Читать книгу Aroma - Die Kunst des Würzens - Thomas Vierich - Страница 4

DIE GRUNDGESCHMACKSRICHTUNGEN

Оглавление

Verglichen mit der Welt der Düfte ist Schmecken recht langweilig. Bislang sind lediglich fünf Grundgeschmacksrichtungen nachgewiesen: süß, sauer, salzig, bitter und umami. Es gibt zwar ebenfalls Rezeptoren auf der Zunge, die einen Geschmack nach „fett“ erkennen können, ob dieses Signal allerdings an das Gehirn weitergeleitet wird, ist bislang unklar. Wenn man sich beim Verkosten die Nase zuhält, lassen sich die reinen Grundgeschmacksrichtungen in einer Speise erkennen.

Die Reize scharf, heiß, kalt, beißend, prickelnd und adstringierend sind hingegen kein Geschmacksreiz: Hierbei werden die Schmerzrezeptoren gereizt. Die Signale dieses Trigeminusnervs tragen ebenfalls zum Genuss bei.


(scharf, heiß, kalt, prickelnd, beißend, adstringierend)

DIE GRUNDGESCHMACKSRICHTUNGEN

Bisher werden fünf plus eine Grundgeschmacksrichtungen als gesichert angesehen: „süß“, „sauer“, „salzig“ und „bitter“ kennt wohl jeder. Die nicht ganz so geläufige fünfte Grundgeschmacksrichtung, der „umami“-Geschmack, steht für „herzhaft, fleischig“. Entsprechende Rezeptoren wurden Anfang des 20. Jahrhunderts von dem japanischen Chemiker Ikeda Kikunae auf der menschlichen Zunge entdeckt. Der Geschmack wurde nach dem japanischen Wort für „wohlschmeckend“ benannt. Erst 2011 wurde nachgewiesen, dass es auf der menschlichen Zunge außerdem gustatorische Rezeptoren für „fett“ beziehungsweise für Fettsäuren gibt. Das wäre ein sechster Grundgeschmack, wobei bisher nicht geklärt ist, ob diese Signale im Gehirn entsprechende Botschaften auslösen. Aktuell diskutiert die Forschung, ob es möglicherweise auch Rezeptoren für „Wasser“ beziehungsweise „wässrig“ im Mundraum gibt. Taufliegen zumindest besitzen welche, vielleicht auch wir Menschen.

DER GESCHMACKSSINN UND SEINE FUNKTION

Aber warum eigentlich der ganze Aufwand, weshalb können wir schmecken? Die Antwort liegt in der Evolution. Bei unseren Vorfahren gab es weder Zutatenlisten noch Inhaltsstoffangaben. Trotzdem mussten sie herausfinden, was genießbar war und was nicht. Mit der Entdeckung des Fett-Rezeptors wird immer deutlicher, dass wir schmecken können, was der Mensch aufgrund seiner Biologie und Physiologie am dringendsten benötigt: Energie (Zucker, süß), Proteine (Fleisch, proteinreiche Pflanzen, umami-Geschmack) und mineralreiche Lebensmittel (salzig). Andererseits musste gewarnt werden: Bittere Beeren oder Wurzeln sind mit großer Wahrscheinlichkeit giftig, stark saure Früchte zumindest mit Vorsicht zu genießen, da sie häufig unreif sind. Der physiologische Nutzen für den menschlichen Körper von sowohl Fett (Energiespeicher) als auch Wasser sprechen für die Vermutung, dass auch diese Stoffe geschmacklich wahrgenommen werden können.

Das zeigt sich auch bei den ursprünglichsten Reaktionen auf die Grundgeschmacksrichtungen, die jedem Menschen angeboren sind: Während süße Lebensmittel oder die sowohl süßlich als auch nach umami schmeckende Muttermilch bei Säuglingen einen wohlig lächelnden Gesichtsausdruck erzeugen, reagieren diese auf bittere Lebensmittel mit einem abwehrenden „gustofazialen Reflex“ – sie verziehen auf ganz charakteristische Weise ihr Gesicht. Auch auf Saures reagieren Kleinkinder ähnlich negativ. Dieser gustofaziale Reflex verliert sich nach einiger Zeit, die Akzeptanz bis hin zum Genuss der Geschmacksrichtungen „sauer“ und „bitter“ kann also „erlernt“ werden. Viele Gemüse weisen zum Beispiel einen erheblichen Bitterstoffgehalt auf, man denke nur an Rosenkohl oder Brokkoli. Auch Spinat ist aufgrund seines erheblichen Anteils an Oxalsäure nicht immer leicht zu ertragen. Da ist es kein Wunder, wenn Kinder diese Beilagen zu Beginn eher ablehnen. Der Lernprozess und die Anpassung der Geschmackserfahrung ist ein wesentlicher Aspekt der Ernährung und des Genusses. Das Erlernte wird im Geschmackserkennungsgedächtnis abgelegt und kann ständig abgerufen werden.



