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FUNKTIONELLE GRUPPEN

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In der Chemie werden Moleküle gewöhnlich nicht nach Ähnlichkeiten bei ihrer Flüchtigkeit und nach ähnlichen Duftcharakteristika unterteilt, sondern gemäß ihrer funktionellen Gruppe. Für die Küchenanwendung ist das unpraktikabel, das System soll aber einmal vorgestellt werden. Die jeweilige Gruppe lässt sich oft an der Endung erkennen: Moleküle, die auf -ol enden, sind Alkohole, Ketone enden auf -on, Schwefelverbindungen auf -thiol. Diese Einteilung ist aber zu verschieden, als dass sie parallel zum Aromagruppen-System bestehen könnte.


ACHT PLUS EINE CHARAKTERISTISCHE MOLEKÜLGRUPPEN

Alle Duft- und Geschmackseffekte werden von einer Vielzahl mehr oder minder kleiner Moleküle bewirkt, wobei der Begriff „Vielzahl“ ernst zu nehmen ist. Tatsächlich gibt es zigtausend verschiedene Duftmoleküle, von denen wir als Menschen gar nicht alle wahrnehmen können. Man denke allein an die Gerüche, die beispielsweise in einem Weinkeller vorkommen oder in der Metro von Paris, in der es wiederum ganz anders riecht als in der Londoner Underground oder in der U-Bahn von Frankfurt am Main.

Viele der hier vorkommenden Verbindungen sind in höheren Dosen gesundheitsschädlich (Cumarin), sind ein Nervengift (α-Thujon) oder werden als toxisch eingestuft (Safrol). Allerdings ist die Konzentration dieser Stoffe in den Kräutern und Gewürzen sehr niedrig und die beim Würzen üblicherweise verwendeten Mengen derart gering, dass gesundheitliche Schäden unwahrscheinlich sind.

Doch zurück zur Küche: Jeder Koch, jede Köchin weiß, dass sich mit Kräutern und Gewürzen eine ganze Reihe von Charakteristiken des Gerichts steuern lassen. Wenn in älteren Kochbüchern etwa von „Aromaten“ die Rede ist, wussten die Zeitgenossen sofort, was damit gemeint war: Mindestens Rosmarin und Thymian, die sich mit ihren charakteristischen Gerüchen bestens eignen, Speisen in verschiedener Weise zu „aromatisieren“. Oder gleich ein ganzes Bouquet garni. Was aber, wenn es einmal darüber hinausgehen soll?

Systematisches Würzen und Abschmecken scheint der Herangehensweise vieler Menschen zu widerstreben, die Kochen vor allem als emotionalen, intuitiv geleiteten Vorgang und als Entspannung sehen. Dennoch erweist sich eine genauere Kenntnis der Duftstoffe in vielen Fällen als nützlich – nicht zuletzt, weil die in diesem Buch erstellten Gruppen versuchen, genau dieser Intuition noch immer genügend Raum zu lassen. Gleichzeitig eröffnen sich über die Prinzipien des Food-Pairings und des Food-Completings ( Seite 60) ganz neue und außergewöhnliche Kombinationen, wie sie bisher, je nach Kulturkreis, kaum eingesetzt werden. Tatsächlich erlaubt das Zusammenwirken kleiner Moleküle große Effekte auf den Tellern.

Die große Zahl der kleinen Moleküle, die in unterschiedlichen Kräutern und Gewürzen in mannigfaltigen Kombinationen vorliegen, erscheint auf den ersten Blick vollkommen unübersichtlich. Sie lässt sich aber aus Sicht der Chemie – mit kulinarischem Bezug – sinnvoll in acht plus eine Gruppe einordnen. Jede dieser Gruppen von Duftstoffen zeichnet sich einerseits durch ähnliche chemische Strukturen und andererseits durch einigermaßen klar abgrenzbare olfaktorische Eigenschaften aus, das heißt, man kann aufgrund der Gruppenzugehörigkeit schon erahnen, wie ein Aromastoff beziehungsweise ein Gewürz, das diesen enthält, wohl duften wird. Beim Würzen kann man sich also am Farbleitsystem dieser Gruppen orientieren.

Acht Gruppen beinhalten Duftstoffe – sie werden hier thematisiert. Die neunte Gruppe beinhaltet nichtflüchtige Stoffe, die nicht duften, sondern für einen Schärfereiz oder einen anderen trigeminalen Effekt verantwortlich sind ( Trigeminusreiz, Seite 13, Seite 50). Als Eselsbrücke dient die Nummer der Gruppe: Je höher sie ist, desto weniger flüchtig ist ein Duft, desto „schwerer“, „tiefer würzig“ riecht er und desto hitzebeständiger ist er. Ein Überblick über alle Aromagruppen findet sich auf Seite 32, hier werden sie im Detail vorgestellt.

