Читать книгу Prosecco~Wellen - Ursula Flajs - Страница 22

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Glückstag?

„Na wenigstens sind jetzt alle Schäfchen wieder im Stall“, kommentierte Lilli Sandras Auftritt lapidar.

„Wie bitte?“, fragte Sandra beiläufig. Denn eigentlich war sie nicht an der Antwort interessiert, stattdessen wollte sie lieber ihre Neuigkeit loswerden.

„Das sollen dir die anderen erzählen“, erwiderte Lilli, die keine Lust auf weitere Erklärungen hatte. Mit einem Seufzer warf sie sich auf ihr Bett. Auch die anderen machten nicht den Eindruck, als wollten sie große Erklärungen abgeben, und dass Laura wieder da war, nahm Sandra ungerührt zur Kenntnis.

Eindeutig – Hirntod durch Liebestaumel. Lilli gähnte augenrollend zur Decke.

„Gut, dann erzähl ich jetzt mal.“ Sandra setzte sich auf Lillis Bettkante und strahlte begeistert in die Runde. „Ich werde Dimitri dabei unterstützen, ein Transportunternehmen zu gründen!“ Sandra wartete auf die Reaktionen ihrer Freundinnen, aber alle starrten sie nur verständnislos an. Sie ließ sich nicht beirren und berichtete weiter: „Dimitri hat in Weißrussland einen Bruder, der für eine Spedition arbeitet. Aber als Angestellter wird man dort nur ausgebeutet. Dimitri spart schon lange für einen eigenen Lastwagen, doch es reicht noch nicht. Wenn er genug Geld hat, kann er sich mit seinem Bruder selbstständig machen. Darum helfe ich ihm!“

„Du willst ihm einen Lkw kaufen?“ Lilli schwang sich wieder auf, sie starrte ungläubig auf ihre Freundin. „Weißt du, was so ein Ding kostet?“ Stehst du unter Sexdrogen? Nur mit äußerster Mühe konnte Lilli verhindern, diese Vermutung laut auszusprechen.

„Selbstverständlich keinen neuen Lastwagen! Aber gebrauchte kann man in Weißrussland günstig kaufen. Für zirka 35.000 Euro bekommt man schon etwas Ordentliches“, erklärte Sandra, als wäre der Lkw-Handel ihr Spezialgebiet.

„Du willst Dimitri einen Lastwagen für 35.000 Euro kaufen?“ Melanie hatte ihre Stimme wiedergefunden, Marie schüttelte nur fassungslos den Kopf.

„Natürlich hat Dimitri schon einiges angespart. Ich unterstütze ihn nur dabei.“ Wie viel Dimitri gespart hatte und wie groß ihr eigener finanzieller Beitrag war, verschwieg Sandra.

Für einige Minuten herrschte Schweigen, die einzelnen Gedanken hüpften jedoch betroffen umher.

Ich wusste es, Dimitri vögelt ihr das Hirn raus! Lilli schüttelte ihren Kopf.

Melanie starrte an die Decke. Die Drehbuchautoren von Seifenopern würden bei unseren Geschichten vor Neid erblassen.

Und ich hab geglaubt, peinlicher geht es nicht mehr! Maries Blick war auf den Boden geheftet.

Emma spielte mit ihrem Ohrring. Es ist besser, wenn man sich nie verliebt.

Ich weiß nicht, was die haben, dachte Laura. Wenn man schon Geld hat, kann man doch damit machen, was man will!

Sandra bestätigte unbewusst Lauras Gedanken. „Ich mache natürlich keine Schulden. Ich habe das Geld in den letzten Jahren gespart, und wenn das Geschäft läuft, bekomm ich es wieder zurück!“

„Und wie soll das mit euch beiden funktionieren, wenn Dimitri in Weißrussland mit dem Lastwagen ‚rumgurkt‘?“ Lillis Einwand war berechtigt.