Ein funktionierender und verlässlicher Geschmackssinn ist heute ebenso wichtig wie in der Urgeschichte. Entwickeln wir Lust auf Herzhaftes? Süßes? Oder Salziges? Nicht selten stecken dahinter Andeutungen eines Mangels. Allerdings wird unsere Fähigkeit, auf diese Signale zu hören, mehr und mehr durch ein Überangebot von Nahrung zurückgedrängt. In diesen Mechanismus greift auch stark überwürztes und nicht ausgewogen zubereitetes Convenience Food ein. Die durch diese Lebensmittel hervorgerufene Verarmung und Vereinheitlichung unserer Wahrnehmung ist mindestens genauso problematisch wie die viel diskutierten Zusatzstoffe.

DIE ZUNGENPAPILLEN

Die stark zerfurchte und zerklüftete Oberfläche der Zunge erlaubt ein sehr feinfühliges Schmecken: Die Geschmacksreize sind rasch erkennbar und gleichzeitig für eine gewisse Zeit wahrnehmbar. Die Struktur, die man mit dem bloßen Auge noch erkennen kann, besteht aus vielen einzelnen Papillen. Von ihnen gibt es mehrere unterschiedlich geformte Typen in den verschiedenen Bereichen der Zunge: Pilzpapillen liegen vorwiegend auf der Zungenoberfläche, Blätterpapillen hauptsächlich am Zungengrund und Wallpapillen in der Nähe der Zungenwurzel. Die ganze Zunge ist darüber hinaus mit Fadenpapillen besetzt, die die physikalischen Eigenschaften der Lebensmittel – Oberflächenbeschaffenheit, Fließverhalten oder andere Textureigenschaften – schnell und sehr genau erkennen. Entgegen früherer Annahmen gibt es aber keine „Geschmackslandkarte“ auf der Zunge, also bestimmte Bereiche, in denen man etwa nur „süß“ oder nur „bitter“ wahrnehmen könnte.

DIE GESCHMACKSKNOSPEN

Geschmacksknospen liegen an den Wänden der Papillen und erinnern in ihrer Form tatsächlich an Blütenknospen. Sie bestehen aus mehreren Sinneszellen, die sich in verschiedenen Segmenten anordnen. Jede Sinneszelle ist dabei durch mehrere Nervenfasern mit dem Zentralnervensystem verbunden, das Signale ins Gehirn weiterleitet, wo der Geschmacksreiz erst in die entsprechende Geschmacksqualität, also beispielsweise „salzig“, „sauer“ oder „bitter“, übersetzt wird. Erkannt – oder wie Physiker sagen: detektiert – wird die jeweilige Geschmacksrichtung allerdings schon in den Geschmacksknospen durch Geschmacksrezeptoren in den sogenannten Mikrovilli, fadenförmigen Ausstülpungen, die die Oberfläche und damit die „Feinfühligkeit“ der Sinneszellen in der Geschmacksknospe erhöhen. Die feinen fingerförmigen Strukturen von ca. 500 nm Größe (also ein Zweitausendstel Millimeter) sind von Speichel umgeben und kommen dadurch mit den Geschmacksstoffen der Speisen in Berührung.


WIE FUNKTIONIEREN REZEPTOREN?

Für das Erkennen von Molekülen und molekularen Eigenschaften gibt es mehrere komplizierte Mechanismen. Vereinfacht könnte man sagen: Ein Geschmacksreiz wird durch jeweils ganz bestimmte Stoffe ausgelöst, die in einem Lebensmittel, Kraut oder Gewürz enthalten sind, wobei für jeden Geschmacksreiz andere Stoffe verantwortlich sind. Diese werden vom Speichel gelöst und im Mundraum an den Rezeptoren vorbeigespült, bis sie zufällig an den für ihre Geschmacksrichtung „zuständigen“ Rezeptor gelangen und dort andocken. Nur dort passen sie und lösen ihren Reiz aus. Passt der Stoff nicht, reagiert auch der Rezeptor nicht – man spricht deshalb vom „Schlüssel-Schloss-Prinzip“.

Während sich der Aufbau der Geschmacksrezeptoren für „salzig und „sauer“ ähnelt, funktionieren alle anderen jeweils grundsätzlich anders. Dies liegt an der Natur der Geschmacksauslöser. Salzgeschmack wird durch Ionen ausgelöst: Kochsalz, also Natriumchlorid (NaCl), löst sich in wässriger Umgebung in positiv geladene Natriumionen (Na+) und negativ geladene Chloridionen (Cl−) auf. Sowohl die Art der Teilchen als auch die elektrische Ladung zwischen beiden wird von „Ionenkanälen“, sogenannten Kanalproteinen, wahrgenommen: Erst bei dieser Doppelbedingung reagiert der Rezeptor. Der Sauergeschmack wird durch Säuren und damit durch positiv geladene Protonen (H+) ausgelöst, die ebenfalls als kleine geladene Teilchen über Kanalproteine detektiert werden. Die für die Reize „umami“ und „bitter“ verantwortlichen Moleküle sind komplizierter aufgebaut – entsprechend komplex müssen die jeweiligen Detektoren sein. Der Umami-Geschmacksrezeptor spricht auf den Stoff Glutaminsäure an, Bittergeschmack dagegen wird von unterschiedlichen Stoffen ausgelöst. Strikt nach dem „Schlüssel-Schloss-Prinzip“ gibt es 25 verschiedene Bitterrezeptortypen, die jeweils eine bestimmte Ausprägung von „bitter“ erkennen können. Alle senden sie ihr individuelles „bitter“-Signal. Diese in der Wissenschaft als TAS2R-Rezeptorenfamilie bezeichneten Detektoren sind allerdings nicht bei allen Menschen gleich ausgeprägt. Abhängig von der genetischen Veranlagung wird „bitter“ von „Bitterschmeckern“ stärker wahrgenommen als von „Nicht-Schmeckern“. Auch das entscheidet, ob beispielsweise Brokkoli – ein Gemüse mit vielen Bitterstoffen – gemocht wird oder nicht. Für die Wahrnehmung der Geschmacksrichtungen „süß“ sind wiederum zwei Rezeptoren notwendig, die in engem Kontakt miteinander stehen. Erst wenn ein Molekül dieses „Rezeptorduett“ reizt, wird an das Gehirn der Reiz „süß“ weitergegeben. Das neu entdeckte Rezeptorprotein CD36 für das Erkennen des Geschmacks von „fett“ befindet sich ebenfalls in der Zellmembran der Mikrovilli. Es ist jedoch nicht der einzige Detektor für Fettsäuren: Die G-Proteinrezeptoren GPR40 und GPR120 lösen etwa bei Kontakt mit langkettigen freien Fettsäuren ein Signal aus. Ob diese Rezeptoren aber eine direkte Verdrahtung ins Gehirn haben, um dort einen Sinnesreiz „fett“ auszulösen, ist bisher noch nicht klar.

