Читать книгу Prosecco~Wellen - Ursula Flajs - Страница 18

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Schwanengesang I

In einem kleinen Café unter den Alsterarkaden begutachteten die Freundinnen ihre Shoppingausbeute. Marie wollte ihren Wäschekauf zuerst nicht herzeigen, doch Lilli zerrte gnadenlos an der eleganten Papiertüte mit dem Aufdruck: Belladonna-Lingerie.

„Los! Raus damit!“, befahl sie.

„Jaaa … hier …“ Marie gab sich geschlagen und präsentierte ihr Reizwäsche-Ensemble. Sie erntete entzückten Beifall, stopfte ihren Einkauf jedoch hastig wieder in die Tüte, als sie die neugierigen Blicke der Gäste am Nebentisch bemerkte.

„Da will wohl jemand in die Offensive gehen!“, sagte Lilli. Sie bereute ihre taktlosen Worte aber umgehend. „Ich meine, du wirst sicher wunderschön darin aussehen“, versuchte sie ihren Fauxpas auszumerzen.

„Das weiß ich!“ Marie schlug ihre Beine übereinander und würdigte Lilli keines Blickes.

„Ich könnte so was nie tragen.“ Emma schaute wehmütig auf die Dessoustüte.

„Du bist nicht die Einzige.“ Melanie leerte ihr Glas mit Weißweinschorle und winkte dem Kellner. „Ich würde aussehen wie eine Dragqueen.“

„Hier tun sich ja ungeahnte Karrieremöglichkeiten für dich auf“, grinste Lilli.

Doch Melanie war inzwischen mit einer weiteren Getränkebestellung beschäftigt und verzichtete auf eine Erwiderung.

„Sollten wir nicht langsam zum Hotel fahren und proben?“ Marie hatte genug – vom Alkohol, vom Shopping und von Lillis verzichtbaren Kommentaren.

„Jetzt hetz doch nicht so, Marie! Wir haben noch Zeit.“ Melanie nahm einen ordentlichen Schluck von ihrem zweiten Getränk.

„Stimmt, wir sollten das Proben nicht vergessen“, erklärte sich Emma mit Marie solidarisch. Lilli nickte zustimmend.

„Das wird niemand vergessen, Emma!“ Melanie blickte ärgerlich auf ihre Freundinnen. „Warum seid ihr auf einmal so ungemütlich?“

„Wir sind nicht ungemütlich! Aber in unserem Alter braucht man gelegentlich Erholung zwischendurch.“ Lilli zwinkerte Melanie zu.

„Ja, du alte Frau!“, konterte Melanie und trank ihr Glas mit einem Zug leer. „Also dann! Auf geht’s, Mädels!“

Nachdem sie mit Mr. Fu Chang gesprochen hatten – er versicherte ihnen, dass es kein Problem sei, wenn um diese Zeit A-cappella-Gesänge aus ihrem Hotelzimmer zu hören waren, und dass er benachbarte Gäste informieren würde – versuchte Melanie, Sandra, die noch nicht von ihrem Date mit Dimitri zurück war, zu erreichen.

„Hab nichts anderes erwartet!“, schimpfte Melanie mit ihrem schuldlosen Handy, aus dem nur ein „Tut … Tut“ zu hören war.

„Sie wird schon noch auftauchen“, verteidigte Emma ihre abwesende Freundin, was von Lilli mit einem Augenrollen quittiert wurde.

„Dann singen wir ohne sie.“ Marie schürzte ungeduldig ihre Lippen.

Da ihnen nichts anders übrig blieb, stellten sie sich auf und sangen nach ein paar Stimmübungen ihr Repertoire durch.

„Emma, sing nicht: Just the way you aaare – du darfst den Ton nicht so lang halten, und Lilli, wie oft soll ich dir noch sagen, dass du nicht brüllen musst? Du bist laut genug!“ Nach ein paar Korrekturen war Melanie endlich zufrieden. „Gut, damit können wir gewinnen!“, meinte sie zuversichtlich.

Eine Stunde später waren die Frauen ausgehbereit. Emma trug einen engen dunklen Rock und eine luftige Chiffonbluse, durch die ihr schwarzer BH durchschimmerte. Die rotblonden Haare hatte sie locker hochgesteckt. Ein paar vorwitzige Locken umrahmten ihr Gesicht mit den blauen Augen und den Wangengrübchen.

„Wow, Emma, du siehst sehr sexy aus!“, bewunderte Lilli ihre Freundin.

„Meinst du nicht, dass man meinen Bauch sieht?“ Emma saß auf dem Sofa und versuchte, über ihre Brust hinab die Rundung um ihre Körpermitte zu sehen.

„Glaub mir, Emma, kein Mann wird auf etwas anderes als deinen Busen schauen!“, war sich Lilli sicher. Emma strahlte dankbar.

„Melanie, bist du endlich fertig?“ Lilli pochte an die Badezimmertür, hinter der sich Melanie seit einer Viertelstunde verschanzt hatte.