„Er wird Transporte nach Österreich durchführen. Er hat ein paar Kontakte in Tirol und möchte sich Geschäftspartner in Vorarlberg suchen. Der Mann von meiner Arbeitskollegin arbeitet bei einer Spedition. Da kann ich sicher was vermitteln“, gab sich Sandra zuversichtlich.

„Und welche Sicherheiten bekommst du von Dimitri?“ Melanie fand, dass Sandra mehr als nur leichtsinnig war.

„Oh, Melanie! Manchmal muss man einfach Vertrauen haben“, sagte Sandra schlicht, aber ihr eiserner Blick stellte klar, dass sie darüber nicht weiter diskutieren wollte.

Eigentlich sollte man nur sich selbst trauen. Emma stand dennoch auf und streckte Sandra ihre Arme entgegen. „Hut ab, Sandra! Ich freue mich, dass du so glücklich bist! Alles Gute euch beiden!“

Dankbar erhob sich Sandra, sie umarmte Emma. Lilli blieb sitzen und tätschelte Sandras Hintern, der sich auf ihrer Augenhöhe befand, wobei sie einen vielsagenden Blick in Richtung Melanie und Marie warf.

„Wir müssen nicht immer einer Meinung sein. Die Gedanken sind frei!“, verkündete Melanie, die wieder Spaß in den Gesichtern ihrer Freundinnen sehen wollte. Marie antwortete mit einem gleichgültigen Schulterzucken.

Melanie wandte sich an Laura: „Und du? Was machen wir jetzt mit dir?“

Laura sah sie treuherzig an: „Ich weiß nicht? Egal, nur nicht nach Hause …“

Melanie hatte sich vom Sofa erhoben und drückte Laura, die auf dem Sessel kauerte, an ihre Hüften. „Du bleibst erst mal bei uns und morgen überlegen wir gemeinsam, was wir machen. Bist du sicher, dass deine Mama dich nicht sucht?“

„Ja, ganz sicher nicht! Ich übernachte öfters bei einer Freundin oder so …“, stammelte Laura wenig überzeugend. Offensichtlich fand sie ihre Aussage selbst zu vage, denn sie fügte hinzu: „Mama ist sowieso nicht der mütterliche Typ.“

Über Lauras Kopf hinweg blickte Melanie in die Gesichter ihrer Freundinnen, in denen sich gleichzeitig Belustigung und Erschütterung über Lauras altklugen Kommentar zeigte. Melanie drückte Laura noch enger an sich. Obwohl Laura eingequetscht wirkte, verharrte sie zutraulich an ihrer Seite. Gott, wie schrecklich! Was muss das Kind mitgemacht haben, dass es so einen Spruch von sich gibt? Melanie blickte zu Lilli, die mit einem ratlosen Schulterzucken antwortete.

Dann folgte Lilli einer plötzlichen Eingebung und kramte in der Einkaufstüte, die seit dem Vortag neben ihrem Bett stand. Sie hatte genug von der gedrückten Stimmung im Raum und hoffte, dass Laura ein Fan von Barbiepuppen war. „Schau mal, Laura, was ich gestern gekauft habe.“ Sie präsentierte ihre Einkäufe.

Laura griff nach dem glitzernden Hochzeitskleid: „Oh, wie schön! Ich habe auch ein paar Barbies zu Hause. Ähm … die sind schon ziemlich alt“, fügte sie hastig hinzu. Vermutlich aus Angst, die Freundinnen könnten sie für noch jünger halten.

