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1. Heilpraktiker

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Wer berufsmäßig Heilkunde ausübt, ohne als Arzt bestallt zu sein, braucht hierzu eine Erlaubnis. So schreibt es das Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz – HeilprG) vom 17.2.1939 vor.[5] Dabei enthält § 1 Abs. 2 HeilprG eine Legaldefinition: Heilkunde ist jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen, auch wenn sie im Dienste von Anderen ausgeübt wird.

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Die damit verbundene Beschränkung der Berufswahlfreiheit ist grundsätzlich mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar.[6] Zum Schutz der Gesundheit als besonders wichtiges Gemeinschaftsgut ist die subjektive Berufszulassungsschranke nicht unverhältnismäßig. Dabei geht es um eine präventive Kontrolle, die nicht nur die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, sondern auch die Eignung für den Heilkundeberuf im Allgemeinen erfasst.[7]

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Die Unklarheit, welche Tätigkeiten durch diese Definition dem Arzt vorbehalten sind und welche für die Durchführung durch den Heilpraktiker übrig bleiben, hat zu einer umfangreichen Kasuistik[8] geführt. Das BVerfG[9] hat den Bereich des eher esoterischen „Geistheilens“ aus dem Heilkundebereich „hinausdefiniert“. Vielmehr sind die Patienten darauf hinzuweisen, dass die Maßnahme (im konkreten Fall „Handauflegen“) eine ärztliche Behandlung nicht ersetzen kann. Geburtshilfliche Tätigkeit ist dem Heilpraktiker untersagt (§ 4 HebammenG). Die Ausübung der Zahnheilkunde ist ebenfalls nicht durch das HeilprG gedeckt.[10] Will ein Zahnarzt jenseits seiner zahnärztlichen Approbation heilkundlich tätig sein, bedarf er einer Erlaubnis nach dem HeilprG.[11] Wollen Physiotherapeuten selbstständig, also nicht nur aufgrund ärztlicher Verordnung tätig werden, bedürfen sie formal einer Erlaubnis nach dem HeilprG, die ihnen jedoch nach überwiegender Auffassung der Rechtsprechung auf Antrag ohne weitere Prüfung, allerdings beschränkt auf physiotherapeutische Tätigkeiten, erteilt wird.[12] Eine Verpflichtung zur Führung der Heilpraktikererlaubnis nach außen besteht nicht. Dürfen heilkundliche Tätigkeiten in anderen Ländern auch ohne Heilpraktikererlaubnis ausgeübt werden, führt dies nicht zu einer Erlaubnisfreiheit in Deutschland.[13] Nach herkömmlicher Auffassung sind Heilpraktikereigenschaft und Approbation miteinander unvereinbar.[14] Dem hat der VGH Kassel[15] aus Sicht des HeilprG für den Fall des Entzugs der Heilpraktikererlaubnis im Falle der späteren Erlangung der Approbation widersprochen. Mit der Frage des Entzugs der Approbation bei gleichzeitiger Tätigkeit als Heilpraktiker hat sich der VGH jedoch nicht befasst.[16] Aus Sicht des ärztlichen Berufsrechts ist der Fall anders zu beurteilen. Heilpraktiker und Arzt erfüllen – auch aus Sicht der Patienten – unterschiedliche Anforderungsprofile. Während der Arzt zur Ausübung der gesamten Heilkunde (unter Einschluss naturheilkundlicher Verfahren) berechtigt ist, deckt der Heilpraktiker nur einen sehr kleinen Ausschnitt ab. Ob er dabei der sog. „Volksgesundheit“[17] dient, mag mit guten Gründen bezweifelt werden. Andere hoch entwickelte Gesundheitssysteme in Europa kommen sehr gut ohne dieses Relikt aus der Vorkriegszeit aus.[18] Der Versorgung der Bevölkerung mit Gesundheitsleistungen tut dies keinen Abbruch.

