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2. Die Selbstbezweiflung des radikalen Fragens

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Doch gegen diese Wesensbestimmung des Philosophierens, die sich so tief in die Problematik verstrickt, meldet sich ein grundsätzliches Bedenken. Ist denn die Fassung des Philosophierens als des radikalen Fragens selbstverständlich? Zwar zeigt der Blick auf die Geschichte der Philosophie – und, wie sich im I. und II. Teil zeigen wird, auf die Geschichte der Philsophischen Theologie –, daß dieser Wesenszug immer deutlicher hervortritt. Aber das Faktum der geschichtlichen Tendenz erweist noch nicht die Unausweichlichkeit einer solchen Entwicklung. Es könnte ja sein, daß die Geschichte der Philosophie, gerade sofern sie diesen Aspekt bietet, die Geschichte eines großen Irrtums wäre. Müßte sich aber dann nicht das Fragen, wenn es wirklich radikal sein und alles in die Fraglichkeit werfen soll, auch und gerade gegen sich selber wenden und demgemäß auch das Verständnis seiner selbst als des radikalen Fragens infragestellen? Ist also nicht die Wesensbestimmung des Philosophierens als des radikalen Fragens selber eine höchst fragliche, eine radikal infragezustellende Behauptung?

Dieser Einwand darf nicht leichthin übersprungen werden. Das Philosophieren muß in der Tat die Radikalität seines Fragens auch gegen sich selber kehren. Es muß entschlossener zweifeln, als dies Descartes getan hat. Diesem ist das Zweifeln selber nicht mehr zum Problem geworden, sondern als Faktum stehen geblieben. Nur darum konnte ihm aus dem Zweifeln selber das zweifelnde Ich als unantastbare Gewißtheit entspringen. Es ist jedoch nicht einzusehen, weshalb das zweifelnde Fragen an irgend einem Punkte beschnitten werden, mit welchem Rechte es also selber der allgemeinen Zweifelhaftigkeit enthoben sein sollte.

Damit aber wird nun alles, sogar das Fragen selber, in den Wirbel der radikalen Fraglichkeit hineingezogen. Nicht nur bricht unter den Hammerschlägen des radikalen Fragens alle Gewißheit zusammen; der Hammer selber wird fraglich. Das Philosophieren gerät in tödliche Gefahr.

Aus dieser Schwierigkeit kann man sich nicht dadurch befreien, daß man argumentiert, die Bezweiflung des Zweifelns, das Fraglichmachen des Fragens, führe von sich selber her zu einer positiven Setzung. Die Dialektik der Negation der Negation bringt, wo es sich um den Ursprung des Philosophierens handelt, keine Rettung. Wer meint, sich durch eine solche formale Argumentation vor dem Abgrund bewahren zu können, kann zwar dazu gelangen, anzunehmen, er müsse in der Selbstbezweiflung des Zweifeins die Radikalität des Fragens aufgeben. Aber was ihm bleibt, ist nur die Leere und der Verzicht auf ein vom Grunde her fragendes Philosophieren. Aus der bloßen Negation der Negation entspringt nicht von selber – gleichsam durch das Wunder einer Geburt aus dem Nichts – die Möglichkeit eines das bloße Fragen überwindenden Philosophierens.

Darum muß es bei der Alternative bleiben: entweder die Radikalität des Fragens entschlossen auf sich zu nehmen, oder auf ein konsequentes Philosophieren zu verzichten. Wer das Philosophieren nicht gänzlich aufgeben will, kann den Nullpunkt, zu dem er darin gelangt, nicht um irgend welcher Unfraglichkeit willen verlassen, selbst auf die Gefahr der Selbstzerstörung des Philosophierens hin.

Doch es bleibt auch die Verlegenheit, in die ein solches Philosophieren gerät: daß nicht abzusehen ist, wie es zu positiven philosophischen Aussagen gelangen könnte. Eben aus dieser Verlegenheit erwächst erneut die Frage, worin denn die Notwendigkeit gründet, daß das Philosophieren radikales Fragen sein muß.

An diesem Punkte muß die Untersuchung vorerst innehalten. Das Problem der inneren Notwendigkeit des radikalen Philosophierens, das alles, auch sich selber, in den Strudel der Fraglichkeit hineinwirbelt, muß im II. Band wieder aufgenommen werden.

1 Martin Heidegger, Vom Wesen des Grundes, Frankfurt/Main 1959, S. 42.

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