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§ 7. Das radikale Fragen in der Philosophischen Theologie 1. Der Zwiespalt in der Philosophischen Theologie

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Wenn, wie im Paragraphen 4 gezeigt worden ist, das Philosophieren da vor seine zentrale Frage gelangt, wo es Philosophische Theologie wird, dann muß auch das Problem seiner Radikalität an diesem Punkte seine eigentliche Schärfe erhalten. Der Philosophischen Theologie, sofern sie Theologie ist, geht es ja, wie im Paragraphen 3 dargelegt worden ist, darum, gegründete Aussagen über Gott zu machen. Als Philosophische Theologie dagegen muß sie sich als radikales Fragen vollziehen; in diesem wird jedoch die Möglichkeit gegründeter Aussagen überhaupt fraglich und damit wird die Basis zerstört, auf der allein, wie es scheint, eine Philosophische Theologie aufgebaut werden könnte. Damit aber wird der tiefe Zwiespalt im Begriff der Philosophischen Theologie, der bereits im Paragraphen 1 ans Licht trat, in voller Deutlichkeit sichtbar. Die Philosophische Theologie ist Theologie, sofern sie die Frage nach Gott stellt; aber sie verunmöglicht sich offenbar selber, sofern sie diese Frage als Philosophische Theologie, und das heißt in der Weise des Philosophierens als des radikalen Fragens stellt.

Es wäre freilich Selbstverrat, wollte die Philosophische Theologie um dieses Dilemmas willen auf ihr philosophisches Wesen und damit auf die Radikalität ihres Fragens verzichten. Das bedeutet aber zugleich: sie muß alle Voraussetzungen, auf denen sie etwa ruhen könnte, untergraben und fraglich machen.

Nun gilt jedoch auch für die Philosophische Theologie die Dialektik von Notwendigkeit und Unzulässigkeit von Voraussetzungen, wie sie im vorigen Paragraphen im Hinblick auf das Philosophieren überhaupt entwickelt worden ist. Auch die Philosophische Theologie kann nicht im Leeren einsetzen; sie fängt, als konkretes philosophisches Tun, in der jeweiligen geschichtlichen Situation an. Und doch muß eben hier die Radikalität des Fragens ins Spiel treten. Die Philosophische Theologie muß im Beginn ihres Weges die ihr vorgegebenen Voraussetzungen fraglich machen.

In der konkreten geschichtlichen Situation der Gegenwart bildet die christlich-theologische Auslegung des menschlichen Daseins, der Welt und Gottes den Horizont, in dem der Versuch einer Philosophischen Theologie von vornherein steht. Er bestimmt diese nicht nur im Ergebnis, sondern bereits im Ansatz der Frage. Eben darum ist der Versuch, Philosophische Theologie zu treiben, aus deren philosophischem Wesen heraus zu besonderer Wachsamkeit verpflichtet; er muß sorgsam darauf achten, daß nicht in sein Fundament die christliche Deutung des menschlichen Daseins, der Welt und Gottes sich fraglos und unbesehen einschleicht.

In solcher aus ihrem Wesen heraus notwendigen Zerstörung ihrer christlichen Voraussetzungen gerät die Philosophische Theologie in den Anschein einer grundsätzlichen Feindschaft gegen das Christentum. Doch eine solche prinzipielle und dogmatische Gegnerschaft widerspräche ihrem philosophischen Wesen. Fraglich machen heißt zugleich: offen sein für ein mögliches Unfragliches, dem entsprechend, daß das Fragen überhaupt und grundsätzlich auf Antwort aus ist. Aber ein solches Unfragliches darf die Philosophische Theologie nicht von außen her übernehmen; es müßte ihr auf ihrem eigensten Wege begegnen, nämlich am Ende ihres konsequent durchgehaltenen radikalen Fragens. Alle positiven Setzungen und Voraussetzungen dagegen, die sich von Anfang an in den Entwurf einer Philosophischen Theologie eindrängen wollen, müssen rücksichtslos beseitigt werden, damit diese auf ihren eigensten Weg gelangen kann. So ist die Philosophische Theologie zwar nicht antichristlich, aber sie muß sich in aller Entschiedenheit darum mühen, achristlich zu sein.

Auf diesem Wege der radikalen Verwerfung aller Voraussetzungen gerät die Philosophische Theologie in ihre äußerste Gefährdung. Indem sie die religiösen Gegebenheiten des Zeitalters erschüttert oder, soweit diese bereits zusammengebrochen sind, ihre Fraglichkeit unnachsichtig offenbar macht, indem sie so jegliche Sicherheit zerschlägt, begibt sie sich ins Ungeborgene, auf die Gefahr hin, die Möglichkeit einer Gewißheit endgültig zu verlieren. Sie geht das Wagnis ein, in ihrer Frage nach Gott nicht bei diesem anzulangen, sondern beim Nichts der völligen Bodenlosigkeit.

Angesichts dieser Gefahr des Absturzes in das Nichts erhält der Versuch, in der gegenwärtigen Situation Philosophische Theologie zu treiben, allererst sein eigentliches Gewicht. Er geschieht im Wissen darum, daß eine Philosophische Theologie, die ihr Doppelwesen als Theologie und als Philosophieren ernst nimmt, allem Anschein nach unmöglich ist. So wird die Aufgabe, die sie sich stellt, zu einem verwegenen Unternehmen: auf dem Wege des radikalen Fragens, das jede Antwort überholt und alles in den Abgrund der radikalen Fraglichkeit hinabstürzt, dennoch auf die Frage nach Gott eine gültige Antwort zu finden.

Das Schicksal der Philosophischen Theologie steht so im Ungewissen. Entweder es gelingt ihr, die widerstreitenden Momente zu verbinden: radikal zu fragen und gleichwohl zu einer gültigen Aussage zu gelangen; oder sie zerbricht in der Widersprüchlichkeit und stürzt, als scheiternde, in die leere Skepsis. Wenn sie aber überhaupt gewagt werden soll, dann muß sie dieses Risiko eingehen.

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