Notzuständigkeit nach § 20 Abs. 3 VwVfG ist anzunehmen, wenn „bei Gefahr im Verzug unaufschiebbare Maßnahmen“ getroffen werden müssen.
Beispiel:
Erst bei der Ortsbesichtigung eines einsturzgefährdeten Balkons erfährt der Baukontrolleur, dass der Bauherr von seinem Bruder im Verwaltungsverfahren vertreten wird. Die notwendigen Verfügungen dürfen nach § 20 Abs. 3 VwVfG getroffen werden.
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Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Bestimmung des § 20 VwVfG richten sich nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 44 ff. VwVfG. § 44 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG schließt zunächst in den Fällen des § 20 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 (nicht: Nr. 1!) die Rechtsfolge der Nichtigkeit aus. Ob sich die Rechtswidrigkeit der unzulässigen Mitwirkung auf das Ergebnis des Verwaltungsaktes auswirkt und diesen rechtswidrig, also aufhebbar macht, ist am Maßstab des § 46 VwVfG zu beurteilen.