Читать книгу Veza Canetti zwischen Leben und Werk - Vreni Amsler - Страница 29
B3. Übersetzerin
ОглавлениеDie Autorin Veza Taubner alias Veza Magd notiert zu ihrer Berufstätigkeit in der Anthologie Dreissig neue Erzähler des neuen Deutschland knapp und kurz: „Übersetzungen“158.
Veza Taubner muss schon vor den 30er Jahren als Übersetzerin aus dem Englischen gearbeitet haben. Angelika Schedel159 gibt in ihrer Dissertation zu Veza Canetti an, sie habe Wolf Solent von John Cowper Powys übersetzt, und auch Elias Canetti erwähnt, seine Frau habe John Cowper Powys übersetzt. Als Übersetzer dieses Werkes im Zsolnay-Verlag gilt aber Richard Hoffmann.160 Der Jurist Dr. Richard Hoffmann hat 1919 an der Rechtswissenschaftlichen Abteilung der Universität Wien promoviert, danach arbeitete er im diplomatischen Dienst. Ab 1924 tritt er mit Übersetzungen für den Zsolnay-Verlag aus dem Englischen hervor. Er hat von 1924 bis 1940 mehr als 30 Werke übersetzt. Er gilt zudem als Übersetzer aus dem Russischen – Tolstoi, Dostojewski, Tschechow – wie auch aus dem Italienischen. Weiter war er daneben als Berater für den Zsolnay-Verlag tätig. Er erstellte Gutachten zu englischen Büchern auf ihre Eignung für eine allfällige Übersetzung hin.161 Das Übersetzungsbüro von Dr. Richard Hoffmann befand sich an der Wollzeile 9 in Wien I, sein Beruf wird in Adolph Lehmann’s allgemeinem Wohnungsanzeiger mit Schriftsteller162 angegeben. Dies wirft nun einen Blick auf eine in Betracht kommende Berufstätigkeit Veza Taubners in den 20er Jahren; mit hoher Wahrscheinlichkeit hat sie für Richard Hoffmann als Übersetzerin gearbeitet, vorstellbar ist, dass sie darüber hinaus Gutachten zur englischen Literatur verfasst hat – entsprechend dieser Tätigkeit im Exil für den Hutchinson Verlag (BaG 254). Zum Verhältnis zwischen dem Übersetzerbüro Dr. Richard Hoffmann und dem Zsolnay-Verlag ist im Konkreten leider nichts bekannt. Murray G. Hall schreibt dazu: „Das Geschäftsverhältnis zu den Übersetzern war sehr unterschiedlich: manche von ihnen hatten dem Verlage ein Werk bzw. einen Autor empfohlen und wurden daraufhin mit der Übertragung beauftragt, während andere wiederum im Einvernehmen mit dem Autor die Übersetzungen machten oder zumindest zeitweise in einem fixen Dienstverhältnis standen.“163 Auch ist nichts bekannt über eine direkte Zusammenarbeit von Veza Taubner/Canetti mit dem Zsolnay-Verlag, was die Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg betrifft. Die Erstpublikation der Übersetzung von Graham Greenes Die Kraft und die Herrlichkeit durch Veza Magd erfolgte 1947 bei Heinemann & Zsolnay.164 Veza Canetti schreibt 1946 an Georges Canetti, dass sie die Übersetzung von The Power and the Glory bereits sieben Jahren zuvor erstellt habe, also 1939. Mindestens diese Übersetzung beweist eine Zusammenarbeit mit Zsolnay für die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg.165
Hilde Spiel macht in einem Interview von 1990 darauf aufmerksam, dass Veza Canettis Bücher im Zsolnay-Verlag erschienen seien.166 Da diese Aussage nicht verifiziert werden kann – kein Buch aus dem Zsolnay-Verlag trägt den Autorennamen Veza Taubner, Veza Canetti oder eines ihrer Pseudonyme –, muss angenommen werden, dass Hilde Spiel die Übersetzungen aus dem Englischen gemeint hat. Ob Veza Canetti neben Greens The Power and the Glory unter dem Pseudonym Veza Magd und Powys’ Wolf Solent unter dem Namen Dr. Richard Hoffmann noch für mehr Übersetzungen aus dem Englischen bei Zsolnay verantwortlich war, ist unklar, jedoch sehr gut möglich, gerade auch weil Dr. Richard Hoffmann für einige Übersetzungen in diesem Verlag zeichnete.
