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DAS MITERLEBEN VON ETWAS HEITEREM (1980)

Ein befreundeter Fahrer kam vor kurzem bei einem Rennen in Belgien zu Fall. Er hatte eine Kniewunde, und die Umstehenden und auch er selbst kamen zu dem Schluss, dass ein Krankenwagen kommen musste, um ihn ins Krankenhaus zu bringen. Der Krankenwagen kam schnell, aber die Fahrt dauerte lange: Der Fahrer konnte das Krankenhaus nicht finden. Da er außerdem ausschließlich Französisch sprach und man sich in einem rein flämischen Gebiet befand, war es mein Freund, der einige Male aussteigen musste, um den Weg zum nächstgelegenen Krankenhaus zu erfragen.

Sollte er also irgendwann mal gefragt werden, ob er jemals etwas Heiteres beim Radrennen erlebt hat, kann er Ja sagen. Selbst würde ich am liebsten antworten: Ich musste mal an einem geschlossenen Bahnübergang warten. Meine bescheidene Sehnsucht, so etwas auch einmal mitzuerleben, ist aber nie in Erfüllung gegangen, auch nicht in der Luxemburg-Rundfahrt der Senioren, die ich letzte Woche bestritt und die sich dafür, als Etappenrennen, besonders gut geeignet hätte. Wir hatten in Luxemburg unser eigenes Begleitfahrzeug, das aber Probleme mit der Batterie hatte; wir haben es Etappe für Etappe kurz vor dem Start anschieben müssen, zum Entsetzen unseres Soigneurs, der den Effekt seiner lang andauernden Massagen in Sekunden in Rauch aufgehen sah.

Das fand ich erheiternd. Bei der letzten Etappe fiel mir beim Start eine Gummitülle auf, die aus der Trikottasche des Fahrers mit der Nummer 50 herauslugte. Manchmal fuhr ich eine Zeitlang an seinem Hinterrad, dann dachte ich: Was kann das denn sein, dass er das Ding so treu die furchtbaren Anstiege mit hochschleppt? Erst nach einer guten Stunde, wir fuhren mit einer kleinen Gruppe Übriggebliebener an der Mosel entlang, wurde es klar, als Nummer 50 rhythmisch auf seine Rückentasche drückte, kurz unter der Tülle. Man hörte einen schönen Ton. Es war eine Hupe! Allen Entbehrungen zum Trotz hatte er das Teil mit sich mitgeschleppt und jetzt hupte er, um uns zu amüsieren.

Ein Gefühl des Mitleids überkam mich, aber andererseits fand ich es extra schade, dass jetzt kein geschlossener Bahnübergang kam: Dann hätte ich die Hupe aus der Trikottasche von Startnummer 50 herausgeholt und vor seinen Augen mit meinen Hacken darauf herumgetrampelt.

Später an diesem Tag büßte ich meine letzte Chance ein, die Etappe zu gewinnen, weil ein Fahrer entscheidend aus der Spitzengruppe wegsprang. Aber bei der Einfahrt in den Zielort traute ich meinen Augen kaum: Er fuhr mir entgegen und bog links ab, wo ich nach rechts musste. Er hatte den Abzweig verpasst, hatte inmitten des ungerührt fließenden Verkehrs seinen Irrtum bemerkt und war umgedreht. So behielt er von seinen zweihundert Metern Vorsprung bis zum Ziel noch zehn Meter bis zu mir übrig.

Streckenirrtümer sind eine unerschöpfliche Quelle heiterer Geschichten; in Luxemburg wurde vor allem unser Zeitfahren verunstaltet, weil ein Gendarm, der bei einer unübersichtlichen Kurve aufpassen sollte, stattdessen auf einer Mauer saß und sich unterhielt. Viele Fahrer verloren dort Zeit, weil sie umdrehen mussten, aber unser Favorit Jan van der Horst verausgabte sich so, dass er seinen Irrtum erst im nächsten Dorf bemerkte. Zum Glück durfte er sein Rennen wiederholen. Er gewann dann.

Unter der Dusche erzählte er, dass er anfing zu zweifeln, weil die Menschen auf den Gehwegen den Eindruck machten, dass er der erste Radrennfahrer war, den sie an diesem Abend sahen. »Stell dir vor, dass du auf solche Art und Weise auf der Strecke eines anderen Zeitfahrens gelandet wärst«, sagte ich, »und dass dir dort wieder zugejubelt wird und so immer weiter durchs ganze Land«, aber dazu hatte er eine wahre Geschichte in petto.

In einem Wettkampf für Berufsrennfahrer in Belgien, Ende der sechziger Jahre, bekam der damals sehr bekannte Niederländer Eddy Beugels einen Platten. Nach einiger Zeit wurde die Panne von seinem Vater behoben, der dem Rennen im Auto folgte, aber es war zu spät, um das Peloton noch einzuholen. Deshalb stieg Beugels mit Fahrrad und allem Drum und Dran ein, sein Vater schnitt ein Stück der Strecke ab, und als Beugels die große Gruppe in greifbarer Entfernung vor sich sah, stieg er wieder aus und begann eine wundervolle Verfolgungsjagd, die von Erfolg gekrönt wurde. Er war wieder zurück im Peloton. Aber als er um sich herum schaute, erkannte er keinen einzigen Fahrer: Er war in einem Rennen für Junioren gelandet.

Die vierzehnte Etappe

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