GRUPPE 1: ALIPHATISCHE KOHLENWASSERSTOFFE – WACHSIG, GRÜN, PILZIG


(Z)-HEX-3-ENAL grün, grasig, wachsig, grüner Apfel

ETHYLBUTANOAT fruchtig, saftig, ananasartig, ein Hauch Cognac

Aliphatische Kohlenwasserstoffe bestimmen eine ganze Reihe von Grundaromen bei Lebensmitteln, Kräutern und Gewürzen. Meist handelt es sich um kurzkettige Fettsäuren und deren Abbauprodukte wie Aldehyde, Ester oder Alkohole. Außerdem hier eingeordnet sind längerkettige Aldehyde sowie eine ganze Reihe von Duftstoffen, die komplexer aufgebaut sind als die linearen Kohlenwasserstoffe. Die Duftstoffe dieser Gruppe sind leicht flüchtig oder wenig stabil. Daher gehören sie zu den „Kopfnoten“ der Lebensmittel und Gewürze. Will man die Aromen dieser Gruppe nutzen, sollte man die Lebensmittel frisch verwenden, nicht erhitzen und zügig verspeisen.

Duftende Moleküle dieser Gruppe kommen in sehr unterschiedlichen Lebensmitteln vor. So findet sich zum Beispiel das HEXANAL in grünen Äpfeln, in Tomaten sowie in Olivenöl in unterschiedlichen Konzentrationen. Darüber hinaus ist es in Bananen, Trauben, Ananas oder in (grünen) Tees vorhanden und ebenfalls in den Blütenblättern vieler Blumen. Kein Wunder also, dass sich hieraus Ansätze zum Food-Pairing ergeben.

GRUPPE 2: SCHWEFELVERBINDUNGEN – SCHWEFELIG, STECHEND


DIMETHYLSULFID schwefelig, zwiebelartig, kohlartig

METHIONAL knoblauchartig, gekochter Kohl, käseartig

Schwefelverbindungen bestimmen den Geruch von Zwiebelgewächsen, etwa Lauch, Schnittlauch, Zwiebeln oder den von Knoblauch. Schweflige Gerüche kommen in Senf, Zwiebeln, Knoblauch, Meerrettich oder Kressen vor. Diese typischen Aromen sind mitunter trigeminal in der Nase stechend und im Mund stark schmerzhaft kalt.

Schwefelige Geruchsstoffe wie DIMETHYLSULFID oder METHIONAL sind nicht nur auf Lauchgewächse beschränkt. Sie kommen in verschiedenen Kohlsorten, wie Blumenkohl und Rosenkohl, aber auch in Spargel, Mais oder Zucchini vor. Der Aromastoff 4-METHOXY-2-METHYL-2-BUTANETHIOL etwa ist nicht nur in vielen Weinen, sondern auch in Olivenöl für deren Fruchtnote mitverantwortlich.

GRUPPE 3: ACYCLISCHE TERPENE – ZITRUSARTIG, FRUCHTIG, BLUMIG


GERANIAL süßlich, floral, fruchtig, rosenartig, Zitruschschale, leicht wachsig

MYRCEN süßlich-würzig, balsamisch, pfefferig, terpentinartig

Die Gruppe der acyclischen Terpene (ohne Ringstruktur) bestimmt den Großteil der leicht flüchtigen, blumigen Aromastoffe in Kräutern und Gewürzen. Moleküle dieser Familie zeichnen sich durch Düfte nach Blumen, Rosen und Zitrusfrüchten aus und tragen in unterschiedlichsten Konzentrationen zu einem blumigen, zitrusartigen Gesamteindruck bei. So kommen GERANIAL und NERAL, deren Gemisch oft CITRAL genannt wird, nicht nur in Zitrusfrüchten vor, sondern bestimmen auch einen Teil des Wacholderdufts. Dieses Wissen kann man beim Würzen nutzen. Zum einen lässt sich eine wohlschmeckende Zitronenkonfitüre mit Wacholder ausgezeichnet verfeinern, zum anderen setzt Wacholder als Beigabe beim Räuchern von Speck oder Schinken gegen die tiefen Raucharomen einen erstaunlich frischen Akzent. Aus diesen Beispielen lassen sich zwei allgemeingültige „Würzregeln“ ableiten: Bei der Konfitüre werden gleichartige Aromen gepaart, beim geräucherten Speck werden Kontraste gesetzt. Die Paarung von Zutaten mit ähnlichen Duftstoffen nennt man „Food-Pairing“ – ergänzen sich hingegen die Aromenspektren wie bei Räucherspeck und Wacholder, spricht man vom „contrasting“ oder „Food-Completing“. Beide Ansätze tragen dazu bei, ein Gericht zu einem intensiven Erlebnis werden zu lassen.

Ein wohlschmeckendes Beispiel dafür ist etwa in Butter und etwas Gemüsefond geschmorter Lauch, dem systematisch Ocimen mittels einiger Lavendelblüten zugeführt wird. Der blumige Hauch des Lavendels hebt das dominant schweflige Aroma des Lauchs, der so „gewürzt“ ausgezeichnet allein oder zu Fischgerichten mundet.

Die Einsatzmöglichkeiten der Moleküle aus dieser Gruppe sind vielseitig, solange man den richtigen Würz-Zeitpunkt beachtet. Wegen der hohen Flüchtigkeit verliert sich ihre Wirkung, wenn sie gekocht werden: In blumig wirkenden Kräutersorten, etwa Basilikum oder Lavendel, spielt das nach Zitrus und gleichzeitig nach Kiefernharz riechende OCIMEN eine wesentliche Rolle, ebenso in Thymianblüten. Werden sie kurz vor dem Fertigstellen von Saucen darin untergehoben – rein chemisch betrachtet stellt so eine Öl-in-Wasser-Emulsion ein perfektes Lösungsmittel für wasser- und fettlösliche Moleküle dar –, werden sie mit den blumig duftenden acyclischen Monoterpenen des OCIMEN exzellent aufgehellt, ohne den mediterranen, kräuterigen Charakter zu stören.