„Ich habe ein ganzes Zimmer voller Barbie-Sachen!“, erklärte Lilli dem staunenden Mädchen. „Inzwischen habe ich über dreihundert Barbies und jede Menge Zubehör: Häuser, Autos, Kutschen, Kleidung und so weiter …“

Laura war beeindruckt: „Wow! Hast du so viele Töchter?“

Lilli lachte ungeniert. „Nein, ich hab keine Kinder. Alles gehört mir! Ich sammle Barbiepuppen, seit ich ein kleines Mädchen war. Manche Leute tragen Porzellanfigürchen oder Vasen zusammen. Ich sammle Barbies!“

Laura konnte sich nicht vorstellen, wie viel Geld so eine Sammlung gekostet haben musste. Ihre Mutter hatte die Spielsachen immer im Secondhandladen gekauft. „Das geht eh’ bloß kaputt!“, hatte sie ihrer Tochter prophezeit. Laura besaß noch ein paar alte Barbies, mit denen sie heimlich spielte, weil ihre Mutter sonst spottete: „Du bist kein Kind mehr!“ Laura strich mit ihren kleinen Fingern über das prachtvolle Brautkleid und stellte sich ihre abgewetzte Barbie mit den verfilzten Haaren darin vor.

Lillis Augen waren Lauras Bewegung gefolgt. Sie bekam plötzlich das Gefühl, sie sähe sich selbst zu. Hastig wandte sie sich ab und kramte weiter in ihrer Einkaufstüte, damit niemand sah, dass Tränen der Rührung unter ihren Lidern brannten.

„Wie sieht es aus, Mädels?“ Melanie fand es wieder an der Zeit, Prioritäten zu setzen. Sie blickte fragend in die Runde. „Habt ihr nicht auch Hunger?“

Die Freundinnen beschlossen, in eine kleine Pizzeria zu gehen, die sie beim Vorbeilaufen am Ende der Straße gesehen hatten.

Entgegen ihrem schwachen Protest durfte Laura nicht allein im Hotel bleiben. Melanie meinte, dass Laura an die frische Luft müsse und etwas Nahrhaftes für ihre mageren Rippen brauche. Die Frauen liefen die belebte Straße entlang. Melanie legte den Arm schützend um Lauras Schultern. Sie funkelte jeden Mann finster an, der es wagte, einen Blick auf das Mädchen zu werfen.

Als sie sich in der Pizzeria einen großen Tisch ausgesucht hatten, gab Lilli die Bestellung in italienischer Sprache auf, was der Kellner mit einem verständnislosen Blick quittierte. „Typisch, diese Albaner, die sich als Italiener ausgeben“, nörgelte sie leise. Dennoch knabberten eine halbe Stunde später fast alle an den Ecken einer Familienpizza. Nur Marie begnügte sich mit einem Salat Caprese.

„Mmhhh …,“ bemerkte Melanie kauend. „Die Albaner machen aber gute Pizza.“ Sie nötigte Laura, die behauptete, keinen Hunger zu haben, ein Stück zu nehmen, und beobachtete zufrieden, wie das Mädchen es hinunterschlang. Ich habs doch gewusst! Melanie tätschelte Lauras Rücken.

Sandra, die in ihrem kurzen Röckchen dafür sorgte, dass gleich zwei Kellner regelmäßig den Tisch umschwirrten, fand die ruhige Stimmung am Tisch ungewöhnlich. „Und?“, fragte Sandra in die Runde, nachdem sie einen Schluck Wasser genommen hatte, „wie war die Reeperbahntour gestern Abend?“

Melanie nahm einen riesigen Bissen von ihrer Pizza und kaute mit entschuldigendem Schulterzucken. Emma kramte hektisch in ihrer Handtasche herum. Marie, die gelassen in ihrem Salat stocherte, antwortete gnädig: „Ich weiß es nicht. Ich bin im Hotel geblieben, aber es soll lustig gewesen sein.“ Lilli half der immer noch beschäftigten Emma und der kauenden Melanie aus, indem sie von der eindrücklichen Tour erzählte, ohne das Verschwinden der beiden zu erwähnen.

„Das klingt nach einem aufregenden Abend“, meinte Sandra. Sie wartete auf weitere Schilderungen von Melanie oder Emma, doch ihre Freundinnen schwiegen beharrlich. Sie wandte sich wieder an die gesprächigere Lilli: „Und wann seit ihr ins Bett gegangen?“

Lilli wurde einer Antwort enthoben, weil Melanie sich an einem weiteren Bissen so heftig verschluckte, dass sie einen Hustenanfall erlitt und Lilli ihr helfend auf den Rücken klopfen musste.