„Jaaa, ich komm gleich!“, dröhnte es lautstark heraus.

„Was dauert denn so lange? Soll ich dir helfen?“ Lilli war wie immer die Schnellste. Sie hatte sich stilsicher in eine glänzende khakifarbene Hose und ein raffiniertes schwarzes Oberteil ohne Ärmel gehüllt. Dazu trug sie einen auffallenden Armreif, goldene Creolen baumelten unter ihren geglätteten Haaren hervor.

Die Tür wurde aufgerissen und Melanie stapfte aus dem Bad: „Wir haben noch genug Zeit!“, beschwerte sie sich bei Lilli. „Es sind nicht alle mit idealem Aussehen gesegnet!“

„Wie kommst du auf so einen Blödsinn?“ Lilli musterte ihre Freundin von Kopf bis Fuß. „Du siehst großartig aus!“

„Meinst du wirklich?“ Melanie blickte zweifelnd auf ihre schwarze schmale Hose und die rotgemusterte Tunika mit dem tiefen Ausschnitt. Am Hals trug sie eine große Statement-Kette, ihr kurzer Bob fiel ihr locker ins Gesicht.

„Ja, glaubs mir! Verwende noch eine intensivere Farbe für deine Lippen.“ Lilli kramte in ihrer Handtasche und hielt Melanie einen leuchtendroten Lippenstift hin. „Mach schon!“, befahl sie. „Das wird das Tüpfelchen auf dem ‚i‘.“ Melanie folgte Lillis Befehl und betrachtete sich danach kritisch im Spiegel. Sie fand, sie sah ganz passabel aus. Dann wandte sie sich an Emma: „Und Marie will wirklich nicht mit?“

„Nein!“, versicherte Emma. „Ich wollte sie nochmals überreden, aber sie hat gesagt, dass sie ein wenig Zeit für sich braucht.“

„So hab ich mir unsere Reise nicht vorgestellt.“ Melanie verzog enttäuscht ihre Mundwinkel. „Marie hockt allein im Hotelzimmer und Sandra vergnügt sich irgendwo mit einem russischen Matrosen!“

„Sind alle erwachsen“, stellte Lilli klar, „auf geht’s!“

Der übliche Slalom auf dem Gehsteig wurde durch eine erhöhte Kundenfrequenz erschwert. Denn außer den Prostituierten waren etliche Freier auf dem Weg. Die Freundinnen mussten oftmals auf die Straße ausweichen, weil der Weg von den angriffslustig blickenden Damen des leichten Gewerbes blockiert wurde.

„Hey! Was soll das? Wir haben nicht vor, euch Konkurrenz zu machen!“, schimpfte Lilli, als eine stämmige Frau im roten Minirock sie anrempelte.

„Verzieh dich, du Schnalle!“, zischte die Prostituierte und machte einen drohenden Schritt auf sie zu. Für einen Augenblick blieb Lilli aufgestachelt stehen, doch Melanie schubste sie unsanft weiter.

„Sorry“, murmelte Melanie in Richtung der Bordsteinschwalbe, während Emma den beiden eingeschüchtert folgte. „Was ist los mit dir?“, schnauzte sie, nachdem sie ein paar Meter weitergelaufen waren und versetzte Lilli einen Ellbogenstoß.

„Aua!“ Lilli rieb sich empört die Rippen. „Warum …?“

„Ich bin nicht dein Bodyguard! Nur für den Fall, dass du glaubst, Mellie-Tower würde dich verteidigen!“, polterte Melanie.

„Ich habe nie so was von dir erwartet!“, beschwerte sich Lilli.

„Was bleibt mir den anderes übrig, wenn du Dumpfbacke deinen Mund nicht halten kannst!“, schimpfte Melanie.

„Nenn mich nicht Dumpfbacke!“, rief Lilli aufgebracht und stemmte ihre Hände in die Hüften. Wie zwei Kampfhühner starrten sie einander an. Emma stand hilflos daneben. Sie senkte beschämt den Kopf, weil die Prostituierten in Hörweite mit schadenfrohen Blicken den streitenden Frauen zusahen. Also stellte sich Emma tapfer zwischen ihre beiden Freundinnen: „Hey! Give Peace a Chance!“ Es dauerte eine Weile, bis die Codeworte zu Melanie und Lilli vordrangen. Als wache sie aus einem Albtraum auf, schüttelte Melanie ihren Kopf und blickte sich beschämt um. Lilli schien es ähnlich zu ergehen. Sie stieß einen Stoßseufzer aus, dann blickte sie reumütig auf ihre große Freundin.

„Tut mir leid, Melanie! Ich hab mich treiben lassen.“ Lilli zog eine bedauernde Schnute.

„So wie immer!“, betonte Melanie ungnädig. Doch sie schob ihre Freundin sanft weiter. Emma atmete erleichtert durch und hakte sich zwischen den beiden ein. Das umstehende Publikum wandte sich enttäuscht wieder ab, als das Trio kichernd in Richtung U-Bahn entschwand.

Prosecco~Wellen

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