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DER WEG DER GEWÜRZE IN EUROPA

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Diese Karte zeigt, welchen Weg einige Kräuter und Gewürze hinter sich haben und wie sie von Europa in die Welt – oder aus der Welt nach Europa gebracht wurden.


1 Ajowan: Östlicher Mittelmeerraum. Nach: Indien, Pakistan, Afghanistan, Persien (4. Jh. v. Chr., Alexander der Große).

2 Bockshornklee: Türkei, Anatolien. Nach: Indien (1000 v. Chr.), Jemen, Ägypten, Rom (Antike).

3 Borretsch: Balkan. Nach: Spanien (Mittelalter, Mauren). Von dort: Frankreich, Mitteleuropa, England, Osteuropa (Mittelalter).

4 Dill: Mittelmeerraum. Nach: Mitteleuropa (1., 2. Jh., Ausdehnung des römischen Reichs).

5 Koriander: Griechenland. Nach: Rom, Indien (4. Jh. v. Chr., Alexander), Spanien (Antike). Von Indien: China, Thailand, Vietnam. Von Spanien: Mexiko (16. Jh., Kolumbus).

6 Kreuzkümmel: Ägypten. Nach: Indien (4. Jh. v. Chr., Alexander). Europa (Spätantike, Rom). Amerika (16., 17. Jh., Entdeckungsfahrten).

7 Majoran: Zypern. Nach: Griechenland, Rom (Antike). Von dort: Europa (Mittelalter, Kräuterpflanzungen in Klöstergärten).

8 Mohn: Mittelmeerraum. Nach: Byzanz / Istanbul (Mittelalter). Von dort: Ukraine, Österreich (Neuzeit, Osmanisches Reich).

9 Oliven: Kreta. Nach: Ägypten (3000 v. Chr.), Griechenland, Rom (Antike). Von dort: Spanien, Frankreich, Nordafrika, Türkei (Antike, Rom).

10 Oregano: Türkei. Nach: Griechenland (Altertum), Rom (Antike). Von Italien nach: USA (19. Jh., Auswanderer).

11 Pfefferminze: England. Im 17. Jh. als Kreuzung entdeckt. Nach: Europa, Indien, Südostasien.

12 Rosmarin: Mittelmeerraum, Italien. Nach: Mittel-, Westeuropa, England (Mittelalter, Kräuterpflanzungen in Klöstergärten).

13 Safran: Kreta: nach Griechenland, Rom (Antike). Von Italien: Spanien (Ausbreitung Roms), England, Österreich (14., 15., Jh., venezianische Händler).

14 Salbei: Ägypten. Nach: Griechenland, Rom (Antike). Mitteleuropa, Frankreich (Mittelalter, Kräuterpflanzungen in Klöstergärten).

15 Schnittlauch: Vermutlich Zentralasien. Nach: Europa (Antike).

16 Thymian: Mesopotamien, Ägypten (Altertum). Nach: Griechenland, Rom (Antike). Mitteleuropa, England (Mittelalter, Klöstergärtnereien).

17 Wacholder: Skandinavien: Nach: England, Frankreich, Deutschland, Österreich (15. Jh.).

Der Islam, der im 6. Jahrhundert entstanden war, hatte das mittelalterliche Europa erreicht: Zu Beginn des 8. Jahrhunderts war fast die gesamte Iberische Halbinsel erobert und sollte für viele Jahrhunderte einigermaßen stabil von den Mauren beherrscht werden. Der Hof von Córdoba war dabei der Mittelpunkt einer kulturellen Blüte der westlichen islamischen Welt, die unter anderem auch die Kulinarik stark beeinflusste – durch eine islamische Küche, die in dieser Vielfalt heute nicht mehr existiert. Viele der Einflüsse sind einem gewissen Ziryab zu verdanken, einem Musiker aus Bagdad, der in Mode, Tischsitten und Kulinarik bewandert war. Er lebte in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts unter der Regentschaft Abd ar-Rahmans II. in Córdoba. Dort legte er etwa die Menüfolge fest, die man noch heute kennt: Suppe, Fisch/Geflügel/Fleisch, Dessert, Pistazien/Mandeln. „From soup to nuts“, sagt man noch heute im Englischen. Ziryab war es, der Senf wieder in Europa einführte, auch Safran – im Arabischen bedeutet das Wort „gelb“. In der Antike bekannt, waren diese Zutaten im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten. Von Paella über Gazpacho bis hin zu Albóndigas, den spanischen Fleischbällchen, sind zahlreiche spanische Gerichte islamischen Ursprungs. Die Sitte, Speisen zu säuern oder zu bittern, stammt gleichfalls aus dem arabischen Raum. Das 1226 in Bagdad erschienene Kochbuch „Kitab al-tabikh“ von Muhammad bin Hasan al-Baghdadi behandelt im gesamten ersten Kapitel viele saure Gerichte. Die Zutaten dafür waren auch in Europa vorhanden: In den südlichen Ländern wuchsen Früchte wie Zitronen, Bitterorangen und Granatäpfel, weiter im Norden verwendete man Wein, Weinessig, Verjus, Bieressig oder herbe Früchte wie Johannisbeeren, Stachelbeeren, Holzapfel und Sauerampfer.

