Читать книгу Die vierzehnte Etappe - Tim Krabbé - Страница 10
ОглавлениеDIE JAGD AUF KNETEMANN (1980)
Meinen Vereinskameraden (vom GGMC) Gerrie Knetemann sah ich zum ersten Mal 1973 bei einem Rennen für Amateure in Ouderkerk aan de Amstel. Nach einem spannenden Kampf ging er mit einem entscheidenden Vorsprung in die letzte Runde, zusammen mit einem zweiten Fahrer, dessen Rückennummer ich im Programmheft suchen musste. Es war H. Jacobs aus Ouderkerk aan de Amstel. Ich, der sich für einen erfahrenen Kenner hielt, fühlte, wie das ausgehen würde. Aber im Spalier aus Menschen an der Ziellinie wurden die Chancen frei besprochen. »Jacobs hat eine gute Chance, der Knetemann ist nicht so furchtbar schnell«, hörte ich jemanden sagen. »Das stimmt schon«, sagte ein anderer, »aber in einem Zweiersprint ist er nicht zu schlagen.« Ich habe keine Ahnung, wer das sagte, aber er hat sich später als Kenner erwiesen.
Und mein Wissen über Siege vor der eigenen Haustür hat seitdem an Finesse zugelegt. So ein Heimsieg ist, vor allem bei den Profis, so viel wert, dass andere Teilnehmer entweder eine Vergütung für ihre Mitarbeit bekommen oder zusammen Absprachen treffen, um dem Lokalmatador den Mehrwert des Sieges vorzuenthalten.
Aus dem Wissen heraus, dass Huub Zilverberg (ein herausragender Fahrer aus den 1960er Jahren) nie die Ronde van Goirle gewinnen konnte, kann man gleichzeitig zwei Schlussfolgerungen ziehen: Zilverberg wohnte in Goirle und er mochte es gar nicht, Siege zu kaufen. »Es gab Fahrer, die nicht mal gut waren, aber trotzdem gewannen. Nur, wenn sie ein Rennen gewannen, hatten sie noch nichts verdient. Wenn du verstehst, was ich meine. Ich ging nie zu einem Rennen, um als Erster in der Zeitung zu stehen und trotzdem keinen Cent verdient zu haben.«
So ein Zitat von Zilverberg in dem Buch Alleen op kop von Gijs Zandbergen. Es muss erwähnt werden, dass er in einem Atemzug auch an der Richtigkeit seiner Haltung zweifelt. »Denn es sind die Ergebnisse, die die Höhe deines Vertrags bestimmen.«
Seit einigen Jahren ist die Vereinszeitschrift des GGMC mit einem Umschlag versehen, auf dem Knetemanns berühmtester Zweiersprint abgebildet ist: dem gegen Moser auf dem Nürburgring, bei der WM 1978.
Mit deutlich beschränkten Mitteln ist Knetemann eine wahre Vedette geworden. Unaufhörlich betont er, dass er trotz allem ein ganz normaler Junge geblieben ist, aber abgesehen von diesem fast berufsmäßigen Nichtbesitz von Allüren ist er in der Tat immer noch die gleiche offene, witzige und dominante Persönlichkeit wie früher. Aber ich sollte lieber darüber erzählen, wie er fährt, das habe ich nicht umsonst einige Zeit aus der Nähe miterlebt.
Während des gesamten Frühlings 1975, in einem Versuch, alle verlorenen Jahre gleichzeitig wieder aufzuholen, machte ich beim täglichen Training der Profis aus Amsterdam mit. Zumindest beim mittäglichen Teil, hundert Kilometern – sie hatten morgens schon eine Runde von achtzig Kilometern hinter sich. Damit ich mein Training ins rechte Licht rücke, führe ich mal gleich eine neue Person ein, einen schweigsamen Herren von sechsundfünfzig Jahren (laut des einzigen Rennfahrers, der behauptete, jemals mit ihm gesprochen zu haben), der, auf einem Sportrad mit normalem, geradem Lenker, auch bei diesen Trainingsfahrten von Knetemann dabei war. Es gibt nun mal eine feste Durchschnittsgeschwindigkeit für längere Trainingsausfahrten, ungefähr zweiunddreißig Kilometer pro Stunde. Und das können Fahrer von sehr unterschiedlichem Niveau schaffen.
Manchmal, des eintönigen Mahlens überdrüssig, attackierte jemand, was lediglich zur Folge hatte, dass er das ganze restliche Stück alleine nach Hause fahren musste. Aber manchmal passierte es auch, dass so eine Attacke beantwortet wurde, dass neue Attacken folgten, und bevor man sich versah, war es ein richtiges Rennen. Der sechsundfünfzigjährige Herr wurde dann abgehängt, und nicht nur er.
Ganz besonders gut erinnere ich mich an die Ausfahrt vom 6. März 1975, durch das Hinterland bis nach Katwijk und wieder zurück durch die Dünen. Wir hatten einen starken Wind im Rücken, was das Ereignis danach noch eigenartiger macht. Auf dem Dünenpfad, sofort hinter Langevelderslag, attackierte Knetemann. Es bildete sich eine Gruppe von acht Mann, in der mit völliger Hingabe Jagd auf ihn gemacht wurde. Aber obwohl in der Gruppe ordentliche Profis waren wie Smit, Janbroers, Balk und dazu namhafte Amateure, kamen wir keinen Meter näher ran. Dass ich nicht abgehängt wurde und, nur aus Pflichtgefühl als Chronist, irgendwie das letzte Hinterrad halten konnte, kommt mir jetzt unbegreiflich vor. Ansonsten erinnere ich mich nur daran, wie ich ab und an verzweifelt über die Rücken der Jäger hinweg zu Knetemann schaute, aber jedes Mal war er noch hundert Meter weiter vorn.
Das ging so bis Zandvoort. Dort erst ließ er sich einholen. Über diese Jagd wurde danach viel gesprochen, öfter als über den Zusammenstoß von Klaas Balk mit einem Auto, ein paar Kilometer weiter in Haarlem, der das Ende seiner Karriere bedeutete.