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RASSE UND GLAUBEN (1981)

Ich habe eine Briefmarke aus Nigeria mit zwei Eisschnellläufern drauf. Sie passt gut in meine Serie aus Ajman, einem der Vereinigten Arabischen Emirate. Auf der 95er Marke ist Anquetil abgebildet, auf denen über 85 und 75 Dirham dann Van Loy und Gimenez (beide also falsch geschrieben), und so geht es, den Portowert betreffend, immer weiter runter über Gaul (50 Dirham), Bahamontes und Bobet (ex aequo, mit einem Rückstand von 60 Dirham) bis hin zu Coppi, der mit 10 Dirham lediglich Baldini noch hinter sich lässt.

Es ist zweifelhaft, ob jemals ein Terrorist während seiner Ausbildung in Ajman eine Ansichtskarte für zu Hause mit dem Antlitz von Altig frankiert hat, und jetzt wo ich darüber nachdenke: Es ist schon wieder etliche Jahre her, dass ein Fahrer aus einem Emirat die Tour de France zu Ende gefahren ist, wobei auch die Eisschnellläufer aus Nigeria international gesehen bislang wenig Ergebnisse erzielen konnten.

Diese auffällige Abwesenheit sorgt, wissenschaftlich betrachtet, für die ausgezeichnete Hypothese, dass Araber kein Rennrad fahren können und Schwarze nicht Schlittschuh laufen. Man ist heute schon fast unanständig, indem man feststellt, dass die Haut eines Schwarzen schwarz ist, aber wer glaubt, dass die Rassenmerkmale eines Pygmäen ihn ungeeignet für Basketball machen, muss im Prinzip auch dazu bereit sein zu glauben, dass bestimmte Rassen ganz besonders geeignet oder ungeeignet sind für bestimmte Sportarten. Verblüffend ist, dass sich nichts davon als wahr herausstellt. Wie unterschiedlich gebaut die Sportler auch sind, die am Start stehen, wie durch ein Wunder stellt sich heraus, dass sie gleiche Chancen haben.

Theorien gehen unter wegen der Gegenbeispiele. Lange dachte man, dass Schwarze (beim Laufen) besonders gut im Sprint wären und Weiße auf den Langstrecken, und es gab sogar eine ernsthafte Erklärung, die etwas mit den Unterschieden der Kniegelenke zu tun hatte.

Die Unterschiede gibt es jetzt bestimmt immer noch, aber seit Keino und Bikila und all den anderen schwarzen Langstrecken-Weltmeistern braucht man sie nicht mehr für Erklärungen. Auch Nakano spart den Schädelmessern des Sports das Kopfzerbrechen. Es ist noch gar nicht lange her, dass Klaas Balk, ein bedeutender niederländischer Bahnsprinter und jahrelanger Teilnehmer an Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften (Vierter beim 1.000-Meter-Zeitfahren in München 1972), bis zum Umfallen damit geärgert wurde, dass er einmal in der Serie eines Sprintturniers einem Japaner unterlegen war.

Einem Japaner! Die machten schon seit Jahren mit und waren die ausgemachten Verlierer, immer sportlich, nahezu niedlich in ihrem Ernst, dazu verdammt, in alle Ewigkeit auf niederschmetternde Art und Weise geschlagen zu werden. Das hatte nicht nur etwas mit dem Exotischen ihrer Nationalität zu tun, sondern auch mit ihrer Rasse: Sie waren zu weich und zu mollig, und sie lächelten viel zu viel.

Das ist also widerlegt; es ist schade, dass Nakano keine ernsthaften Gegner hat, sonst könnte man an etwas anderem als seinen Zeiten sehen, dass er zu den ganz Großen in der Sprintgeschichte gehört.

Schwarze glänzen nicht nur beim Eisschnelllauf mit Abwesenheit, sondern auch beim Radsport. Das ist ein merkwürdiges internationales Phänomen; in acht Jahren Radrennen in den Niederlanden bin ich nur ein Mal einem begegnet. Ein kultureller Zufall muss das wohl sein, aber ein hartnäckiger, denn in der gesamten Radsportgeschichte ist nur ein schwarzer Fahrer bekannt geworden, der legendäre amerikanische Sprinter Major Taylor, der 1899 als Zwanzigjähriger Weltmeister wurde. (Vor fünfzigtausend Zuschauern und gegen hundertachtzig andere Fahrer; Nakano hatte acht Gegner.)

Zehn Jahre lang schlug Taylor überall auf der Welt alle berühmten Sprinter und stellte allerlei Geschwindigkeitsrekorde auf, aber er gewann wenig große Preise und nie wieder die Weltmeisterschaft, so dass er dann doch ziemlich unbekannt geblieben ist. Er zahlte diesen Preis gerne für seinen Glauben, der ihm verbot, sonntags zu sprinten.

Das war erst mal ein Handicap.

Nachschrift 2015: In der Zwischenzeit hat sich viel geändert. Shani Davis war ein schwarzer Weltmeister im Eisschnelllauf, und es gibt immer mehr schwarze, japanische und chinesische Radrennfahrer im Profibereich. Die arabische Halbinsel (aber nicht die Emirate) spielen seit 2002 eine immer größere Rolle im Radsport. Damals fand die erste Ausgabe der KatarRundfahrt statt, 2010 kam die Tour of Oman hinzu, und 2016 richtet Katar die Weltmeisterschaften aus.

Als ich dieses Stück schrieb, war Nakano gerade zum fünften Mal hintereinander Sprintweltmeister geworden. Er sollte daraus eine Serie von zehn Siegen machen, von 1977 bis 1986.

Er war ein Star im Keirin, der japanischen Form des Bahnsprints, mit tausenden Profis. Seit 1980 ist Keirin auch Teil der UCI-Weltmeisterschaften, aber Japaner spielen dabei selten eine große Rolle. Vielleicht weil dieses westliche Keirin ein wenig anders ist, aber wahrscheinlich vor allem, weil die Besten zu viel damit zu tun haben, in Japan Geld zu verdienen. Nakano gewann in seiner Karriere zehn Millionen Dollar Preisgeld.

Die vierzehnte Etappe

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