Kontakt mit Asien fand fast ausschließlich über arabische Vermittlung statt. Marco Polos Aufzeichnungen seiner Reise zwischen 1271 und 1295 beschreiben zwar die Esskultur Chinas aus erster Hand – er erzählt etwa von der damaligen Hauptstadt Hangzhou und ihrem Hafen, in dem paketweise kostbare Gewürze aus aller Welt verladen wurden, und erwähnt Fischsuppen sowie eine süße Sojasuppe –, aber sein Bericht wurde von den meisten Zeitgenossen als arg übertrieben bis vollkommen erlogen angesehen, weshalb die Auseinandersetzung mit der chinesischen beziehungsweise asiatischen Kultur im mittelalterlichen Europa sehr begrenzt blieb.

Neben den Importen aus fernen Ländern waren auch einheimische Gewürze und Kräuter gefragt. Häufig wurde etwa der aus dem Mittelmeerraum stammende Anis verwendet, für das Gebiet des Niederrheins konnte archäologisch der Feldanbau von Dill, Sellerie, Kümmel, Fenchel und Bohnenkraut als Gewürzpflanzen nachgewiesen werden. Der Salzabbau ging durch bessere Bergbautechniken ebenfalls voran und machte die Alleswürze langsam erschwinglicher. Viele Städte tragen das wertvolle Gewürz noch heute im Namen: Salzgitter und Salzwedel, Salzburg in Österreich oder Salins-les-Bains in Frankreich.

Im 14. Jahrhundert verdrängten Paradieskörner aus Afrika in Frankreich den teuren Schwarzen Pfeffer. Ihre Verwendung ging im 16. Jahrhundert wieder zurück, als Pfeffer nach der Entdeckung des Seewegs nach Indien und der Aufweichung des Pfeffermonopols der Araber und Venezianer günstiger wurde.

Man würzte im Mittelalter kräftig und mit Leidenschaft. Exotische Gewürze waren lange Zeit ein Markenzeichen der adeligen Küche, denn sie zeugten vom Reichtum ihrer Besitzer. Arabische und venezianische Zwischenhändler konnten den Ursprung vieler Exoten lange Zeit geheim halten und dadurch die Preise diktieren. Wie begehrt diese für das Mittelalter neuen Gewürze waren, lässt sich auch an den damals sehr beliebten Gewürzmischungen sehen: Eine davon war poudre fine, in England blanche powder genannt. Sie bestand aus variierenden Zutaten, aber hauptsächlich aus Ingwerpulver, Zimt und Gewürznelken. Davon gab es süße und scharfe Varianten: Powder douce und Powder forte.

Poudre fine (nach „Le Menagier de Paris“, Frankreich 15. Jh.)

4 TL Ingwer (Pulver)

1 TL Gewürznelken

1 TL Zimt (Pulver)

1 TL Rohrzucker

(Mengenangaben sind Schätzungen)

Alles im Mörser frisch zerreiben.

Powder douce: Oft synonym verwendet für Poudre fine.

Variante A:

1 TL Gewürznelken

1 TL Ingwerpulver

2 TL Currykraut

2 TL Zucker

2 TL Paradieskörner

3 TL Zimt

Variante B:

2 TL Zimt

1 TL Muskatnuss

½ –1 TL Gewürznelken

1 TL Zucker

evtl. 1 TL Ingwerpulver

Alles im Mörser zerstoßen.

Powder forte (Venedig, 15. Jh.):

1 TL Gewürznelken

1 TL frisch geriebene Muskatnuss

1 TL Muskatblüte

1 TL Schwarzer Pfeffer

1 TL Paradieskörner

3 TL Langer Pfeffer

Alles im Mörser frisch zerreiben.