DER „GESCHMACK“ DES STILLEN WASSERS

Oben wurde es bereits angesprochen: Taufliegen können Wasser schmecken. Ob der Mensch tatsächlich ebenfalls „wässrig“ schmecken kann, ist wissenschaftlich (noch) nicht erwiesen. Mit Blick auf den physiologischen Nutzen wäre es anzunehmen: Wasser ist ein polarer Stoff ( Lösungsmittel, S. 29), der die ebenfalls polaren Mineralstoffe bindet und damit hilft, den Körper effektiv mit Mineralien zu versorgen. Und wie schmeckt eigentlich Wasser? Die Frage erscheint zunächst absurd und die spontane Antwort lautet wohl meist: „neutral“ oder: „nach nichts“. Aber dies ist nur auf den ersten Blick richtig, denn Wasser unterschiedlicher Quellen wird durchaus als verschieden empfunden. Erspürt wird dabei die unterschiedliche Mineralienzusammensetzung, die von der Region und dem Gestein der Quelle bestimmt wird. Sorten mit höherem Kalzium- und Magnesiumanteil wirken bei gleichzeitig höherer Konzentration von Hydrogencarbonat etwa weitaus frischer, heller. Im Gegenzug wird Wasser, das arm an diesen Substanzen ist, als eher still, manchmal sogar stumpf empfunden.

GESCHMACK UND TEMPERATUR

Die Intensität eines Geschmacks ist von der Temperatur abhängig, diese Erfahrung hat jeder Koch schon einmal gemacht. Man spricht vom „thermal taste“. Eine im heißen Zustand kräftig abgeschmeckte Tomatensuppe wirkt beim Versuch, dieselbe als eiskalte Gazpacho zu servieren, fade und wenig aufregend. Dann muss nachgewürzt werden. Salzig und süß verstärken sich tendenziell unter Temperaturerhöhung, sauer und bitter nehmen eher ab. Ab etwa 40 °C wird die Geschmackswahrnehmung immer mehr durch den Einfluss der Wärmerezeptoren überdeckt. Diese Effekte bestimmen somit das Würzen und können bei der Zubereitung beachtet werden.

Ein weiterer für Köche wichtiger Aspekt, der mit der Temperatur zusammenhängt, ist ganz schlicht der Unterschied zwischen heiß und kalt, der unser sinnliches Erlebnis um eine weitere Dimension erweitert: Kräftige Warm-Kalt-Kontraste auf einem Teller heben den Genuss. Dabei muss die Temperatur nicht einmal „echt“ sein: Die Inhaltsstoffe von Gewürzen wie Chili oder Minze regen exakt die gleichen Empfindungen an, welche durch Hitze beziehungsweise Kühle verursacht werden ( Reizen des Trigeminusnervs, Seite 48).

Betrachtet man die Kreationen von Spitzenköchen, so finden sich dort etwa gegrillte Jakobsmuscheln neben geräuchertem Ziegenkäse und eiskaltem Tomatensorbet oder eine heiße Schokoladenmousse, die neben einem kalten Granité aus Orangenlikör serviert wird. Aber auch die Hausmannskost setzt diese Effekte ein: etwa beim Dessertklassiker Vanilleeis mit heißen Himbeeren oder beim heißen Pfefferminztee.

SCHARF IST KEIN GESCHMACKSREIZ

Ein wichtiges Element des Würzens wurde bisher nur gestreift: Die Empfindung für Schärfe, wie sie etwa von Pfeffer, Chili oder Ingwer vermittelt wird, ist keine Geschmacksqualität, sondern ein Schmerzreiz – genauso wie die kühlende Wirkung der Minze. Wahrgenommen wird sie von den Enden des Trigeminusnervs. Diese im ganzen Körper verteilten Nerven sind für das menschliche Empfinden von Schmerz zuständig, worunter auch das Gefühl von Hitze und Kälte fällt. Chili zum Beispiel brennt beim Schneiden oder Entkernen auch an den Händen – und seine Schärfe zieht ähnliche Schweißausbrüche nach sich wie große Hitze.


