Читать книгу Prosecco~Wellen - Ursula Flajs - Страница 17

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Shoppingmania

Als sie bei den ‚Tempeln der Kauflust‘ am Jungfernstieg ankamen, verstreuten sich die Freundinnen in verschiedene Richtungen.

Emma wollte sich nach einem Mitbringsel für ihre Mutter umsehen und steuerte ein Geschäft mit Deko- und Geschenkartikeln an. Sie überlegte, was ihrer Mutter gefallen könnte, während sie durch den Laden streifte. In einem Regal stapelten sich verschieden große Schachteln, die mit Blumenmotiven aus Garn beklebt waren. Ihre Mutter hatte früher leidenschaftlich gerne Gobelins gestickt. Emmas Elternhaus war mit diesen aufwändigen Bildern geschmückt gewesen. Ihr Vater hatte jedes Mal gelacht, wenn er einen weiteren Nagel in die Wand schlagen musste, und hatte gemeint, dass seine ‚stickwütige‘ Frau nicht aufhören würde, bis die Garnindustrie bankrott sei.

Als Emmas Vater starb, musste das Haus verkauft werden. In der kleinen Wohnung, die sie danach bezogen, war kein Platz für alle Bilder. Ihre Mutter verkaufte die meisten Gobelins auf dem Trödelmarkt und hörte auf, zu sticken. Vielleicht auch aus dem Grund, weil Emmas Vater die Bilder nicht mehr aufhängen würde. Zwei Jahre nach dem Tod von Emmas Vaters traf ihre Mutter den Tischler Ernst wieder, den sie aus ihrer Jugendzeit kannte. Die beiden waren im selben Dorf aufgewachsen. Ernst war gerade Witwer geworden, seine Ehe war kinderlos geblieben. Emmas Mutter war erst Mitte dreißig, eine Witwe mit einem Kind, die gerade so über die Runden kam. Er war ein gut situierter Mann, der einen Tischlereibetrieb besaß und in einer Villa lebte. Und er wollte sie heiraten, ihrer Tochter ein neues Zuhause geben. Auf eine bessere Partie hätte ihre Mutter nicht hoffen können.

Eine Szene, an die sich Emma ungern erinnerte, die sich aber bei ihr eingeprägt hatte, fiel ihr wieder ein. Ihr Stiefvater stand am Tag seiner Hochzeit gemeinsam mit Emma im Freien, sie warteten darauf, dass ihre Mutter im Hochzeitskleid aus dem Haus kam. Der zukünftige Mann ihrer Mutter streichelte Emmas üppige Locken und flüsterte: „Wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre und du zehn Jahre älter wärst, würde ich dich heiraten“, und zwinkerte ihr zu. Emma lachte verlegen und entzog sich seiner Berührung. Aber sie spürte intuitiv, dass diese Worte nicht angebracht waren. Sie war froh, als sich andere Hochzeitsgäste zu ihrem Stiefvater gesellten. Sie hatte mit niemandem darüber gesprochen und dieses Erlebnis für sich behalten – so wie vieles andere auch.

Gedankenverloren strich Emma über das bunt bestickte Motiv. Sie drehte die Schachtel um, dort stand: Made in China. Was konnte man für 7,95 Euro denn anderes erwarten? Aber sie war sich sicher, dass ihrer Mutter das Blumenmotiv gefallen würde. Emma hoffte, dass das Geschenk sie vielleicht an die glückliche Zeit mit ihrem ersten Mann erinnern würde.

Marie schlenderte durch das italienische Dessousgeschäft. Sie strich über ein Negligé aus Seide und bewunderte das edle Design. Sie hatte beschlossen, etwas Verführerisches zu kaufen, denn sie wollte Johannes wieder nach Hause locken. Je mehr sie darüber nachdachte, umso weniger konnte sie sich ein Leben ohne ihn vorstellen. Er musste einfach wieder zu ihr zurückkehren!

„Kann ich Ihnen helfen?“ Eine hübsche junge Verkäuferin war an Marie herangetreten. Sie trug einen engen schwarzen Rock und eine weiße tief ausgeschnittene Bluse, die ihren straffen Busen perfekt zur Geltung brachte.

„Danke, ich weiß noch nicht, was ich möchte.“ Marie blickte unschlüssig über die große Auswahl an Wäsche.

„Suchen Sie etwas für einen bestimmten Anlass?“ Die Verkäuferin lächelte.

„Nein, nein“, antwortete Marie etwas zu hastig.

„Bitte sehen Sie sich in Ruhe um und sagen Sie Bescheid, wenn ich Ihnen helfen darf.“ Mit einem aufmunternden Nicken entfernte sich die Verkäuferin, um Strümpfe auf einem Tisch zu sortieren.