Auch bei den acyclischen Monoterpenen verändern kleine Modifikationen der chemischen Struktur den Geruch. Der Monoterpenalkohol GERANIOL riecht blumig, das Aldehyd GERANIAL zitronenartig – nur, weil sich eine funktionelle Endgruppe ändert ( Seite 22).

GRUPPE 4: CYCLISCHE TERPENE – BALSAMISCH, KAMPFERARTIG


(R)-( +)-LIMONEN frische Zitrone, orangenartig

1,8-CINEOL Eukalyptus, herbal, kampferartig

Monocyclische Terpene (mit einer Ringstruktur) wie das zitrusartige LIMONEN werden noch zu den Kopfnoten gezählt, sind also recht flüchtig und sollten, wenn überhaupt, nur kurz mitgekocht werden. Sie tragen vor allem zum Duft minzartiger Kräuter bei, spielen aber auch im Aromenspektrum von Kümmel, Fenchel oder Eukalyptus eine große Rolle.

Höher- oder bicyclische Terpene, etwa 1,8-CINEOL oder PINEN, sind dagegen bereits etwas beständiger, sie sind in ihrem Duft „schwerer“ und machen die Herznoten eines Gewürzes aus. Höhercyclische Terpene sorgen für warme, holzige, balsamische, kampferartige oder leicht harzige Töne. Häufig finden sie sich sowohl in Kräutern als auch in Gewürzen und sind daher Aromen-„Bindeglieder“ zwischen beiden. Diese Erkenntnis hilft etwa bei Fragen, welche Kräuter und Gewürze sich optimal ergänzen oder wie das eine oder andere sogar ersetzt werden kann. THUJON etwa riecht eher mentholig und ist vor allem aus Wermut bekannt, findet sich aber gleichfalls in den ätherischen Ölen von Thymian, Rosmarin, Beifuß und Salbei. 3-CAREN ist in den Gewürzen Schwarzer Pfeffer, Wacholder, Kubebenpfeffer und in Tannennadeln vorhanden. Die Gewürze Koriander und Muskat enthalten BORNEOL, das auch in den Kräutern Salbei und Rosmarin vorkommt.

GRUPPE 5: SESQUITERPENE – DUNKEL, SCHWER-FLORAL


FARNESEN zitrusartig, bergamotteartig, kräuterig, tief florale Lavendelnoten, Myrrhe

GERMACREN sehr holzig, würzig

Sesquiterpene sind von ihrer Struktur her noch komplexer und damit noch weniger flüchtig. Zu ihnen zählen etwa CADINEN und CARYOPHYLLEN. Bei den Gerüchen herrschen dunkle, warme Töne vor, wie sie in der Küche etwa mit Gewürznelken und Pfeffer oder mit den wärmebeständigen Kräutern Rosmarin und Oregano assoziiert werden können. Weiterhin gehören hierher die acyclischen Sesquiterpenverbindungen NEROLIDOL oder FARNESOL, die den starken, tiefen und beständigen Duft von Orangenblütenwasser und Maiglöckchen definieren, sowie auch das veilchenartig duftende β-IONON. Diese Komponenten bestimmen die Herznote des Aromenspektrums, mitunter sogar die Basisnote: Sie duften nachhaltig auch im heißen Essen. Daher werden zum Beispiel in Gerichten der arabischen Küche mit Orangenblüten- oder Rosenwasser lang anhaltende, tiefe und schwere, florale Düfte erzielt, die durch Monoterpene oder gar durch aliphatische Kohlenwasserstoffe – vor allem wegen deren stärkerer Flüchtigkeit – nicht erreicht werden können.

GRUPPE 6: AROMATISCHE VERBINDUNGEN – TIEF UND AROMATISCH


THYMOL stark thymianartig, sehr aromatisch, phenolisch-medizinal (Hustensaft), Kampfernote

4-ETHYLGUAJACOL rauchig, sojasaucig, süßlich-würzig, ein Hauch Schinken

Die Duftstoffe dieser Gruppe heißen Aromaten. Dieser Begriff hat zunächst wenig mit dem alltäglichen Begriff „aromatisch“ zu tun. In diesem Buch wird der Begriff „aromatisch“ stets im Zusammenhang mit Molekülen mit einer bestimmten chemischen Struktur, dem Benzolring, verwendet. Die Intensität der Gerüche aus dieser Gruppe ist noch stärker, sie werden als „schwer“, „tief“, „rauchig“, „aromatisch“, „nussig“ oder „bitter“ beschrieben – wobei besonders „bitter“ im übertragenen Sinne zu verstehen ist, denn „bitter“ ist eine Geschmacksrichtung, eine Wahrnehmung der Zunge, die mit Aromen zunächst einmal nichts zu tun hat.