Die Nervenendigungen des Trigeminusnervs finden sich im gesamten Mundraum.

Die Schmerzrezeptoren reagieren also nicht nur auf Temperaturunterschiede oder Verletzungen, sondern auch auf bestimmte Moleküle: etwa auf das CAPSAICIN in Chili, das PIPERIN in Pfeffer, das GINGEROL in Ingwer oder das kühlende MENTHOL in Pfefferminze. ZIMTALDEHYD in Zimt wie auch die verschiedenen schwefelhaltigen Senföle im Knoblauch, Lauch oder Zwiebeln werden ebenfalls als „schmerzend kalt“ empfunden. Ob die Reize von echter Temperatur oder von entsprechenden Molekülen stammen, können die Rezeptoren nicht unterscheiden. Der Temperaturbereich des Mundraums, ungefähr 0 °C bis 50 °C, lässt sich daher auch komplett mit verschiedenen Kräutern und Gewürzen abdecken.

Der Aufbau der Schmerzrezeptoren ist hochkomplex: Pfefferschärfe, Chilischärfe oder kühlende Minze werden jeweils von verschiedenen Rezeptoren wahrgenommen. Erst vor wenigen Jahren wurde nachgewiesen, dass das Prickeln und die leichte Taubheit auf der Zunge vom HYDROXY-α-SANSHOOL in Szechuanpfeffer und Parakresse speziell auf die Reizung eines zweiporigen Kaliumrezeptors zurückzuführen ist. Auch das spürbare Prickeln von Mineralwasser und Champagner ist eine Reizung des Trigeminusnervs. Bei Kohlensäure wurde Kohlendioxid verkapselt, das beim Auflösen freigesetzt wird und auf der Zunge einen prickelnden Effekt auslöst. Etwas Brausepulver in Cremes, Schokoladenmousse oder Kartoffelpüree lassen altbekannte Gerichte durch das trigeminale Prickeln in neuem Glanz erscheinen.

Wie sehr sich die Sinne durch entsprechende Kombinationen beeinflussen lassen, zeigt ein kleines Experiment: Eine Tasse heiße Schokolade, die über Pfefferminze mit etwas Menthol versetzt wird, bringt die Schmerzrezeptoren in Verwirrung: Einerseits ist es heiß, andererseits vermittelt die Reize des Trigeminusnervs dem Gehirn wegen Menthol: kalt. Diese widersprüchlichen Informationen können von uns nicht ohne weiteres zugeordnet werden. Anders als beim bekannten heißen Pfefferminztee kann das Gehirn in diesem Fall nicht auf Erinnerungen zurückgreifen.

Diese mitunter schmerzhaften Reizungen des Trigeminusnervs sind eine wichtige Komponente des Würzens, sie umfassen, was man mit „brennend“, „scharf“, „kühlend“, „beißend“, „stechend“ oder „brenzlig“ beschreiben würde. Die körperlichen Reaktionen sind bekannt: tränende Augen, vermehrter Speichelfluss, wärmendes oder kühlendes Gefühl, Niesreiz. Damit kann man in der Küche hervorragend spielen – allerdings sehr vorsichtig. Ein noch rauchendes Stück Zimt oder Süßholz, das unter einer Glasglocke einen Ziegenkäse oder etwas gegarten Fisch räuchert, weckt nicht nur die Vorfreude auf das Raucharoma, sondern kitzelt beim Abheben des Glases die Nase und reizt ganz leicht die Augen. Es werden Stimmungen ausgelöst, die – falls nicht übertrieben wird – den Genuss noch steigern, wie z.B. beim hörbar prickelnden Champagner.

ADSTRINGENZ

Adstringenz ist ein Gefühl im Mund, für das ebenfalls die Trigeminusnervenenden verantwortlich sind. Beim Genuss von Schokolade mit extrem hohem Kakaoanteil und starker Röstung, beim Trinken eines gerbstoffreichen Rotweins, eines Matchas (grüner Tee) oder beim Kauen von Walnüssen weiß man sofort, was das Wort bedeutet: dieses zusammenziehende Gefühl auf der Zunge, das manchmal als „trocken“,„rau“ oder „pelzig“ bezeichnet wird. Der physikalische Grund für das adstringierende Gefühl ist die Wirkung der Gerbstoffe auf die Proteine, die im Speichel für dessen Viskosität und „Schleimigkeit“, also seine physikalische Struktur, verantwortlich sind. Solange die Proteine als Einzelmoleküle fein verteilt sind, nimmt man Speichel als angenehme, die Schleimhäute benetzende Flüssigkeit wahr. Kommen jedoch Gerbstoffe ins Spiel, sorgen sie dafür, dass sich viele Proteine zu größeren Ansammlungen verbinden, was zu einem deutlich anderen Fließverhalten führt: Die Benetzung und Reibung verändern sich, was wir mittels des Trigeminusnervs deutlich spüren können.