„Danke …“, krächzte Melanie.

„Irgendwann, ziemlich spät“, antwortete Lilli beiläufig nach ihrer Rettungsaktion.

Sandra fand die Stimmung zwar merkwürdig, aber sie vermutete, dass ihre Freundinnen verkatert waren und Emmas Wangen aus demselben Grund rosa leuchteten.

Laura saß still in der Runde und hörte dem Gespräch verwundert zu. Alte Leute können komisch sein. Warum sagen sie nicht einfach die Wahrheit? Sie dachte an ihre Freundin Gina, die wusste, wo Laura jetzt war, nachdem sie die letzte Nacht bei ihr geschlafen hatte.

Der gestrige Abend war als Gesprächsthema scheinbar ausgereizt, weshalb Sandra fragte: „Was steht heute noch auf dem Plan?“

Melanie hatte ihren Brocken endlich geschluckt. „Zuerst müssen wir noch mal proben“, nahm sie das unverfängliche Thema dankbar auf. Sie feuerte dennoch hinterher: „Du warst gestern ja nicht dabei!“, bevor sie wieder an ihrer Pizza knabberte.

„Das tut mir leid! Ich musste wegen des Geldtransfers einige Telefonate führen. Das Ganze hat länger gedauert, als ich erwartet habe. Dann haben Dimitri und ich gefeiert …“, erklärte Sandra gleichmütig.

Melanies Mund klappte auf und gewährte einen unappetitlichen Anblick auf den halbzerkauten Bissen in ihrem Mund: „Was …?

Sie wurde von Lilli abgewürgt, die ohnehin dieselbe Frage beschäftigte: „Dann hast du das Geld schon überwiesen?“ Sie klang bestürzt. Lilli hatte gehofft, dass Sandra zur Vernunft kommen würde, sobald sie wieder etwas Abstand zu dem Mann hatte, der derzeit mit ihrer Libido Salsa tanzte.

„Normalerweise müsste ich das persönlich machen, aber ich kenne meinen Finanzberater gut. Er hat einen unbürokratischen Transfer organisieren können“, berichtete Sandra.

Während Lilli überlegte, was „gut kennen“ bei Sandra wohl bedeuten könnte, ergriff Melanie das Wort: „Du meinst, Dimitri hat das Geld schon?“

„Ja! Wir haben den Betrag heute Morgen bei einer Poststelle abgeholt. Dimitri ist schon nach Weißrussland unterwegs, die Banken dort verlangen horrende Transfergebühren, darum hat er es lieber in bar mitgenommen“, erzählte Sandra gelassen.

Melanie war fassungslos, Lilli wirkte geschockt und Emma starrte ungläubig auf ihre Freundin. Nur Marie sprach aus, was allen durch den Kopf ging: „Sandra, du bist verrückt!“

„Vielleicht bin ich das“, gab Sandra zu, „aber ich habe einfach auf mein Herz gehört. Ich vertraue Dimitri und ich weiß, dass das zwischen uns etwas Besonderes ist! Auch wenn ihr es nicht verstehen könnt, er macht mich glücklich und ich mag ihn sehr.“ Sandras freimütiges Geständnis nahm ihren Freundinnen den Wind aus den Segeln. Melanie dachte an ihren Blackout-Sex mit Jens, Emma an ihre verborgenen Gelüste, Lilli an ihre sündteure Barbiepuppensammlung und Marie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal „Ich liebe dich!“ zu Johannes gesagt hatte.

Als Melanie spontan ihre Hand auf die Tischmitte legte, dauerte es nur wenige Sekunden, bis die Hände ihrer Freundinnen folgten und ein mehrstimmiges „Freundinnen!“ durch die Albanerpizzeria hallte.

Prosecco~Wellen

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