Gegen Ende des Mittelalters entstand eine neue Klasse: das Bürgertum. Durch Gewerbe und Handel gelangten viele nichtadelige Stadtbewohner zu Wohlstand, und Gewürze wurden nun auch zu ihrem Statussymbol. Man konnte es sich leisten, sie zu verwenden – und wollte das auch zeigen. „Le Viandier“, das einflussreichste Kochbuch dieser Zeit, prägte nicht nur die adelige Küche, sondern auch die des gehobenen Bürgertums. In ihm werden folgende Gewürze erwähnt: Ingwer, Zimt, Gewürznelken, Paradieskörner, Langer Pfeffer, Lavendel, Pfeffer, Cassia-Zimt, Safran, Muskatnuss, Lorbeerblatt, Zyperngras, Wilder Majoran, Kreuzkümmel, Zucker, Mandeln, Knoblauch, Zwiebeln, Frühlingszwiebeln und Schalotten. Als Flüssigwürze werden eingesetzt: Weißwein, Verjus, Essig, fette Brühe, Kuhmilch, Mandelmilch und Wasser.

Ein Rezept aus dem berühmten „Le Viandier“: „Ganz klein gewürfeltes Hammelfleisch zusammen mit halb so viel Zwiebeln, die mit Butter angeschwitzt, dann mit Essigsud abgelöscht und mit Ingwer, Pfeffer und Salz bei schwacher Hitze eine halbe Stunde köchelten, noch eine Viertelstunde ebenfalls schwach kochen lassen. Mit geröstetem Brot servieren.“

In seinem Bemühen, sich vom gemeinen Volk abzuheben, kaprizierte sich der Adel wiederum auf ausgefallene Zutaten wie Hummer, Trüffel, Kaviar oder gestopfte Gänseleber als Zeichen von Rang und Status. Gleichzeitig erließ Gesetze gegen „übertriebenen Luxus“, mit deren Hilfe die Art und Menge der Lebensmittel geregelt wurden, die den anderen Bevölkerungsschichten zur Verfügung stehen sollten. Das war die Zeit, in der das Kochbuch des Bartolomeo Sacchi, genannt Platina, erschien: „De honesta voluptate“ suchte einen Mittelweg zwischen hochmittelalterlicher Völlerei und religiösem Fasten. Er knüpfte an den „Apicius“ an und bezog sich auf die antiken Vorbilder. Damit war Platina schon ein typisches Kind der Renaissance.

RENAISSANCE: AUF DEM WEG ZUR HAUTE CUISINE

In der frühen Neuzeit erkannte man in Europa erstmals, dass für die Gesundheit eines Menschen eine gute Ernährung wichtig sein müsse. Die Verbindung von Kulinarik und diätischen Überlegungen, die – ohne Einfluss auf Europa – schon seit Tausenden Jahren gelebte Praxis in China war, entwickelte sich nun auch in der westlichen Welt. Basis war die Vier-Säfte-Lehre des antiken Arztes Galen. Sowohl die Persönlichkeit eines Menschen als auch verschiedene Lebensmittel wurden in die Vier-Säfte-Lehre eingeordnet und mit Blick auf ein ausgleichendes Verhältnis aufeinander abgestimmt: Feurige Choleriker sollten zum Beispiel nicht zu stark würzen, Phlegmatiker dafür umso mehr, denn die Lehre ordnete die meisten Gewürze als „heiß“ und „trocken“ ein. Obst und Gemüse wurden als zu „kalt“ und „feucht“ angesehen, Fleisch und Fisch galten als gesünder oder bekömmlicher – ihre eventuellen „Unverträglichkeiten“ konnten über die Zubereitungsart und andere Lebensmittel und Gewürze „korrigiert“ werden. Diese Korrektur war sogar eine der Hauptaufaben damaliger Köche. Fisch galt etwa als „kalt“ und „feucht“, weshalb er im Ofen „getrocknet“ und „erhitzt“ und mit den trockenen, heißen Wacholderbeeren serviert werden sollte. Rindfleisch dagegen war von sich aus „trocken“ und „heiß“ und sollte deswegen in Wasser gekocht werden und mit „kalten“ und „feuchten“ Lebensmitteln wie Salat serviert werden. Noch heute gelten Steak und Salat als ideale Kombination – obwohl vermutlich wenige Steakhausbesucher jemals vom antiken Arzt Galen gehört haben dürften. Das hellere Schweinefleisch wiederum ist „kühler“ und „feuchter“ als Rindfleisch. Deshalb braucht man es nicht zu kochen, sondern kann es am offenen Feuer rösten. Mögen viele der Einteilungen aus heutiger Sicht auch fragwürdig erscheinen, so war diese Art zu kochen doch bereits recht ausgefeilt. Den Status einer Kunstform wie in China erreichten Kochen und Ernährungslehre im Europa der Renaissance jedoch nicht – auch blieben europäische Köche, anders als in China, wo sie zu Politikern aufsteigen konnten, schlecht bezahlte Handlanger und gehörten standesmäßig zum Gesinde. Küchen waren oft in Nebengebäuden untergebracht, weil sie als schmutzig galten.

Aroma - Die Kunst des Würzens

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