Читать книгу WENN DER HIMMEL SICH VERFÄRBT... - Thomas Saile - Страница 40
Kapitel 35 Entlassung – Rottach Egern
ОглавлениеFlorian saß auf der schwarzen Ledercouch, gegenüber Dr. Schreiber und fühlte sich gar nicht mehr so sicher über seinen psychischen Zustand. Er hatte Angst, Angst vor dem, was ihm bevorstand.
Was kam nun, wie würde es weiter gehen?
Dr. Schreiber nahm den Bügel seiner Brille aus dem Mund und sah ihm in die Augen:
„Nun, Herr Schneider, zwei Jahre waren sie unser Gast, und es ist ein ganz besonderer Moment, wenn ein Gast unseres Hauses, nach solch einer langen Zeit, seine Krankheit überwunden hat und den Weg nach draußen antreten kann“.
Er verzog sein Gesicht zu einer Grimasse, die ein Lächeln darstellen sollte.
„Sie sind geheilt Herr Schneider. Sie sind gesund und im besten Alter, um nochmals von vorn anzufangen. Sind sie bereit dazu“?
Seit Tagen hatte Florian versucht sich mental auf diesen Moment vorzubereiten, doch nach zwei Jahren Gefangenschaft in diesem Gebäude, ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt, war es ihm einfach nicht möglich gewesen sein Inneres entsprechend einzustellen.
Er räusperte sich und rieb seine feuchten Handflächen an seine Jeans.
„Ich weiß es nicht. Ich werde es auf jeden Fall versuchen“.
„Gibt es jemanden der sie abholen kann, oder den wir für sie anrufen sollen? Wohin werden sie gehen“?
Auch darüber hatte er nachgedacht. Jenny hatte ihn verlassen und war sicherlich aus ihrer gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Er würde zuerst nach Hause gehen. Dort hatte er frische Kleidung, seine Papiere und sein Handy. Jedoch würde er vermutlich dort nicht bleiben wollen, oder können. Die Erinnerungen waren zu stark, folglich würde er in ein Hotel ziehen und sich in Ruhe überlegen, wie er die Dinge angehen wollte. Die Wohnung würde er wahrscheinlich verkaufen. Er wollte natürlich Micki besuchen und versuchen ihm zu erklären, was passiert war. Er war sich darüber im Klaren, dass er sich bei einigen Menschen entschuldigen musste, auch darüber, dass das nicht einfach werden würde, und dass das nicht alles von heute auf morgen passieren konnte.
Er konnte ja nicht einfach so bei Vittorio reinspazieren und sagen:
Hey Vittorio, da bin ich wieder. Übrigens, das, was da vor zwei Jahren vorgefallen ist, tut mir echt leid, aber ich war krank.
Nein, darüber musste er sich erst noch Gedanken machen. Vielleicht würde er es mit einem Brief versuchen. Papier ist geduldig. Da hätte er mehr Zeit, die richtigen Worte zu finden, um sich zu erklären. Und dann war da noch Jenny.
Wie sollte er ihr gegenüber treten? War das überhaupt noch denkbar?
Sie war immer ein sehr starker und verständnisvoller Mensch gewesen. Das würde dafür sprechen. Ihm war jedoch bewusst, dass er sie mehr als verletzt hatte. Er hatte sie gedemütigt und misshandelt. Im Moment konnte er sich nicht vorstellen, dass sie ihm das je verzeihen würde.
Zum Glück blieb ihm noch das Haus seiner Eltern auf Mallorca. Es war ein verlockender Gedanke, einfach abzuhauen und dorthin zu ziehen, fern all seiner Sorgen. Klar war nur, dass er im Moment keine endgültige Entscheidung treffen konnte.
„Nein, es gibt niemanden den sie für mich anrufen könnten, aber sie könnten ein Taxi für mich bestellen“.
Dr. Schreiber drückte einen der Knöpfe auf dem Telefon, das vor ihm auf dem Tisch stand, und sprach in den Apparat:
„Petra, würden sie bitte für Herrn Schneider ein Taxi bestellen, – und teilen sie dem Fahrer mit, dass unser Haus die Kosten für die Fahrt übernehmen wird“.
„Mach ich“, kam die Antwort aus dem Lautsprecher.
Dr. Schreiber lehnte sich zurück, nahm die Brille wieder von der Nase und fuhr sich mit der Hand durch sein zerzaustes Haar.
„Haben sie genug Geld, um fürs Erste durchzukommen“?
Nun lächelte Florian zum ersten Mal.
„Das ist das Einzige, worüber ich mir keine Sorgen zu machen brauche. Finanziell bin ich glücklicherweise ziemlich gut aufgestellt.
Dr. Schreiber nickte erleichtert.
„Ich würde mich freuen, irgendwann einmal eine Nachricht von ihnen zu erhalten. Irgendwie sind sie mir ans Herz gewachsen“.
Er blickte verlegen zur Seite und Florian dachte, dass dies das erste Mal war, dass er ihn verunsichert sah.
Sie erhoben sich gleichzeitig und Dr. Schreiber kam mit ausgestreckter Hand hinter seinem Tisch hervor.
„Vielen Dank Herr Doktor. Ich werde mich melden, das verspreche ich“.
Aus dem Lautsprecher ertönte Petra´s Stimme:
„Das Taxi ist jetzt da“.
Dr. Schreiber, der noch immer Florian´s Hand festhielt, sagte: „Nun ist der Moment gekommen, Herr Schneider. Ich wünsche ihnen von Herzen alles Gute. Mein letzter Rat an sie: Machen sie reinen Tisch mit ihren Freunden. Dann steht einem Neuanfang nichts mehr im Wege“.
Mit diesen Worten öffnete er die Tür und führte Florian an der Empfangstheke, hinter der Petra mit ihrem Telefonhörer am Ohr saß, vorbei, zum Ausgang.
Durch die Glastür konnte er das cremefarbene Taxi auf dem Parkplatz erkennen.
Er nahm seine Tasche, drehte sich nochmals zu Dr. Schreiber, nickte und ging dann hinaus.
Warme Sonnenstrahlen empfingen ihn und er blickte in den tiefblauen Himmel, während er unsicheren Schrittes zum Taxi ging.
„Guten Tag. München Zentrum, bitte“.
Der Fahrer nickte, legte den Gang ein und fuhr los.