Paradebeispiel für eine duftintensive aromatische Verbindung ist das BENZALDEHYD, das den typischen Geruch von Bittermandeln erzeugt. Auch das VANILLIN der Vanille gehört zu den Aromaten, ebenso wie ANISALDEHYD und ANETHOL, die in Anis vorkommen. Diese Auflistung zeigt, wie breit das Spektrum der Aromaten ist. Die aromatische Carbonsäure „Benzoesäure“ kennen wir aus der Lebensmittelindustrie, da sie beziehungsweise ihre Salze als „Konservierungsstoffe“ zugelassen sind. Sie kommt in Wildkräutern und Beeren, zum Beispiel Preiselbeeren und Heidelbeeren, aber auch in Pflaumen vor und hemmt dort auf natürliche Weise das Wachstum von Bakterien und Pilzen. Ihr Aroma kennt man vielleicht aus der Kirche: Es bestimmt den Duft des Weihrauchs.

GRUPPE 7: PHENOLE, PHENOLDERIVATE, PHENYLPROPANOIDE – ZIMT, MUSKAT UND CO.


CUMARIN süßlich, heuartig, welker Waldmeister oder Gräser, typisch Tonkabohne

EUGENOL süßlich würzig gewürznelkenartig, holzig

Phenylderivate riechen noch intensiver und meist „öliger“ als die Aromaten. Sie definieren fast immer Basisnoten. Kulinarisch am bekanntesten dürften ZIMTALDEHYD und ZIMTSÄURE sein, die Hauptaromenträger des Zimts. Am nützlichsten hingegen ist EUGENOL und sein vielfaches Vorkommen: Nicht nur im ätherischen Öl der Gewürznelken ist es aromabestimmend, es sorgt ebenso in Piment, Zimt, Muskatnuss und deren Blüte Macis für die warmen, eher schweren Düfte. Der Aromastoff befindet sich außerdem in einer ganzen Reihe von Kräutern, etwa in Lorbeerblättern oder verschiedenen Basilikumarten. Selbst in Obst wie Bananen oder Kirschen ist er enthalten. Im Sinne des Food-Pairings lassen sich daraus variantenreiche Kombinationen ableiten. In gleicher Weise kommt der Aromastoff ESTRAGOL sowohl in Kräutern wie Estragon, Kerbel, Zitronengras und Basilikum als auch in Gewürzen wie Anis, Fenchel, Piment und Muskatnuss vor und schlägt damit mögliche Kräuter-Gewürz-Brücken – etwa in der Kombination von Pastis oder Sternanis mit Basilikum. Auf der Basis von Zitrusfrüchten lassen sich damit ausgefallene Winterdesserts oder Gemüse-Frucht-Salate mit Kräuternoten kreieren. Ein weiteres Beispiel ist 2-PHENYLETHANOL. Der Aromastoff kommt in vielen essbaren Blüten wie Rosen, Geranien und Nelken vor, duftet honigsüß rosenartig und löst auf der Zunge einen stechenden Reiz aus. MYRISTICIN wiederum findet sich in Muskatnuss, Dillfrüchten, Petersilie und Liebstöckel. Seine intensiven erdig-muskatartigen Noten lassen sich sehr gut beim „sous-vide“-Garen bei Temperaturen unter 90 °C erhalten, selbst bei Garzeiten von 20 bis 30 Minuten. Eine Dillnote unter die fruchtige Ananas gemischt ergibt neue kulinarische Zusammenhänge, besonders wenn sie zum Beispiel mit weißem Rum serviert wird: Der Alkohol sorgt als Lösungsmittel dafür, dass die Aromen noch besser in der Speise gehalten werden und somit noch deutlicher retronasal wahrgenommen werden.

GRUPPE 8: HETEROCYCLISCHE VERBINDUNGEN, KOHLENWASSERSTOFFE UND AMIDE – RÖSTAROMEN, NICHT NUR AUS DER PFANNE


FURFURAL stark duftend, gebackenes Brot, holzig, mandelartig, leicht süßlich

2-ISOBUTYL-3-METHOXYPYRAZIN sehr erdig, grüne Paprika, grünes Gemüse

Die letzte Gruppe der Duftstoffe besteht vor allem aus Röstaromen. Diese können schon von vornherein in einem Kraut oder Gewürz vorkommen oder bei praktisch jedem Erhitzungsprozess über die Maillard-Reaktion entstehen ( Würzpraxis Rösten, Seite 51).

Ein Beispiel für die von vornherein in Gewürzen enthaltenen Röstaromen ist das nach Karamell und nach Brotkruste duftende FURFURAL. Es trägt etwa zu den dunklen Noten von Gewürznelken bei. Der Aromastoff CUMARIN riecht nach Heu und gibt welkem Waldmeister, aber auch Tonkabohnen ihren charakteristischen Geruch. Der Abkömmling des CUMARIN, das UMBELLIFERON, kommt in Liebstöckel vor. Das Kraut weist einen für Pflanzen untypisch hohen Anteil an heterocyclischen Verbindungen auf: Zu diesen gehört auch das SOTOLON, das in hohen Konzentrationen curryartig riecht und ebenfalls in Bockshornklee und Ahornsirup vorhanden ist.

Bei der Maillard-Reaktion entstehen während des Erhitzens neben Bräunungs-auch Röststoffe in Speisen, die vorher gar keine Aromen aus dieser Gruppe aufwiesen. Einer der bekanntesten Vertreter ist das MALTOL, das beim Karamellisieren von Zucker entsteht: Normalerweise riecht Zucker gar nicht und schmeckt rein „süß“. Nach dem Karamellisieren weist er jedoch eine süßliche, malzige Karamellnote auf.