Eine angenehme Verkäuferin, fand Marie. Sie konnte es nicht ausstehen, wenn sie in einem Geschäft vom Personal belagert wurde.

Marie trug immer hochwertige, aber zweckmäßige Wäsche. Vielleicht sollte sie etwas Transparentes kaufen, so wie Sandra? Beide Schwestern hatten eine sportliche Figur: schmale Hüften, schlanke Beine und kleine Brüste. Marie war jedoch größer als Sandra. Marie konnte alles tragen. Sie wusste, dass sie eine Modelfigur hatte, sie tat auch viel dafür. Sie machte drei Mal in der Woche Fitnesstraining, achtete auf ihre Ernährung und aß abends normalerweise nichts. Wenn Marie an den Alkoholkonsum dachte, der sich dieses Wochenende wahrscheinlich noch steigern würde, würde sie in der nächsten Woche eine strenge Diät einhalten müssen. Sie betrachtete ein cognacfarbenes Höschen-BH-Set aus transparenter Spitze. Marie nahm das aufreizende Ensemble in die Hand und stellte sich vor, was Johannes dazu sagen würde. Oder würde ihm etwas Schwarzes besser gefallen? Sie fand diese Farbe eher vulgär. Johannes wäre wahrscheinlich alles recht, weil er sie noch nie in einer so verführerischen Wäsche gesehen hatte.

„Dazu hätten wir auch passende Strumpfhalter.“ Die Verkäuferin war wieder herangetreten und präsentierte ein zartes Modell mit kleinen Satinschleifen. Marie fühlte sich für einen Augenblick ertappt und räusperte sich verlegen. Dann nickte sie anerkennend: „Oh, ja, das ist sehr schön! Das Ensemble möchte ich anprobieren.“ Wenn nicht jetzt – wann dann? Zeit für was Neues, motivierte sie sich.

„Gerne! Welche Größe darf ich Ihnen heraussuchen?“

Lilli sah sich in dem Spielwarengeschäft um. Vielleicht fand sie etwas Neues für ihre Barbie-Sammlung. Obwohl sie viel online erstand, gab es nichts Schöneres für Lilli, als in einem Fachgeschäft zu stöbern und das eine oder andere in die Hand zu nehmen.

Der Laden hatte eine große Auswahl an Barbie-Bekleidung. Lilli durchsuchte das Ballkleidersortiment und entdeckte darunter ein Brautkleid. An einem schulterfreien Silbertop war ein pompöser Volantrock mit Glitzersteinen angebracht. Dazu gab es einen ausladenden weißen Hut aus Tüll. Wie reizend! Sie besaß bereits fünf Brautkleider, aber dieses hier fehlte in ihrer Sammlung. Ihre Barbie Teresa würde darin umwerfend aussehen! Lilli freute sich schon darauf, die ganze Hochzeitsgesellschaft einzukleiden. Ihre Mutter hatte einmal gespottet: „Lilli! Willst du nicht selbst mal heiraten, anstatt ständig mit deinen Puppen Hochzeit zu spielen?“

„Würdest du noch einmal heiraten?“, hatte Lilli, zynischer als beabsichtigt, erwidert. Ihre Mutter war zusammengezuckt. Dann sagte sie schlicht: „Ich habe deinen Vater geliebt!“ Das war das Netteste gewesen, was sie seit Langem über Lillis Vater gesagt hatte.

Ihre Mutter kritisierte oft, dass sie so viel Geld für ihre ‚Spielereien‘ ausgab. Doch Lilli ließ sich von ihrer Barbie-Leidenschaft nicht abbringen. Sie musste keine Miete bezahlen und kam mit ihrem Verdienst gut zurecht. Obwohl Lilli keinen lukrativen Job hatte, konnte sie Geld für Dinge ausgeben, die sie glücklich machten: Kleidung, Barbies und Ausgehen.

Melanie streifte durch ein Sportbekleidungsgeschäft. An einem Kleiderständer hingen Markenshirts im Abverkauf. Perfekt! Sie schnappte sich ein blaues Shirt in XL für Jakob und eines in der Größe L für ihren dreizehnjährigen Sohn Max. Oder sollte sie beide Shirts in XL nehmen? Max trug gerne übergroße Kleidung, wie es bei Jugendlichen derzeit modern war. Melanie musste sich oft beherrschen, um die Schlabberhosen ihres Sohnes nicht mit einem Ruck nach oben zu ziehen, wenn er sie halb über sein Gesäß rutschen ließ. Sie überlegte kurz, dann nahm sie das zweite Shirt auch in Größe XL. Falls es Max zu groß war, konnte sie es selbst anziehen. Herrenshirts standen ihr sowieso besser, sie hatten wenigstens die richtige Länge!