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Aus gutem Grund ist die gleichzeitige Bezeichnung als „Arzt und Heilpraktiker“ unzulässig.[19] Dem entsprechend eingestellten Patienten würde durch diese Bezeichnung ein „mehr“ an Kompetenz vorgespiegelt, das dieser Arzt gegenüber einem Arzt mit der Berechtigung zum Führen der Zusatzbezeichnung „Arzt für Naturheilverfahren“ nicht hat. Der Einwand von Taupitz,[20] das bloße Innehaben der Heilpraktikererlaubnis ohne ihre praktische Ausübung könne alleine nicht zum Entzug der Approbation führen, schließlich dürfe ein Arzt ja auch Taxi fahren oder andere Berufe ausüben, hat Einiges für sich. Dennoch spricht die Verwandtschaft beider Berufsbilder in der Laiensphäre gegen ein gleichzeitiges Bestehen beider Berufsbilder in einer Person. Während der Ärzteschaft insgesamt zu Recht die kompetente Betreuung der Bevölkerung überantwortet werden kann, gilt dies für die Heilpraktiker gerade nicht. Ein Arzt, der den Weg zum „Arzt für Naturheilverfahren“ ablehnt, und für sich stattdessen die Option offen hält, „nicht-ärztlich“ zu behandeln, muss sich entscheiden. Zu Recht kann ihm daher bei Aufrechterhaltung der Approbation eine Heilpraktikererlaubnis versagt werden.[21] Konsequenz ist, dass auch eine gemeinsame Berufsausübung von Ärzten und Heilpraktikern unzulässig ist. Der Heilpraktiker zählt nicht zu den Katalogberufen des § 23b MBO. Teilweise wird die Möglichkeit einer Praxisgemeinschaft (Organisationsgemeinschaft) für möglich gehalten, wenn die Verantwortungs- und Nutzungsbereiche klar getrennt sind.[22] Entscheidend ist aber auch dann, dass der Außenauftritt dieser Kooperation beim unbefangenen Betrachter nicht den Eindruck einer beruflichen Kooperation erweckt.

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Die Durchführungsverordnung zum Gesetz über die berufsmäßige Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung (Heilpraktikergesetz)[23] enthält in § 2 eine Reihe von Ausschließungsgründen für die Erlaubniserteilung als Heilpraktiker. Diese Vorschrift ist im Rahmen des Dritten Pflegestärkungsgesetzes neu gefasst worden.[24] Sie macht insbesondere die vom BMG neu überarbeiteten bundeseinheitlichen Leitlinien für die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verbindlich.[25] Keine Erlaubnis erhält demnach, wer das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nicht mindestens eine abgeschlossene „Volksschulbildung“ nachweisen kann, wem die sittliche Zuverlässigkeit fehlt, insbesondere wenn schwere strafrechtliche oder sittliche Verfehlungen vorliegen, wer in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufes ungeeignet ist oder wenn sich aus einer Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers durch das Gesundheitsamt ergibt, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden eine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung bzw. der aufsuchenden Patientinnen und Patienten bedeuten würde.

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Wie die Überprüfung durch das zuständige Gesundheitsamt gestaltet wird, ist in der Durchführungsverordnung nicht geregelt und damit in das pflichtgemäße Ermessen des Gesundheitsamtes gestellt.[26] Entsprechende Vollzugsvorschriften haben die Länderministerien auf der Basis von Leitlinien für die Überprüfung von Heilpraktikeranwärtern erlassen. Der Überprüfung kommt der Charakter einer „Eignungsprüfung“ zu; eine medizinische Fachprüfung erfolgt nicht. Allerdings können bei der Überprüfung der Kenntnisse und Fähigkeiten auch allgemein-heilkundliche und Grund-Kenntnisse abgefragt werden. Dabei werden u.a. hinreichende Kenntnisse in Anatomie, Physiologie, Pathologie sowie in Diagnostik und Therapie erwartet.[27]

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Über die Zulassung entscheidet die untere Verwaltungsbehörde im Benehmen mit dem Gesundheitsamt. Im Übrigen haben die Länder durch entsprechende Verordnungen Zuständigkeiten ihrer Behörden bei der Erteilung der Heilpraktikererlaubnis festgelegt.

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Heilpraktiker sind keine im Sinne des Sozialgesetzbuches zugelassenen Leistungserbringer.

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