Röstnoten entstehen auch beim Flambieren von Lebensmitteln – bestens bekannt von der Crème brûlée. Gedämpfte Fische oder Gemüse können mit Röstnoten gewürzt werden, wenn sie mit einem Gourmetbrenner punktuell abgeflämmt werden. Dies erzeugt nur winzig kleine Punkte dunkler Stellen, die ein wenig an groben schwarzen Pfeffer erinnern und deutliche, aber kaum aufdringliche Röstnoten hineintragen. Die Moleküle dieser Gruppe definieren die Basisnoten: lang anhaltende Noten, die selbst nach Tagen noch zu riechen sind.

RÖSTNOTEN ALS STECKRÜBEN-„GEWÜRZ“

Einen Teil der Steckrüben in einer Grillpfanne anrösten, den Rest in Gemüsefond und Fett garen. Zusammenmischen und pürieren. Die Röstnoten ergeben einen ausgezeichneten Kontrast zur Süße der Steckrübe.

GRUPPE 9: TRIGEMINALREIZ, NICHTFLÜCHTIGE VERBINDUNGEN


CAPSAICIN trigeminal scharf

QUERCETIN bitter, adstringierend

Die Vertreter dieser letzten Gruppe sind für einen mehr oder minder starken trigeminalen Reiz verantwortlich. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: Zum einen ist das der rein orale Effekt, der sich im Mund bemerkbar macht. Das CAPSAICIN in Chilis sorgt etwa für brennende Schärfe, Gallussäure, Tannine oder z.B. QUERCETIN verursachen einen adstringierenden, also „zusammenziehenden“ Effekt im Mund, wenn man Walnüsse isst. Des Weiteren wird diese Farbe „aktiviert“, wenn flüchtige Moleküle (und damit Aromen) aus einer der anderen Gruppen in dem betreffenden Gewürz einen spürbaren Trigeminalreiz auslösen. Dieser kann etwa stechend in der Nase, aber auch schmerzend kalt im Mund sein wie beim ALLICIN im Knoblauch, oder auch kühlend wie es etwa das MENTHOL in der Minze auslöst. Übernehmen die Moleküle solche Funktionen, sind sie mit einem kleinen „T“ versehen.

FLÜCHTIGKEIT UND LÖSLICHKEIT

Alle Düfte sind mehr oder weniger flüchtig. Nur weil sie aus den Pflanzen austreten und in die Luft schweben, können sie überhaupt in die Nase gelangen und dort gerochen werden. Schwefelige und blumige Aromen sind sehr leichtflüchtig: Eine angeschnittene Knoblauchzehe etwa duftet sofort und sehr intensiv, ist aber schon nach kurzer Zeit „ausgeraucht“. Tiefe, erdige, warme Noten – etwa Gewürznelken – duften weniger stark, dafür länger anhaltend. Trotzdem: Irgendwann haben sich alle Aromen verflüchtigt und zurück bleibt eine leere Hülle.

Damit Düfte beim Kochen, Braten oder Backen im Gericht verbleiben und nicht in die Umgebung verdampfen, muss man den Molekülen ein gutes Lösungsmittel anbieten – wobei „gut“ in diesem Fall nicht nur die Löslichkeit meint, sondern auch, dass das Mittel außerdem wohlschmeckend und verträglich ist. Für den Gebrauch in der Küche qualifizieren sich daher nur Wasser, Fett und Ethanol, der hier der Einfachheit halber Alkohol genannt wird. Der Fachbegriff „Lösungsmittel“ umschreibt die Fähigkeit des „Festhaltens“: Die Moleküle der Flüssigkeiten bilden eine Schale um jedes einzelne Duftmolekül und trennen sie dadurch voneinander – daher der Begriff „lösen“. Auch an der Oberfläche trennt sie ein dünner Film aus Flüssigkeit von der Luft, sodass sie nicht so leicht davonschweben können. Im Mund werden sie dann retronasal wahrgenommen.

Chemisch betrachtet hängt Flüchtigkeit von drei Faktoren ab: Temperatur, Molekülgröße und Lösungsmittel. Je höher die Temperatur, desto höher ist die Molekülgeschwindigkeit und damit die kinetische Energie. Der Zusammenhang zwischen Hitze, Geschwindigkeit und Energie wird „thermische Energie“ genannt. Übersteigt diese Energie eine bestimmte Schwelle, dampfen Aromen ab. Lösungsmittel können das zwar verzögern, ab sehr hohen Temperaturen aber nicht mehr verhindern. Der Zusammenhang zwischen Flüchtigkeit und Molekülgröße, also dem „Molekulargewicht“ der Stoffe, ist chemisch nicht ganz eindeutig, weil die Vielfalt der Aromastoffe zu groß ist. Doch lässt sich feststellen, dass Moleküle, deren Anzahl an Kohlenstoffatomen unter 16 bis 20 liegt, flüchtig sind. Vereinfacht gesagt: Kompliziert aufgebaute Moleküle sind schwerer und daher weniger flüchtig. Das Lösungsmittel selbst ist ein weiterer wesentlicher Punkt. Öle und Fette lösen die meisten Aromen weit besser als Wasser. Die zähfließende Konsistenz von Öl ermöglicht es, Aromen auch bei höheren Temperaturen noch im Gericht zu halten.