Veza Taubner muss nebstdem für den deutschen Malik-Verlag übersetzt haben, und hier zeigt sich ein ähnliches Muster wie bei Zsolnay. Veza Taubner übersetzt einen Text, publiziert wird dieser hingegen unter einem anderen Übersetzernamen, hier unter dem ihres zukünftigen Ehemannes Elias Canetti.
Elias Canetti hat bekanntlich anfangs der 90er Jahre Helmut Göbels erzählt, dass Veza ihm bei den Sinclair-Übersetzungen geholfen habe, da sie ausgezeichnet Englisch gesprochen habe. „Besonders in der Übersetzung von ‚Alkohol‘ würden grosse Teile von ihr stammen.“167 Von Elias Canetti sind im Malik-Verlag drei Übersetzungen von Werken Upton Sinclairs bekannt, 1930 der Band Das Geld schreibt. Eine Studie über die amerikanische Literatur, dann im gleichen Jahr Leidweg der Liebe sowie 1932 Alkohol.168
Warum erst die Übersetzung von Graham Greenes Die Kraft und die Herrlichkeit unter dem Pseudonym von Veza Magd, das Veza Taubner sonst seit anfangs der 30er Jahre für literarische Erzeugnisse verwendet hatte, erscheinen durfte, lädt zu diversen Spekulationen ein. Ganz offensichtlich hat Veza Canetti hier nicht mehr im Unterakkord übersetzt, ihr Ghostwriting als Übersetzerin abgebrochen oder allenfalls, wie zu sehen sein wird, nur unterbrochen.
Diese Sachlage wirft natürlich wiederum einen Blick auf Veza Taubner als Autorin/Dichterin. Möglicherweise wäre auch hier ein ähnliches Muster zu beobachten, das heisst, ein Ghostwriting für andere Dichter, bevor sie mit dem Namen Veza Magd dann als Autorin selbst an die Öffentlichkeit getreten ist.
Welche Autoren kämen dafür in Frage? Wer ist ein Vielschreiber, wie Dr. Richard Hoffmann ein Vielübersetzer war? Veza Canetti selbst hat sich dazu in den bekannten Quellen nicht geäussert. Indirekt kann aber einiges an Ghostwriting (nicht nur bezüglich Korrespondenzen) für Elias Canetti oder Erich Fried, die 50er Jahre betreffend, nachgewiesen werden.
Wie sich Ghostwriting für einen Dichter lohnen kann oder eben nicht, beschreibt Veza Magd in der Erzählung Der Fund sehr ironisch gleich selbst, wenn sie über den Dichter Knut Tell berichtet: „Knut Tell hatte aus seinen langen Gedichten folgenden Ertrag: zehn Mark für ein Huldigungsgedicht, achtundsiebzig Liebesbriefe, vier Dutzend Lesezeichen, ein Kochbuch, das er bei einem Preisausschreiben gewann, und ein Exlibris, darstellend ein Zepter, einen Königsmantel und einen Totenkopf als Krone.“ (DF 11)
Hinter den Übersetzertätigkeiten von Veza Canetti wurden schon öfters eher private Gefälligkeiten statt einer konkreten Berufstätigkeit gesehen. Dies hat unter Umständen damit zu tun, dass Elias Canetti solche Tätigkeiten seiner Ehefrau gleichsam als Nebenthema in den Publizierten Lebenserinnerungen kurz streift, jedoch nicht in ihrer vollen Breite, ja Bedeutsamkeit ausführt. Er schreibt zum Beispiel in Die Fackel im Ohr, dass Veza Alfred Waldinger bei seinen Vertiefungen in die indische Philosophie geholfen habe, indem sie englische Quellentexte zum Thema übersetzt habe.169 Solches und Ähnliches wird dann als Interpretationsmodell von der literaturwissenschaftlichen Forschung übernommen und auf anderes angewendet. Zum Beispiel wenn geschrieben wird, Veza sei mit hoher Wahrscheinlichkeit nur aus privater Gefälligkeit für die Zeitschrift Ars Viva (Scherchens Zeitschrift) die Lyrik-Übersetzungen der chinesischen Dichterin Shü-Hsien in französischer Sprache durchgegangen.170