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Was ist Achtsamkeit? Einführung in die Achtsamkeit

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Achtsamkeit ist in den letzten Jahren zu einem viel verwendeten Begriff geworden, dem wir in den unterschiedlichsten Bereichen begegnen. Egal ob im Arbeitsumfeld, in Freizeit, Beziehung, Sport oder im Bereich der Selbsterfahrung, Achtsamkeit wird immer wieder als Mittel angepriesen, um Stress zu lindern, das Leben zu entschleunigen, die Leistung zu verbessern, Kommunikation zu gestalten, und vieles mehr.

Tatsächlich haben klinische Studien nachgewiesen, dass Achtsamkeit einen positiven Einfluss auf unsere Stimmung haben kann, Hilfe bietet im Umgang mit chronischen Schmerzen und sogar Linderung in Fällen von Krebs und Multipler Sklerose. Andere Forscher haben nachgewiesen, dass Achtsamkeit dazu beitragen kann, das Gedächtnis, die Kreativität, die Aufmerksamkeitsspanne und die Reaktionsgeschwindigkeit zu verbessern. Aber nicht nur das: So verbessert Achtsamkeit auch unsere emotionale Intelligenz und lindert unser Stressempfinden. Kurzum, sie wirkt wie ein wahres Wundermittel, das einen positiven Einfluss auf alle Aspekte des Lebens zu haben scheint.

Was aber steckt hinter dieser Achtsamkeit? Was macht sie in so vielen unterschiedlichen Umgebungen und Feldern so wirksam? Oder handelt es sich etwa doch nur um einen weiteren Trend, der früher oder später verhallen wird?

Wie bei jedem Trend besteht die Gefahr, dass unser Interesse am Thema für eine kurze Zeit relativ hoch ist, dann aber ebenso rasch abflaut und wir uns einem neuen Spielfeld zuwenden. Das wäre schade, denn eine solche oberflächliche Begegnung mit dem Thema Achtsamkeit lässt uns keine Aussage darüber treffen, was Achtsamkeit ist und kann. Achtsamkeit ist weder ein Hobby noch eine Pflicht. Um zu verstehen, ob Achtsamkeit uns tatsächlich bereichern kann, bedarf es der Bereitschaft und der Beharrlichkeit, uns über längere Zeit mit ihr zu beschäftigen. Das liegt daran, dass Achtsamkeit eine Übung bzw. ein Training ist, das nur durch Wiederholung und Hingabe seine Wirkung und Vorteile für uns entfaltet.

Einmaliges Üben oder die theoretische Beschäftigung mit dem Thema sagen herzlich wenig darüber aus, ob und auf welche Weise Achtsamkeit das Leben bereichern wird. So wie wir Fahrradfahren nicht lernen, indem wir ein Buch über Fahrräder lesen, oder einmal das Fahrrad eines Bekannten in den Händen halten, so lässt sich auch Achtsamkeitspraxis nicht über Lektüre und Reflexion allein verstehen.

Zudem ist Achtsamkeit nichts Neues oder Esoterisches. Sie ist vielmehr eine typische menschliche Fähigkeit, die wir alle bereits besitzen und nutzen. Ein Werkzeug unseres Geistes, das wir tagtäglich im Gebrauch haben. Achtsamkeit ist die Fähigkeit, die es uns erlaubt, etwas in den Vordergrund unserer Aufmerksamkeit zu stellen und dort zu halten. Mit ihrer Hilfe gelingt es uns, Details und Veränderungen zu beobachten, in der Betrachtung zur Ruhe zu kommen und herauszufinden, wie es um unser Verhältnis zum Erlebten steht.

Als solche ureigenste menschliche Fähigkeit, gehört Achtsamkeit weder einer bestimmten psychologischen Linie noch einer Tradition oder Religion an. Wir treffen sie vielmehr überall dort, wo Menschen erkannt haben, wie wichtig es ist, zu lernen, unsere Aufmerksamkeit zu schulen und zu lenken.

Wenn Sie verstehen möchten, wie Achtsamkeit funktioniert, so stellen Sie sich Achtsamkeit als den Lichtkegel einer Taschenlampe vor. Wenn wir einen dunklen Raum betreten, zum Beispiel den Dachboden eines Hauses, dann sehen wir ohne Licht nichts. Wir erkennen die Gegenstände und die Ausmaße des Raumes nicht und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass wir uns stoßen, etwas umwerfen oder übersehen. Schalten wir dagegen die Taschenlampe an, so haben wir die Möglichkeit, einzelne Gegenstände voneinander zu unterscheiden. Wir können den Lichtkegel auf einem Gegenstand ruhen lassen, um die Details zu erkennen. Auf diese Weise können wir uns im Raum sicher und bewusst bewegen.

Wo ansonsten ein Gedanke den anderen jagt, entsteht durch Achtsamkeit ein ruhiger und sanfter Fokus. Das Innehalten verhindert, dass zu viele Reize und Gedanken auf einmal auf uns eindringen. Die Übung des stillen Beobachtens und Betrachtens führt dazu, dass sich nach und nach Beunruhigung und Rastlosigkeit legen. Der Geist kommt zur Ruhe, da er nicht ständig reagieren, kommentieren, bewerten und handeln muss. Ein ruhiger Geist erlaubt auch Herz und Körper, sich zu erholen.

Entspannung ist aber längst nicht der einzige Vorteil einer achtsamen Haltung. Das wäre auch wenig nachhaltig, denn am Ende jeder Achtsamkeitsübung begegnet uns unser Alltag wieder – und mit ihm unsere Gewohnheiten. Die kurzzeitige Entspannung geht schnell verloren, wenn unsere eingeübten Verhaltensmuster uns in die üblichen Stressreaktionen zurückführen. Deshalb schafft Achtsamkeit Raum zwischen den Reizen und unserer Reaktion auf diese – einen Handlungsspielraum.

Dieser Handlungsspielraum formt eine regelrechte Sicherheitszone zwischen einem Sinneseindruck, oder einem Gedanken und unserer Reaktion auf diesen. Dank des Platzes, der sich um unser Erleben schafft, können wir wahrnehmen, was geschieht, und dann bewusst auf das Erlebte reagieren. Wir sind nicht länger Spielball unserer Impulse und Gewohnheiten.

Durch achtsame Beobachtung wird es möglich, eingeübte Muster zu überdenken und zu ändern. Sei es in unserem alltäglichen Handeln, in der Beziehung zu uns selbst oder im Umgang mit anderen. Auf diese Weise führt uns Achtsamkeit in ein eigenverantwortliches Handeln, das sich des Stresses und Drucks annimmt und bereit ist, die zugrundeliegenden Dynamiken und Prozesse zu beleuchten. Achtsamkeit ist ein Erkenntnisprozess, indem wir nach und nach verstehen lernen, welche Handlungen uns unterstützen und welche uns hindern. Achtsamkeit ist auch ein Wachstumsprozess, indem wir das Erkannte schrittweise umsetzen.

Nicht zuletzt erkennen wir dadurch, welche bedeutende Rolle Beziehungen für unser Wohlbefinden spielen. Sowohl die Beziehung zu uns selbst als auch unsere Verbindungen mit anderen haben große Bedeutung für unsere Zufriedenheit, Ruhe und unser Glück. Achtsamkeit beobachtet die Dynamiken, die sich im Miteinander ergeben und sucht nach Wegen, Beziehung zu gestalten, die ein Mehr an Ruhe, Klarheit, Zuwendung und Vertrauen geben. Wir sind eingeladen, uns selbst und andere neu zu entdecken, mitsamt unseren Talenten und Schwachstellen.

Wachs mit mir!

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