Aus diesen chemischen Betrachtungen ergibt sich ein praktischer Tipp: Wegen der Flüchtigkeit vieler Aromen ist es besser, immer ganze Gewürze zu lagern. Die ätherischen Öle sind in feinen, winzigen, nur 100–500 nanometer großen Ölkörperchen in den Vakuolen der Zellen eingeschlossen. Beim Mahlen oder Zerschneiden werden diese Zellen zerstört, die Ölkörperchen platzen und die Aromen werden frei. In gemahlenen Gewürzen ist die Oberfläche der Körner um ein Vielfaches größer. Daher ist lang gelagerter Pfeffer am Ende nur noch scharf – der dafür verantwortliche Stoff Piperin ist nicht flüchtig –, während seine harzigen, holzigen und zitrusartigen Noten längst entwichen sind.

FAUSTREGELN FÜR DIE FLÜCHTIGKEIT

Je höher die Temperatur, desto schneller verflüchtigen sich Aromen. Kompliziert aufgebaute und schwerere sind weniger flüchtig als einfache. Das passende Lösungsmittel reduziert die Flüchtigkeit. Öle und Alkohole lösen Aromen oft besser als Wasser und sind dann weniger flüchtig.

VARIATION DURCH FLÜCHTIGKEIT

Die Schärfe des Pfeffers wird durch das nichtflüchtige Piperin bestimmt. Die feinen Aromen des frisch gemahlenen oder zerstoßenen Pfeffers, von würzig über harzig bis terpentinartig, verflüchtigen sich in den ersten Minuten nach dem Zerstoßen oder unter Hitze. Wird der Pfeffer gleich zu Beginn des Kochprozesses zugefügt, hebt man seine reine Schärfe hervor. Um dagegen die feinen Aromen zu betonen, muss man direkt vor dem Servieren noch einmal frisch gemörserten Pfeffer zugeben.

LÖSLICHKEIT

Alle Aromen lösen sich in einem oder mehreren dieser drei Stoffe: Alkohol, Fett (ebenso Butter, Öl, Saucen oder etwa fette Joghurts) und Wasser.

LÖSLICHKEIT – UNLÖSLICHKEIT

Ein Teelöffel Salzwasser ist alles andere als köstlich. Aber obwohl sich Salz nicht in Öl löst: Ein Teelöffel Olivenöl mit ungelösten Kristallen von Fleur de Sel ist eine kleine kulinarische Offenbarung.

DIE LÖSUNGSMITTEL: WASSER, ALKOHOL, FETT

Die Wahl des Lösungsmittels hat unmittelbare Auswirkungen auf die Kochpraxis: Hohe Temperaturen oder lange Lagerung begünstigen das Abdampfen, daher ist es von Vorteil, eine ausreichende Menge an gutem Lösungsmittel während des Garens oder Lagerns zur Verfügung zu stellen. Wie gegensätzlich diese sind, lässt sich schon daran erkennen, dass sich Fett und Wasser selbst nicht mischen. Der Grund dafür liegt in ihren molekularen Eigenschaften. Wassermoleküle sind polar: Auf der Sauerstoffseite sind sie leicht negativ und auf der Wasserstoffseite leicht positiv geladen. Dadurch können sie hervorragend polare, also elektrisch geladene Stoffe lösen. Organische, also unpolare Aromastoffe lösen sich nur schlecht in Wasser, hier sind Fett oder Alkohol viel besser geeignet. Polare Stoffe hingegen, etwa Wasser, lösen sich nicht in Öl. Schwach polare, kleine Moleküle können sich aber in Alkohol lösen, Alkohol ist daher ein „Mittler“ zwischen Fett- und Wasserlöslichkeit.

WASSER beziehungsweise seine Moleküle wirken ein wenig wie elektrische Ladungen: Ein positives und ein negatives Teilchen ziehen sich gegenseitig an. Polare Stoffe wie Salze, Zucker und Säuren integrieren sich perfekt in die Wechselwirkung zwischen plus und minus. Es ist allerdings nicht so, dass sich organische, unpolare Aromen überhaupt nicht in Wasser lösen würden, sonst gäbe es kein Rosenblütenwasser oder gar Flüssigrauch auf wässriger Basis. Auch dabei hilft die Polarität der Wassermoleküle: Sie orientieren sich immer so zueinander, dass einer positiv geladenen Wasserstoffseite ein negativ geladenes Sauerstoffteil zugewandt ist. Daher können unpolare Aromenverbindungen von einem „Wasserkäfig“ umschlossen und so im Wasser gehalten werden. Diese Käfigbildung funktioniert umso besser, je kleiner die Aromen sind. Dabei ist der Käfig jedoch kein permanentes Gebilde. Da die Wassermoleküle ständig in Bewegung sind und häufig ausgetauscht werden, sind sie durchlässig. Ein wichtiges Kriterium ist außerdem die Konzentration. Sobald sich zu viele der unlöslichen Stoffe im Wasser befinden, schließen sich diese zu größeren Tropfen zusammen. Werden die Tropfen zu groß, beginnen sie je nach ihrem spezifischen Gewicht zu sinken oder zu steigen. Moleküle, die in der Nähe der Wasseroberfläche sind, verflüchtigen sich zudem, denn die gasförmige Luft ist für diese unpolaren Stoffe ein weit besseres Lösungsmittel als das polare Wasser. Die Einbindung unpolarer Aromen in Wasser ist also sehr instabil. Man kann es den chemischen Strukturformen ein wenig „ansehen“, ob ein Stoff wasserlöslich ist oder nicht. So deutet beispielsweise das Auftreten von OH-Gruppen auf eine gewisse Wasserlöslichkeit hin, sofern der unpolare Teil des Moleküls nicht zu groß ist. Als Faustregel kann man festhalten: Abgesehen von Salzen, Zucker und Säuren sind Aromen in wässriger Umgebung meist weit flüchtiger als in Fett oder Alkohol gelöst.