Schematische Darstellung eines Lebensmittels, das links aus einer festen, knusprigen Hülle, einer porösschaumigen Füllung und flüssigen Tröpfchen in der Mitte besteht. Rechts sind die inneren Bestandteile vertauscht: Unter der erneut festen, knusprigen Hülle liegt hier eine Flüssigkeit, die eine porös-schaumige Masse umgibt. Die Texturerlebnisse sind aufgrund der unterschiedlichen Anordnungen der einzelnen Strukturelemente vollkommen verschieden.

Wohlschmeckendes, cremiges Speiseeis vereint alle drei Aggregatzustände: feste Eiskristalle, flüssige Fettphasen und durch eine Eismaschine (einen Paco-Jet) jede Menge untergehobene Luft als Gas. Erst das Zusammenwirken dieser drei Phasen lässt das Eis so schmackhaft werden. Dabei wurde das Aroma noch gar nicht angesprochen: Erdbeer-, Vanille-, Banane-, Schokoladen- oder herzhaftes Steinpilzeis? Ungeachtet dessen lässt uns allein schon das ausgewogene Zusammenspiel der Phasen jedes Eis als wohltuend empfinden.

DIE TEXTUR VON LEBENSMITTELN

Der Begriff „Textur“ wird oft verwendet, wenn man Form und Aggregatzustand einer Speise beschreibt, etwa knusprig, hart oder flüssig. Aber Textur ist mehr: Der Begriff umfasst alle Effekte, die von der physikalischen Struktur der Lebensmittel bestimmt sind. Diese ist klar über physikalische Parameter wie Härte, Wassergehalt oder Cremigkeit definiert. Im Gehirn werden diese physikalischen Eigenschaften in eine individuelle Empfindung umgesetzt. Wird etwa ein als „knackig“ beschriebenes Lebensmittel gegessen, bedeutet das Folgendes: Aus einer knackigen, also harten Hülle können zunächst kaum Aromen entweichen. Auf der Zunge wird so eine unelastische Speise als kantig, rau und wenig anschmiegsam wahrgenommen. Sie ist kompakt und lässt sich als Ganzes im Mundraum bewegen. Speichel durchdringt kaum die Schale, das Lebensmittel schmeckt zunächst nach nichts. Erst wenn man daraufbeißt, knackt und kracht es, und die Duftnoten und Geschmacksstoffe werden auf einen Schlag freigegeben. Dieser Vorgang lässt sich auf andere Formen und Oberflächen – rund oder kantig, weich, glatt oder rau, klebrig, schaumig oder mehlig – und auf die Aggregatzustände fest, flüssig oder gasförmig übertragen. Dabei darf man nicht vergessen, dass viele Lebensmittel und Speisen nicht nur aus einer, sondern aus verschiedenen Komponenten bestehen, die alle unterschiedliche Eigenschaften haben und somit eine Kaskade von verschiedenen, gekoppelten Textureindrücken auslösen.

Die Textur einer Speise hat also Einfluss auf ihren Geschmack, ihr Aroma und das Gefühl, das sie im Mund erzeugt. Ein einfaches Beispiel demonstriert dies: Die unterschiedliche Wirkung, die ein und dasselbe Lebensmittel in zweifacher textureller Gestalt erzielt, ist uns vom Besuch auf dem Jahrmarkt bekannt – bei Zuckerwatte. Kaum jemand würde auf die Idee kommen, drei Würfel Zucker in den Mund zu nehmen und davon zu schwärmen. Wird der Zucker hingegen zu einer Watte verarbeitet, kann er ein kleines Vergnügen für Jung und Alt werden. Ein anderes Beispiel wäre das klassische Alltagsdessert Panna cotta: Leckt man an ihr lediglich mit der Zunge, wirkt die Speise sehr langweilig, denn die in ihr eingefangenen Aromen und Geschmacksauslöser gelangen nicht in ausreichendem Maße auf die Zunge und in den Mundraum, um wahrgenommen zu werden. Erst wenn das Dessert gekaut wird, werden Geschmack und Duft freigegeben. Wie schnell und effektiv diese „Explosion“ erfolgt, ist wiederum eine Frage der Rissbildung und der „mechanischen“ Eigenschaften – der Textur – des Puddings.

Nicht nur der Geschmack, sondern auch die Textur von Lebensmitteln wird im kulinarischen Gedächtnis gespeichert. Trotz seines Fleischaromas käme etwa selbst mit verbundenen Augen niemand auf die Idee, Fleischextrakt für echtes Fleisch zu halten, weil er eben flüssig ist. Angebratenes und dadurch mit Röstaromen versetztes Tofu, beträufelt mit Fleisch-Extrakt oder umami-Paste kommt nahe heran – wenn nicht die Faserstruktur von echtem Fleisch fehlen würde.

TEXTUR UND PASTA

Zähflüssige Saucen, deren feste Inhaltsstoffe sehr klein sind, können von glatter Pasta sehr gut aufgenommen und zum Mund geführt werden, sofern die Oberfläche der Pasta ein gutes Haften ermöglicht. Dagegen erfordern Saucen mit größeren Bestandteilen wie zum Beispiel Hackfleisch besser strukturierte Pasta, etwa Spiralnudeln. Zwischen den Windungen hat das Hackfleisch Platz, wird eingespannt und kann so zusammen mit einer ausgewogenen Menge von Sauce zum Mund geführt werden. Erst die wohlabgestimmten und ausbalancierten Texturen von Nudeln und Sauce garantieren das perfekte Pastaerlebnis.

