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Kapitel 22 Erinnerungen - Menorca

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„Schläfst du Jenny“?

Sie schrak auf und brauchte ein paar Sekunden um zu realisieren, dass sie auf der Seadream war. Gerade kam Sabine in die Plicht und setzte sich zu ihr.

Jenny streckte sich, rieb sich die Augen und gähnte.

„Oh mein Gott, ich muss eingenickt sein. Wie spät ist es“?

„Es ist gerade ein Uhr. So lange hast du nicht geschlafen“.

Jenny bemerkte, dass Peter und Sylvia nicht mehr da waren. Skip stand noch immer am Steuer und zwinkerte ihr lächelnd zu als er ihren Blick bemerkte.

„Peter und Sylvia sind runter gegangen. Ich denke die wollen für sich sein“. Sabine verdrehte die Augen und lachte.

„Kommst du mit zum Vordeck? Da können wir uns sonnen. Was hältst du davon“?

Sie überlegte nicht lange nahm zwei Strandtücher, die Kim bereitgelegt hatte und breitete diese auf dem Teakholz-Deck vor dem Segelmast aus. Dann legten sie sich nebeneinander und sahen durch ihre Sonnenbrillen hinauf zur Mastspitze. Die Segel standen aufgebläht im Wind und gaben der Jacht einen konstanten Vorschub, während die Sonne, im wolkenlosen Himmel über ihnen, in ihrem Zenit stand.

„Hast du vorhin von Ral geträumt“?

Sabine´s Frage überraschte sie.

Jenny stutzte:

„Nein, eigentlich nicht. Ich hab über meine Vergangenheit nachgedacht“.

„Und? Fehlt sie dir“?

Sabine wusste nichts von Jenny´s bisherigem Leben. Bis vor zwei Tagen waren sie Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Sie verstanden sich zwar sehr gut, hatten sich aber bisher keine privaten Dinge erzählt.

Bedingt durch den Auftrag und vermutlich durch die besondere Situation an Bord der Seadream, zusammen in der kleinen Kabine, ansonsten unter Fremden, kamen sie sich automatisch näher.

„Weißt du, das ist eine schwierige Frage und ich überlege schon die ganze Zeit, ob ich auf diesem Turn darüber nachdenken will. Zuviel ist passiert. Eigentlich wollte ich alles nur vergessen, aber es gibt so viele Situationen die mich daran erinnern“.

„Ich bin eine gute Zuhörerin“, antwortete Sabine.

„Wenn du darüber reden möchtest, bin ich gerne für dich da“.

„Das ist lieb von dir. Ich werde es mir überlegen“.

„Dann geht es um einen Mann“, bohrte Sabine vorsichtig weiter.

„Ja, es geht um meinen langjährigen Freund, Florian“.

Sabine sagte nichts und ließ ihr Zeit.

„Vor etwa zwölf Jahren lernten wir uns kennen. Da war diese Party am Isarufer“.

Sie erzählte die Geschichte von der Bowleschüssel und wie sie Florian mit nach Hause genommen hatte. Natürlich erzählte sie nicht die intimen Details, gab Sabine aber dennoch ein Bild davon, wie der Blitz bei ihnen eingeschlagen hatte. Sie erzählte von Micki, Florian´s bestem Freund und von Vittorios Trattoria, davon, dass Florian´s Eltern ein Haus auf den Klippen von Santanyi bewohnten, beziehungsweise bewohnt hatten, denn beide waren vor fünf Jahren gestorben.

Seine Mutter hatte Knochenkrebs und war, nachdem man ihn diagnostiziert hatte, binnen zwei Monaten, im Alter von siebenundfünzig Jahren gestorben. Florian´s Vater war daran zu Grunde gegangen. Von einem Tag auf den anderen hatte er jeden freundschaftlichen Kontakt auf der Insel abgebrochen, nichts mehr gegessen und zu trinken begonnen.

Zwei Wochen nach dem Tod seiner Mutter, hatte Florian einen Anruf der mallorkinischen Polizei erhalten. Sein Vater war am Abend zuvor, zu den Klippen am Ende seines Grundstückes gegangen, und hatte sich die fünfzig Meter in die Tiefe gestürzt. Da die Klippen am Fuße überstanden, war er dort, auf dem Fels aufgeschlagen und sofort tot gewesen.