Nach dem Bezahlen begab sich Melanie in eine Parfümerie. Sie ging ungern einkaufen. Von mir haben sie das nicht, war sich Melanie sicher, als sie sich ihre achtzehn- und zwanzigjährige Töchter vorstellte, die ganze Tage beim Shoppen verbrachten. Sie griff nach zwei kleinen Parfumflakons und eilte zur Kasse. Danach stand sie unschlüssig im weitläufigen Eingangsbereich des Kaufhauses herum und blickte in die vorbeiströmenden Gesichter. Die meisten Besucher machten einen gehetzten oder gelangweilten Eindruck. Shopping kann nicht glücklich machen, war sie überzeugt.

Melanie empfand kein Bedürfnis, im Gebäude zu warten, bis ihre Freundinnen fertig waren. Sie trat ins Freie und sog die frische Luft tief in ihre Lungen. Die Regenwolken hatten sich verzogen, stattdessen zogen ein paar Schäfchenwolken über den blauen Himmel. Menschenmassen strömten den Jungfernstieg entlang, während auf der Binnenalster ein paar Bootsbesitzer ihre ‚große Freiheit‘ genossen.

Als Melanie ans Ufer schlenderte, hörte sie Gitarrenklänge. Sie gesellte sich zu den Schaulustigen, die sich um einen Straßenkünstler scharten. Ein junger bärtiger Mann mit langen Haaren und speckiger Kleidung zupfte auf einer ramponierten Gitarre. Sein Gitarrenspiel war großartig! Mit geschlossenen Augen und entrücktem Gesichtsausdruck spielte er Hotel California. Melanie lauschte versunken der Melodie. Sie schloss ebenfalls ihre Augen, während sie im Takt mitwippte und das Gesicht in die Sonne hielt. Erst als das Handy in ihrer Tasche vibrierte, bemerkte Melanie die Tränen, die über ihre Wangen rollten.

„Ja!“, sie wischte über ihr feuchtes Gesicht.

„Was heißt hier – Ja? Wo bist du?“, brüllte Lilli zurück.

„Na, wo denn? In Hamburg!“, konterte Melanie dankbar, weil Lilli mit ihrem Anruf ihre Traurigkeit verscheuchte.

„Ha, ha, ha … du warst schon witziger“, meinte ihre Freundin, obwohl sie lachte.

„Ich bin hier, hier am Jungfernstieg!“ Melanie winkte über die Menschenmenge hinweg in Richtung des Kaufhauses. „Hier ist ein Straßenmusiker, der super Gitarre spielt!“

„Ja! Ich sehe dich!“ rief Lilli. „Wir kommen!“

Bepackt mit Einkaufstüten liefen die Freundinnen den Gitarrenklängen entgegen.

„Hört sich nicht schlecht an.“ Lilli schob sich, dicht gefolgt von Emma, durch die Menge nach vorne. „Hey!“ Lilli zupfte an Melanies Ärmel. „Das klingt ja wirklich gut!“ Sie schaute an ihrer Freundin vorbei auf den Gitarrenspieler, der auf einem grünen Seesack saß. „Sein Können sieht man ihm nicht an“, meinte Lilli, auch Emma hörte beeindruckt zu.

„Wo ist Marie?“ Melanie blickte suchend umher. Sie entdeckte Marie am Ufer der Binnenalster. „Jetzt steht sie schon wieder am Wasser“, sagte Lilli augenrollend. Sie erntete einen rügenden Blick von Emma, die sich sogleich aus der Menge schob und in Richtung Marie lief.

Melanie und Lilli lauschten weiter den Gitarrenkünsten des Straßenmusikers, bis er zu einem grandiosen Finale anhob und sich mit einer Verbeugung für die Spenden bedankte. Melanie, die großzügig einen Zehneuroschein in die Mütze fallen ließ, erntete ein extra Lächeln. „Seit wann spielst du?“, fragte sie den jungen Mann.

„Schon immer“, antwortete er in gebrochenem Deutsch. „Kann nix anderes.“ Er grinste Melanie an.

„Du könntest als Profimusiker arbeiten“, riet ihm Melanie.

„Bin doch Profi! Schau!“ Der Musiker breitete seine Arme aus und deutete auf die sich zerstreuende Menge. Als Melanie den entspanntglasigen Ausdruck in seinen Augen sah, sagte sie nichts mehr.

„Tja, mit einem Tütchen kann man es sich auch fein machen“, murmelte Lilli wissend in Melanies Ohr.

„Halt die Klappe!“, zischte Melanie, obwohl sie dasselbe gedacht hatte.

Falls der junge Mann etwas von ihrem Getuschel mitbekam, ließ er es sich nicht anmerken. Lilli spendete zwei Euro, dann zog sie Melanie mit sich fort. „Komm, gehen wir zu Marie.“

„Ja, und dann müssen wir zuerst was trinken!“ Melanie ließ an ihrer Entschlossenheit keinen Zweifel.

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