Wie gut Saucen haften bleiben, hängt nicht zuletzt auch von den Trocknungszeiten und dem Restwassergehalt ab. Hobby-Pastahersteller machen sich daher bereits lange vor der Mahlzeit Gedanken über die Textur ihrer Nudeln.

Hinter den Begriffen Textur, Food-Design oder Food-Structuring verbirgt sich nicht unbedingt etwas Abenteuerliches oder gar Künstliches – sie beschreiben vielmehr kleine und große Kniffe, mit denen Geschmackserlebnisse allein über die „Materialauswahl“ optimiert werden können.

GESCHMACKSMODULATION: MUNDFÜLLE – KOKUMI

Wie die Bezeichnung für den herzhaften, auf Protein deutenden Geschmack – „umami“ – stammt auch der Begriff „kokumi“ aus dem Japanischen. Er lässt sich am besten mit „Mundfülle“ übersetzen. Dabei bedeutet „Mundfülle“ nicht unbedingt das cremig-fettige Gefühl einer süßlichen Panna cotta. Eine große Mundfülle wird beispielsweise ebenso durch eine sehr lange gekochte Hühnerbrühe oder einen anderen Fleischfond erzeugt. Auch eine einfache Pasta bolognese oder ein mexikanischer Bohneneintopf besitzen eine große Mundfülle.

Der kokumi-Eindruck ist kein Texturmerkmal, sondern – wieder einmal – eine „molekulare Angelegenheit“. Der gemeinsame Nenner dieser Gerichte ist die sehr lange Kochzeit. Dabei findet ein Prozess statt, der in der Fachsprache Hydrolyse genannt wird: Die in allen Lebensmitteln vorkommenden Proteinketten zerfallen langsam in immer kleinere Teile. Bruchstücke, die aus zwei oder drei Aminosäuren und einer Glutaminsäure bestehen, werden γ-Glutamylpeptide genannt. Diese Bruchstücke sind unter anderem für den kokumi-Effekt verantwortlich. Anders als die Geschmacksreize werden sie nicht über Rezeptorproteine wahrgenommen – wie der kokumi-Eindruck jedoch sensorisch genau wahrgenommen wird, ist bisher nicht bekannt. Man weiß nur, dass es sich bei den kurzen Peptidstücken stets um Kombinationen von Aminosäuren mit jeweils unterschiedlicher Löslichkeit handelt: Fett und Wasser. Die Proteinbruchstücke schmecken selbst nicht, wirken aber als Modulatoren und stimulieren den Gesamteindruck aller Sinnesreize und deren Intensität, die beim Essen angesprochen werden: Textur, Geschmack, Duft und Empfinden ( Abrunden: kokumi, Seite 48).

Das Zerlegen der Proteine in diese „kokumisierenden“ Glutamylpeptide kann sowohl durch Fermentation als auch durch Enzyme, pH-Wert-Änderungen oder, wie in den bereits genannten Beispielen, durch Hitze vonstatten gehen. Bei der Herstellung von Sojasauce etwa werden zum Zerlegen der Proteine enzymatische Fermentationsprozesse eingesetzt. Auch die lange Reifung von Käse lässt neben vielen anderen Reaktionen solche Proteinbruchstücke entstehen, die für die große Mundfülle reifer Käse sorgen. Unter diesem Aspekt erscheint es geradezu logisch, dass fast jedes Pastagericht mit Tomaten kombiniert und anschließend mit reifem Parmesan bestreut wird: Das verleiht dem eher „langweiligen“ Geschmack der Pasta eine Tiefe und Mundfülle à la „umami“ und „kokumi“. Selbst in grünem Matcha-Tee wurden Proteinteile gefunden, die nicht nur den kokumi-Eindruck, sondern auch bitteren und umami-Geschmack verstärken.


Der gemeinsame Nenner von umami-Geschmack und kokumi-Effekt: Sind zwei oder drei Aminosäuren (hell) noch mit der Glutaminsäure (dunkel) verbunden, wird kokumi-Mundfülle ausgelöst. Freie Glutaminsäure wird dagegen Glutamat genannt – und erzeugt den herzhaften umami-Geschmack.

Die Beschreibung solcher Abläufe klingt nach Chemie und Lebensmitteltechnologie, die Vorgänge selbst gehören jedoch zu den Standardtechniken, die Köche oder Käsemeister seit Langem täglich einsetzen, um eine deutliche Geschmacksintensivierung und Mundfülle zu erzielen. Das zeigt erneut: Erforscht und benannt werden diese Prozesse nur langsam, vieles ist erst seit wenigen Jahrzehnten geklärt. Intuitiv und traditionell gewachsen werden solche Würztechniken hingegen schon seit Jahrtausenden angewandt – auch wenn weder die alten Römer noch mittelalterliche Käser das Wort „kokumi“ kannten. Genießen konnte der Mensch schon immer, aber man könnte sagen, dass Physik, Chemie, Psychophysik und Neurobiologie den kulinarischen Effekt eines Happens erklären.