Ein „Käfig“ aus Wassermolekülen kann die Verbindung zwar im Wasser festhalten, an der Oberfläche jedoch wird er aufgebrochen. Das Molekül ist jetzt dem „besseren“ Lösungsmittel Luft ausgesetzt. Es wird flüchtig und steht nun der Nase und dem Riechen zur Verfügung.

ALKOHOL ist ein gutes Lösungsmittel für kleine, wasserunlösliche Moleküle – zum Beispiel Aromaten der Gruppe 5 wie THYMOL oder Phenylverbindungen der Gruppe 6 wie CUMARIN – und schwach polare Moleküle, also aliphatische Kohlenwasserstoffe aus der Gruppe 1. Dazu löst er alle Aromen, die selbst Alkohole sind. Diese sind daran erkennbar, dass sie auf „-ol“ enden, etwa HEXANOL. Die Moleküle des Lösungsmittels können die Aromastoffe ohne Wenn und Aber umschließen. Das gilt selbst für „Alkohole“, die gar keinen Alkohol mehr in sich haben, wie zum Beispiel Essig. An der Grenzfläche zur Luft bildet sich ein Film von Alkoholmolekülen, die den Aromastoff festhalten. Auch in der Dampfphase in der Luft verbleiben die Moleküle noch in einer „alkoholisierten“ Umgebung. Die Flüchtigkeit ist deutlich reduziert.

FETTE, also alle fetthaltigen Lebensmittel wie Öl, Butter, Schmalz und so weiter, lösen viele Aromen, deshalb sollten sie besser „Aromaträger“ als „Geschmacksträger“ genannt werden. Die Physik, die hinter diesem Allerweltsbegriff steht, ist nichts weiter als die gute Löslichkeit von Aromen und eine weitere praktische Eigenschaft: Weil die Moleküle, aus denen Fett aufgebaut ist (Triacylglyceride), sehr groß und schwer sind, können sie beim Kochen kaum verdampfen. Fette sind insofern gute Lösungsmittel, als es keinerlei Anstrengung bedarf, damit Aromen ins Lösungsmittel übergehen. Oft reicht bereits Nichtstun. In der Parfümherstellung ist die Methode der „Enfleurage“ gebräuchlich: Blütenblätter werden zwischen Platten mit neutralem, festen Fett gelegt. Nach einiger Zeit befinden sich die fettlöslichen Aromen darin und können von dort durch Auswaschen mit Alkohol gewonnen werden. Der Vorteil dieser Methode liegt, trotz des Zeitaufwands, auf der Hand: Erwärmen ist nicht notwendig, die Aromaverbindungen bleiben daher von jeder chemischen Umwandlung und somit von Geruchsveränderungen verschont ( Würzpraxis Enfleurage, Seite 56).

WAHRNEHMUNGSSCHWELLE, GERUCHSADAPTION UND AROMAWERT

Wie intensiv die verschiedenen Duftkomponenten gerochen werden können, hängt von vielen Ursachen ab. So sind zum einen die Wahrnehmungsschwellen der Aromastoffe ganz unterschiedlich. Jeder Stoff weist eine bestimmte Konzentrationsschwelle auf, eine Anzahl an Molekülen in einem bestimmten Luftvolumen, ab der er wahrgenommen werden kann. Ist diese sehr niedrig, genügen bereits wenige Moleküle, um den charakteristischen Duft zu riechen. Die Schwelle ist nicht einfach vorherzusagen, es gibt allerdings ein paar grundsätzliche Gemeinsamkeiten. Auch hier gilt: Je größer die Moleküle sind, also je höher deren Molekulargewicht, desto tiefer liegt die Geruchsschwelle. Dies ist physiologisch sinnvoll: Da diese Moleküle weniger flüchtig sind, müssen sie auch in geringeren Konzentrationen wahrnehmbar sein. Gerüche können schließlich vor Gefahren „warnen“. Allerdings gibt es viele Ausnahmen von diesem vermeintlich klaren Sachverhalt.