Fischer hatten ihn gefunden und die Küstenwache alarmiert. Es war allen Beteiligten klar gewesen, dass es sich um Selbstmord handelte. Später hatte Florian drei unbeantwortete Anrufe seines Vaters auf dem Anrufbeantworter vorgefunden.

Er musste direkt vor dem Sprung versucht haben ihn noch zu erreichen, und Florian war nicht da gewesen um ihn davon abzuhalten. Ausgerechnet an jenem Abend waren er und Jenny mit Micki und dessen Freundin Melanie zum Essen verabredet gewesen. Jenny erinnerte sich noch genau daran, wie er bereits zu spät und hektisch von der Arbeit nach Hause gekommen war. Er hatte sich kurz geduscht und frische Kleidung angezogen, während sie bereits mit dem Autoschlüssel in der Hand an der Wohnungstür auf ihn gewartet hatte. In der Hektik hatte er sein Handy zu Hause liegen gelassen. Somit waren die verzweifelten Versuche seines Vaters, ihn anzurufen, unbeantwortet geblieben.

Florian hatte sich noch unendlich lange Zeit danach Vorwürfe gemacht. Jenny vermutete, dass er noch heute damit zu kämpfen hatte, auch wenn sie den Kontakt zu ihm vor zwei Jahren komplett abgebrochen hatte, hatte abbrechen müssen.

„Wieso abbrechen müssen“, fragte Sabine.

„Das ist ein Teil meiner Vergangenheit, über den ich im Moment lieber nicht reden möchte. Es würde die Stimmung tief in den Keller ziehen“.

Sabine erkannte, dass sie genug gebohrt hatte, und ließ es damit auf sich beruhen.

„Was ist mit dem Haus auf den Klippen passiert“, fragte sie stattdessen.

„Das ist eine gute Frage. Zuerst wollte Florian es verkaufen. Davon hatte ich ihm abgeraten, denn das Geld brauchte er nicht und das Haus, sowie das Grundstück, waren…“, sie zögerte und verbesserte sich, „…sind ein Juwel. So etwas bekommt man heute nicht mehr, und wenn, dann nur für sehr viel Geld. Als wir uns getrennt hatten, befand es sich noch in seinem Besitz. Er hatte jemanden auf der Insel, der es für ihn verwaltete und an Feriengäste vermietete. Somit konnten wir unsere Urlaube dort verbringen“.

Sie hielt inne und blickte in den Himmel über sich, als wäre dort das Haus auf den Klippen zu sehen.

„Er fehlt dir, hab ich Recht“?

Sabine fühlte, dass etwas Tragisches passiert sein musste, über das Jenny bisher nie gesprochen hatte.

„Der Florian, den ich einmal kennengelernt hatte, ja, der fehlt mir. Nicht aber der, der er zuletzt gewesen war. Aber lassen wir das Thema an dieser Stelle ruhen“.

Jenny drehte sich zu ihr und sah sie bittend an.

Sabine verstand, nahm ihre Hand und drückte sie.

Jenny fühlte, dass Sabine sehr reif und einfühlsam war. Sie war auf dem besten Wege, ihre erste neue Freundin zu werden, seit über zwei Jahren. Jetzt würde ihr nichts mehr passieren. Es war genügend Zeit verstrichen und sie waren so weit weg von München.

„Danke“, sagte sie und erwiderte die Berührung.

„Nichts zu danken. Ich bin so froh dich zu kennen“.

„Und, - Sabine“.

„Ja“?

„Das mit Ral ist völlig uninteressant. Der kurze Flirt war schön und hat mir gut getan. Ral passt aber überhaupt nicht in mein Beuteschema. Hat einfach nur gut getan, mal wieder eine kleine Bestätigung zu bekommen und diese auch zu erwidern. Sonst ist da nichts“.

„Das hatte ich mir schon gedacht, als du ihn weggeschickt hast. Ich bin mal gespannt, ob wir den jemals wieder zu Gesicht bekommen werden“.

„Bei unserem Glück…“.

Jenny lachte und steckte Sabine damit an.

„Ich glaube ich mach mal ein wenig die Augen zu“.

Kurze Zeit später entspannte sich auch Jenny, während sie dem steten Geräusch des Windes im Segel lauschte.

Plötzlich drang Klaus´ Stimme an ihr Ohr.

Jenny bemerkte die leicht geöffnete Luke neben ihrem Kopf und sofort wurde ihr bewußt, dass sie sich über Klaus´ und Gabi´s Kabine befanden.

Er telefonierte.

WENN DER HIMMEL SICH VERFÄRBT...

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