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4. Der Gott und die Ideenwelt

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Wenn so „der Gott und die göttlichen Dinge sich in jeder Hinsicht aufs beste verhalten“ (P 381 b), wenn jener aus seinem eigenen Gutsein heraus die Welt ordnet (T 29 d–e), dann scheint diese philosophisch-theologische Behauptung Platons in einen Gegensatz zu dem zu geraten, was er im siebenten Buch der „Politeia“ über die „Idee des Guten“ sagt. Dort wird diese als „Ursache des Richtigen und Schönen“ bezeichnet, indem sie „Wahrheit und Vernunft bereitstellt“ (P 517 c). Noch deutlicher drückt sich Platon im sechsten Buch der „Politeia“ aus. Hier wird von der Idee des Guten gesagt, sie sei „die Ursache von Verstehen und Wahrheit“ (P 508 e), zugleich aber komme von ihr her dem, was erkannt wird, auch „das Sein und Wesen“ zu (P 509 b). So scheint also der Idee des Guten die Rolle zuzufallen, die an den bisher besprochenen Stellen dem Gott zugeschrieben wird. Darin aber liegt ein versteckter Widerspruch; denn Platon identifiziert nirgends ausdrücklich den Gott mit der Idee des Guten.

In der Tat bleibt das Verhältnis des Gottes zu dem Reich der Ideen und zu dessen Spitze, der Idee des Guten, in der Zweideutigkeit. Im „Timaios“ ordnet der Demiurg die Welt in der Weise, daß er „auf das sich im Selbigen Haltende blickt“ (T 28 a), auf das „immer Seiende“ (T 27 d), das „Ewige“ (T 29 a), und zwar so, daß er dieses „als Musterbild“ für sein Schaffen gebraucht (T 28 a). Das aber ist eben die Idee. Denn dieser wird ja gerade das Immersein zugesprochen (S 211 a). Dem schaffenden Gott sind also die Ideen vorgegeben. Im zehnten Buch der „Politeia“ dagegen wird ausdrücklich betont, daß „Gott“ die Idee des Bettes „schafft“ (P 597 b), daß „der Gott“ der „ Verfertiger des in Wahrheit seienden Bettes“ ist (P 597 d).

Diese Zweideutigkeit im Denken Platons läßt sich nicht restlos auflösen. In welche Schwierigkeiten die Ideenlehre als solche durch die Sonderung von Gott und Ideenreich gerät, zeigt der „Parmenides“ (Pa 134f.). Diese Problematik ändert freilich nichts an dem philosophisch-theologischen Grundcharakter der platonischen Philosophie. Entscheidend ist, daß sowohl der Gott wie die Ideen in jene Region gehören, die durch den Wesenszug des Immerseins ausgezeichnet ist. Und eben diese Region wird als die göttliche bezeichnet. Der Gott ist ja der, der „immerdar bleibt“ (P 381 c); das „ Göttliche“ wird mit dem „ Immerseienden“ identifiziert (P 611 e). Eben dieses Moment aber verbindet das Wesen des Gottes mit dem Wesen der Ideen; denn „der Philosoph, der sich der Idee des Immerseienden … zuwendet“, wendet sich damit zugleich der Region des „Göttlichen“ zu (So 254 a).

Diese Bestimmung des Göttlichen als einer Region des Immerseienden und deren Trennung von der vergänglichen Wirklichkeit ist es, was dem platonischen Denken zu entscheidender Wirksamkeit verhilft. Indem sie sich mit christlichen Gedanken verbindet, durchherrscht sie als einer der großen Grundzüge die gesamte Geschichte der Philosophischen Theologie bis zur Gegenwart.

Soll die Gottheit trotz dieser Entrückung in die Region des Immerseienden nicht in unerreichbare Ferne geraten, dann bedarf es einer Vermittlung zur endlichen Welt hin. Hier wird die Vorstellung eines schafenden Weltbildners bedeutsam, wie sie der „Timaios“ entwickelt. Freilich so, daß nun im christlichen Bereich – nach dem Vorgang Philos – die Ideen Gott untergeordnet und als dessen Gedanken vor Erschaffung der Welt verstanden werden. Gott erscheint nun als der große Handwerker, der in seinen Ideen die Welt vorentwirf und in seiner Macht sie jenen gemäß schafft. Damit aber werden Nähe und Ferne Gottes anders gedacht als im frühen Griechentum. Gott ist nicht mehr unmittelbar im Wirklichen anwesend, sofern die Welt nicht die Stätte seines Daseins, sondern das Produkt seines Wirkens ist; er ist aber vermittelt anwesend, sofern das Geschaffene wesensmäßig die Spur des Schafenden an sich trägt. Doch hält sich auch der Gedanke der unmittelbaren Anwesenheit der Gottheit weiterhin durch; ja, er gelangt, unter dem Einfuß des Neuplatonismus, im Ganzen des philosophisch-theologischen Denkens und damit auch im christlichen Raum zu bedeutender Wirksamkeit.

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