GERUCHSSINN UND AROMEN

All die verschiedenen Reize, die beim Essen mit der Zunge beziehungsweise über die Trigeminusnervenendigungen im Mundraum wahrgenommen werden – der Geschmack der Speise, ihre Schärfe, Temperatur, Textur und die Mundfülle – machen immer noch erst einen geringen Teil des Genusses aus. Es fehlt noch ein zentraler Aspekt: der Duft des Gerichts – sein Aroma. Vor dem ersten Bissen schon prüft die Nase: Riecht die Speise angenehm? Ungewöhnlich? Welche Erinnerungen, Assoziationen und Emotionen weckt der Duft? Wird die Speise anschließend gekaut, ermöglicht das retronasale Riechen die Verbindung von Grundgeschmack und Aromen. Erst dann wird das Essen in seiner gesamten Komplexität sinnlich erfasst.

DUFT, GERUCHSSINN UND IHRE FUNKTION

Beim Würzen und Kräutern in der Küche sollte man sich im Klaren darüber sein, dass wir mit „Sex and Crime“ aromatisieren: Die meisten Moleküle, die für schätzenswerte Düfte verantwortlich sind, dienen den Pflanzen entweder als Sexuallockstoff zur Fortpflanzung oder als Waffe gegen Fressfeinde, seien es die Blütendüfte der Rose oder Geranie oder die beißenden Aromaten des Thymians. Das vielleicht eindrucksvollste Beispiel ist der Trüffel. Was den schwarzen Trüffel so einmalig macht, ist Androst, der Sexuallockstoff des Ebers. Der Aromastoff, der das Fleisch nichtkastrierter Eber abstoßend, Trüffelgerichte hingegen betörend riechen lässt, spielt auch in der Parfümerie eine wichtige Rolle: Kein gutes Männerparfüm kommt ohne Androst aus. Ein Mythos ist hingegen, dass sich Trüffelschweine auf ihrer Suche an Androst orientieren – sie erschnüffeln das schwefelig riechende DIMETHYLSULFID.


Duftstoffe strömen über die Luft in die Nase und treffen auf den Riechkolben, den Bulbus und das Riechepithel. Dieses Gebilde besteht aus vielen Riechzellen, die in Zilien enden. Letztere sind von Schleim (einer proteinreichen Flüssigkeit) umgeben, der in der Lage ist, Duftstoffe zu lösen.

Die biologische Funktion des menschlichen Geruchssinns ähnelt der des Schmeckens. Auch Gerüche weisen uns einerseits auf wertvolle Stoffe hin, etwa wenn der Duft eines Gerichts uns nicht nur sprichwörtlich das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt, und warnen uns andererseits vor Gefahren. Faulige oder fäkalartige Gerüche kann der Mensch schon bei äußerst geringer Konzentration wahrnehmen, denn diese deuten auf Gifte hin.

Allerdings spielen hier Menge und Zusammensetzung eine entscheidende Rolle, wie ein Beispiel aus der Parfümherstellung verdeutlicht: Das Aroma SKATOL, das bei der Verdauung von Aminosäuren entsteht, stinkt für sich allein kräftig nach Kot. Fehlen winzigste Spuren dieses Stinkstoffs aber in einem Parfüm, so ist es nur eine halbe Sache. SKATOL ist auch in Rohmilchprodukten enthalten und ruft zusammen mit der 4-ETHYLOCTANSÄURE den „Stallgeruch“ von Rohmilchkäsen hervor. Obwohl SKATOL nicht direkt beim Riechen am Flakon oder im Käse wahrgenommen wird, gehört es unbedingt in das harmonische Zusammenspiel von vielen weiteren Duftstoffen. Ein winziger Hauch eines Krauts oder Gewürzes ergibt neue Aromen, obwohl die Einzelkomponente nicht mehr wahrnehmbar ist. So wundert es nicht, dass Schokolade, Kaffee oder Rostbraten schweißige Duftnoten enthalten.

In der Küche lassen sich ähnlich wie in der Parfümerie Düfte und Duftkompositionen gezielt einsetzen, um Assoziationen und Emotionen zu wecken oder andere Gerüche zu überdecken. Immer jedoch haben sie das Ziel, wohltuend auf die Umgebung zu wirken.

RIECHEN MIT DER NASE

Was genau passiert beim Riechen, wenn bestimmte Moleküle in uns Emotionen auslösen, wie es bei Kräutern und Gewürzen wohlbekannt ist? Die Vorgänge sind im Prinzip mit denen beim Schmecken zu vergleichen: Ein als Duftmolekül erkanntes Teilchen kann nur an einem einzelnen, speziell für seine Wahrnehmung bestimmten Detektor andocken, woraufhin ein Signal an das Gehirn geleitet wird, in dem die Sinneswahrnehmung als Duft interpretiert wird.


Die Verschaltung der Riechzellen mit den Glomeruli des Gehirns. Dabei wird deutlich, dass jede Riechzelle des gleichen Typus (angedeutet durch die gleiche Farbe) in dem dafür typischen Glomeruli endet. Somit ist das Riechen kombinatorisch, es werden Muster erkannt.