Neben der Wahrnehmungsschwelle existiert als weiteres Phänomen die Geruchsadaption. Die Funktion der Riechkanäle ist so ausgelegt, dass immer nur die zeitliche Veränderung eines Geruchsstroms als „Duft“ wahrgenommen wird. Bleibt der Strom über längere Zeit konstant, wird er nicht mehr wahrgenommen. Wir „gewöhnen“ uns daran, adaptieren ihn – sehr gefährlich beim Nachlegen eines Parfüms. Nach erneutem Einsprühen nehmen andere, die den Duft nicht adaptiert haben, den Geruch noch deutlicher wahr. Auch kulinarisch spielt die Geruchsadaption eine große Rolle: Kein Weinkenner und Sommelier hält die Nase zu lange tief ins Glas. Die Adaption verhindert schnell die Wahrnehmung feiner, flüchtiger Noten, die den Wein so reizvoll gestalten.

Ein dritter und entscheidender Parameter für Duftwirkung ist der „Odor Activity Value“ (OAV). Er misst das Verhältnis zwischen der Konzentration eines Aromastoffs in einem Gewürz und dessen Geruchsschwelle in diesem. Kommt etwa ein Aroma in nur geringer Konzentration vor, besitzt aber eine sehr niedrige Wahrnehmungsschwelle, wird es dennoch gerochen. Bei hohen Wahrnehmungsschwellen hingegen ist eine höhere Konzentration vonnöten, damit das Aroma überhaupt wahrgenommen werden kann – so reichhaltig es im Gewürz auch enthalten sein mag. So sind etwa die Blattgrünaromen HEXENAL, HEXANAL und HEXENOL in frischen Tomaten sehr präsent. Im Basilikum sind diese Gründuftstoffe ebenfalls enthalten, aber kaum wahrnehmbar. Dort dominieren vor allem das acyclische Terpen LINALOOL, das bicyclische Terpen 1,8-CINEOL und das Phenylpropanoid ESTRAGOL – die Blattgrünaromen runden den Geruch nur ab. Duftwahrnehmung und OAV sind stark von der Umgebung abhängig, in die der Duftstoff eingebettet ist. In einem schlechten Lösungsmittel ist der gleiche Stoff mit gleicher Wahrnehmungsschwelle leichter flüchtig und hat so eine höhere Riechaktivität. Im passenden Lösungsmittel wird er dagegen festgehalten, ist also kaum riechaktiv.

SCHLÜSSELAROMEN

Sticht eine Aromaverbindung aus einem Lebensmittel, Kraut oder Gewürz mit einem besonders hohen Aromawert hervor, wird diese als Schlüsselaroma bezeichnet. Ist ein Schlüsselaroma vorhanden, bestimmt es einen Großteil des Eindrucks des Lebensmittels, Krauts oder Gewürzes. Ein sehr prägnantes Schlüsselaroma ist beispielsweise Cumarin in Tonkabohne und Waldmeister, deren Duft es fast allein bestimmt. In Datteln zum Beispiel kommt das Molekül ebenfalls vor, ist dort allerdings nicht aromabestimmend. Viele Aromen kann man bereits künstlich herstellen, und beigefügte Schlüsselaromen suggerieren, dass das entsprechende Gewürz tatsächlich in der Speise ist. Das kann aber nie den vollen Duftumfang eines Gewürzes ersetzen. Deutlich wird dies, wenn Convenience-Lebensmittel etwa als Erdbeerjoghurt ausgewiesen werden. Der Duft nach Erdbeeren lässt sich zwar erahnen, allerdings kann mit dem Zusatz einiger weniger Aromamoleküle kaum das ganze Spektrum von Erdbeeren nachgeahmt werden – ganz zu schweigen von unterschiedlichen Sorten. Genauso wenig hat VANILLIN, das Schlüsselaroma der Vanille, als Einzelzutat mit dem breiten, tiefen Duft von Vanilleschoten gemein.

DIE AUSWAHL DER INHALTSSTOFFE IM KAPITEL KRÄUTER, GEWÜRZE & MEHR

Kräuter und Gewürze tragen eine Vielzahl von Aromastoffen in ihren Zellen, die ihren ganzen Charakter bestimmen. Beileibe nicht alle dieser „Chemikalien“ sind aufgelistet – dies würde den Rahmen dieses Handbuchs sprengen. Die Auswahl der gelisteten Stoffe erfolgte nach einer ganzen Reihe von Kriterien. Zum einen war natürlich – wenn vorhanden – die duftbestimmende Komponente, das Schlüsselaroma, entscheidend. Der Duft der Mehrzahl der Kräuter und Gewürze wird allerdings durch ein ganzes Spektrum an Aromastoffen bestimmt die aufgeführt sind. Wichtig sind demzufolge das Lösungsmittel – Wasser, Alkohol oder Fett –, die Flüchtigkeit der Aromastoffe, ihre Geruchsschwelle und die damit verbundene „Geruchsaktivität“. Des Weiteren wurde stets das am deutlichsten wahrgenommene Aroma der jeweilig vertretenen Molekülgruppe aufgeführt. Ebenso wurde so weit wie möglich und soweit überhaupt bekannt die Veränderung der Aromen während des Kochens berücksichtigt. Durch diese Kriterien ergibt sich eine deutliche Charakteristik für jedes einzelne Kraut und Gewürz, die in den kurzen, gewürzspezifischen Rezepten nochmals herausgearbeitet wird. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse lassen sich direkt auf die eigene Würz- und Kochpraxis übertragen und erlauben ein anderes Würzen, abseits der gewohnten Pfade.

Aroma - Die Kunst des Würzens

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