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Prämonstratensische Mystik im Mittelalter
ОглавлениеMystische Elemente wie Visionen und Auditionen finden sich in zahlreichen Viten von Prämonstratensern, angefangen von den Viten Norberts. Sie stehen allerdings in hagiographischem Kontext und sind als historische Fakten nicht nachweisbar. Sicher trug auch die kontemplative Lebensweise der frühen Prämonstratenser zur Förderung mystischer Begnadungen bei. Zwei mittelalterliche Angehörige des Ordens gelten übereinstimmend als Mystiker, auch wenn Mystik hier nicht im engsten Sinne einer Vereinigung mit Gott aufgefasst werden kann: Hermann Josef von Steinfeld und Christina von Hane.
Hermann von Steinfeld157 (um 1160–1241) stammte aus Köln und trat in das Prämonstratenserkloster Steinfeld in der Eifel ein, wo er u. a. als Refektorar und Sakristan diente, aber auch in Schwesternklöstern als Seelsorger tätig war. Rigorose Askese und eine von den Mitbrüdern nicht immer verstandene mystische Marien-Frömmigkeit kennzeichnen sein Leben. Mystischer Höhepunkt ist die Vision seiner Vermählung mit Maria unter dem Beinamen Josef und des Tragens des göttlichen Kindes. In seinen heute als authentisch angesehenen Werken (Gebete und Hymnen an Christus, Maria, die hl. Ursula und ihre Gefährtinnen) zeigt sich eine gefühlsbetonte Brautmystik gegenüber Christus als Bräutigam der Seele. Im Gefolge Bernhards von Clairvaux zeichnet die Bildersprache Maria als eine am Symbol der Rose orientierte Minnedame, aber auch als »Schulmeisterin«, unter deren Rute zu leben keineswegs beschwerlich ist. Das Symbol der Rose kehrt wieder im Jubilus auf die hl. Ursula und ihre Gefährtinnen. Trotz vieler Parallelen (Rose usw.) zu den übrigen Werken ist die Verfasserschaft des ältesten bekannten Herz-Jesu-Hymnus ungesichert, des meist Arnulf von Löwen († 1150) zugeschriebenen Summi regis cor aveto, in dem eine auf das Mitleiden mit Christus zentrierte Passionsmystik zum Ausdruck kommt.
Christina von Hane158 (fälschlicherweise oft »von Retters« genannt, 1269–1292) wurde mit sechs Jahren dem Prämonstratenserinnenstift Hane bei Bolanden übergeben, wo sie 1281 die Profess ablegte. Ekstasen und Visionen, verbunden mit schweren Krankheiten, strengster Askese und Selbstpeinigungen, kennzeichnen ihr durch eine deutsche Vita überliefertes Leben. Ihre oft über Wochen dauernden Visionenreihen
Abb. 3: Vermählung des hl. Hermann Josef mit Maria, undatierte Zeichnung nach Antonis Van Dyck.
nehmen deutlichen Bezug zum liturgischen Kalender. Im Mittelpunkt steht eine starke Christusmystik, die das Kind in der Krippe ebenso einbezieht wie das schmerzhafte Miterleben der Passion Christi, eine enge Beziehung zu Maria als Lehrmeisterin klösterlicher Zucht, aber auch Betrachtungen über die Trinität und die hl. Weisheit. Die Verehrung der Gefährtinnen der hl. Ursula, von denen Hane Reliquien besaß, und die Sorge für die Armen Seelen im Fegefeuer sind weitere aus der Frömmigkeit der Zeit bekannte Erscheinungen. Christinas Mystik ist gefühlsbetont und innig. Trotz starker Individualität bleibt sie rückgebunden an Ordensobservanz und Liturgie.