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4.2Geltung der allgemeinen Regeln des Völkerrechts
Оглавление85Art. 25 GG erklärt die allgemeinen Regeln des Völkerrechts zu unmittelbar anwendbarem Bundesrecht, das im Rang den einfachen Gesetzen vorgeht18, allerdings nicht dem Verfassungsrecht.19 Das Grundgesetz weicht damit bewusst von der Formulierung des Art. 4 WRV ab, in der von „allgemein anerkannten“ Regeln des Völkerrechts die Rede war.20 Da nach damaliger Auffassung die Völkerrechtsnormen, die Deutschland nicht anerkannte, nicht zu den „allgemein anerkannten“ gehörten, lief die Vorschrift leer.
Aus Art. 25 GG folgt nunmehr, dass eine bestimmte Kategorie völkerrechtlicher Normen ohne die Entscheidung des Bundesgesetzgebers unmittelbar Rechte und/oder Pflichten für die Bewohner des Bundesgebiets begründen kann. Für den Fall, dass in einem Rechtsstreit streitig ist, ob eine Norm des Völkerrechts geeignet ist, diese weitreichende Rechtsfolge auszulösen, hat darüber gemäß Art. 100 Abs. 2 GG allein das Bundesverfassungsgericht zu befinden.21
Welche Völkerrechtsnormen zu den „allgemeinen Regeln“ gehören, ist nicht abschließend geklärt.22 Gemeint ist „Allgemeinverbindlichkeit“, was nicht gleichzusetzen ist mit Universalität, da es Völkerrechtsnormen geben kann, die sachlich nur eine begrenzte Anzahl von Staaten ansprechen (etwa Küstenstaaten).23 Die allgemeine Verbreitung soll die materielle „Richtigkeit“ der Norm gewährleisten.24 Einigkeit besteht, dass das zwingende Völkerrecht (ius cogens)25 den Kern der allgemeinen Regeln bildet. Hierzu zählen zumindest das völkerrechtliche Gewaltverbot (Art. 2 Ziff. 4 UNO-Satzung), das Selbstbestimmungsrecht der Völker (Art. 1 Ziff. 2 UNO-Satzung), das Folterverbot, das Verbot des Völkermordes und das Verbot der Sklaverei.26 Allgemeine Regeln des Völkerrechts sind auch die allgemeinen Rechtsgrundsätze im Sinne des Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut wie etwa das Verbot treuwidrigen Verhaltens27 oder einige Prinzipien der deliktischen Haftung, der ungerechtfertigten Bereicherung, des Eigentumsschutzes und der Indemnität.28