Im Detail ist es ein wenig komplizierter, allein aufgrund der ungeheuren Vielzahl an Düften. Es wird angenommen, dass die Duftstoffe, nachdem sie mit der Luft in die Nase gesogen wurden, zunächst auf der mit einem Wasserfilm (Mucus) überzogenen Riechschleimhaut von wasserlöslichen, globulären Proteinen eingefangen werden. Diese Proteine transportieren die Duftstoffe dann zu den Riechzellen. An ihrer Spitze sitzen die Zilien: Sie haben eine entscheidende Funktion, denn an ihnen befinden sich wie bei den Geschmacksknospen die entsprechenden Rezeptoren. Die Gestalt und Funktion von Riechrezeptorproteinen wurde erst 1991 von Linda B. Buck und Richard Axel in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung aufgeklärt. 2004 erhielten die beiden dafür den Nobelpreis für Medizin / Physiologie. Sie stellten fest, dass das Auslösen eines Geruchs durch Andocken eines Duftstoffes an eine bestimmte Stelle des Rezeptorproteins erfolgt. Dabei werden kleinste atomare beziehungsweise molekulare Kräfte verändert, was die Riechkanäle aktiviert. Riechen kann damit letztendlich auf quantenmechanische Prozesse zurückgeführt werden. Diese Signale sind sehr schwach, daher müssen molekularbiologische, physiologische Verstärkungsmechanismen in Gang gebracht werden (siehe Bild Seite 19). Dennoch ist bisher nicht endgültig geklärt, wie Riechen auf molekularer Ebene wirklich vonstatten geht. Der Ansatz des Schlüssel-Schloss-Prinzips liegt nahe, nimmt aber nur auf die starre Form der Moleküle Bezug. Eine andere Theorie geht weiter auf Struktur und Dynamik der Moleküle ein. Denn diese sind bei den kulinarisch üblichen Temperaturen nicht starr, sondern schwingen in einer ganz bestimmten Weise. Die entscheidende und noch nicht gelöste Frage ist daher, ob Rezeptorproteine die duftauslösenden Moleküle anhand ihrer starren Form erkennen oder ob auch die charakteristischen Schwingungen registriert werden. Der Duft eines Mittagessens ist also eine wirklich hochkomplexe Angelegenheit, die tief in den Grenzbereich zwischen Physiologie, molekularen Wechselwirkungen und Quantenmechanik hineinreicht.


Hat der Duftstoff angedockt, wird auf der „Unterseite“ der Membran ein Ionenfluss von Natrium und Calcium ausgelöst. Dem Gehirn wird ein Duft signalisiert. (R = Rezeptor, G = G-Protein, AC = Adenylatcyclase)



Ein Geruch wird dadurch ausgelöst, dass ein Duftstoff an eine bestimmte Stelle des Rezeptorproteins andockt, wobei kleinste molekulare Kräfte verändert werden. Als Folge verändert das Membranprotein seine Gestalt, was innerhalb der Membran wiederum „Verstärkungsprozesse“ auslöst und die Riechkanäle aktiviert.


Hierarchie des Riechens: Jedes Duftmolekül dockt an Rezeptoren an. Ein jeweiliger Rezeptor ist auf ein bestimmtes Moleküle spezialisiert.

Wichtig für unsere Zwecke ist, vereinfacht festzuhalten: Dockt ein Duftstoff an dem für ihn bestimmten Rezeptorprotein an, werden entsprechende Nervenreize ausgelöst. Liegt keine passende Form vor, ist ein Andocken nicht möglich. Die chemische und molekulare Struktur der Duftstoffe steht also in engem Zusammenhang mit ihrem Geruch. Das ist grundlegend für die Einteilung der Düfte in acht charakteristische Duftgruppen, wie sie weiter unten vorgestellt wird.

RIECHEN IM GEHIRN

Die Nase detektiert zwar die Reize der Duftstoffe, die Signale müssen aber im Gehirn umgesetzt werden. Dazu werden die Signale verstärkt und über Nervenleitungen von den Riechzellen in das Gehirn gesendet: Dort wird der Duft zunächst mit den anderen Sinneseindrücken verbunden. Dieser Eindruck wird dann weiterverknüpft mit dem Bereich für Emotionen und demjenigen für Hormone.

Ähnlich wie beim Geschmack hat der Mensch ein „Geruchsgedächtnis“, das heißt, er kann bekannte Gerüche einordnen und assoziiert sie gegebenenfalls sogar mit einer schönen Erinnerung – oder mit Gefahr. Allerdings existieren hier nicht nur fünf plus eine Geschmacksrichtung, sondern Tausende verschiedener Düfte. Daher spielt bei der Dufterkennung auch das Sprachzentrum eine wichtige Rolle: Kann ein Duft nicht benannt werden, wird er zwar genauso wahrgenommen, aber viel ungenauer „abgespeichert“ und wahrscheinlich nicht wiedererkannt oder mit einem ähnlichen Duft verwechselt. Ein Problem stellt dabei das begrenzte Vokabular dar, das kaum ausreicht, um all die Eindrücke treffend zu umschreiben. Mögen die poetischen Anflüge in Weinführern und Parfümbeschreibungen auch oft belächelt werden, einige Gerüche lassen sich einfach am besten als „grün“, „warm“ oder „schwer“ charakterisieren ( Kleine Geruchsschule, Seite 494). Bisweilen fehlen auch schlicht Analogien, auf die zurückgegriffen werden kann: Der Duft frisch geriebener Muskatnuss ist tatsächlich am genauesten beschreibbar mit: „frisch geriebene Muskatnuss“.

Aroma - Die Kunst des Würzens

Подняться наверх