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Hysterie und Selbstgefühl

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Das »hysterische« Verhalten, in dem Sexualpartner bzw. die eigene sexuelle Bedeutung idealisiert bzw. blockiert und entwertet werden, hängt damit zusammen, dass in der Kindheit kein Austausch verinnerlicht werden konnte, in dem Eltern einander stabil bestätigt haben. Die regressive Entwicklungshemmung bedingt immer auch eine idealisierende Überschätzung eines möglichen Sexualpartners. Durch diese Entwicklungsstörung bildet sich kein stabiles Netz von Beziehungen aus, das durch Austausch zusammengehalten wird. So muss der Sexualpartner überschätzt werden. Da seine Idealisierung in der Realität nicht aufrecht erhalten werden kann, ergibt sich ein periodischer Wechsel von Idealisierung und Entwertung, der entweder (Don-Juan-Typus) zu immer neuen Beziehungsaufnahmen führt oder aber innerhalb ein und derselben Beziehung zu einem Wechsel von Entwertungstrennung und Annäherungskompromiss.

In der »modernen« seelischen Entwicklung sind beide Formen der Belastung meist verknüpft: Wenn Eltern keine stabile Beziehung haben, wenn die Mutter, die ein Kind versorgen soll, nicht ausreichend gut von ihrer Umwelt gestützt wird und mit ihr in stabilem Austausch steht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie bereits zu Beginn der Entwicklung dem Kind keinen ausreichenden Reizschutz bieten kann.

Die statistisch nachgewiesenen Risikofaktoren wie Sucht eines Elternteils, Geschwistergeburt in einem Abstand von weniger als einem Jahr belegen diesen Einfluss ebenso wie die seit langem bekannte Verknüpfung zwischen Zufriedenheit der Eltern und seelischer Anfälligkeit der Kinder. »Zufriedenheit« ist eine seelische Folge angemessener Austauschsituationen. So haben »zufriedene Hausfrauen« die günstigste Prognose für psychisch stabile Kinder, »zufriedene berufstätige Mütter« die zweitbeste, »unzufriedene berufstätige Mütter« die drittbeste und »unzufriedene Hausfrauen« die schlechteste.

Die im 19. Jahrhundert entwickelte Theorie, dass die »Hysterie« der Frau ihr Gegenstück in der männlichen »Hypochondrie« hat, hängt damit zusammen, dass es für Frauen auf Grund biologischer und kultureller Einflüsse die sexuellen Beziehungen sind, die die zentralen Fantasien über den Gewinn von Austausch und Schutz prägen. Für Männer stehen körperliche Stärke und Dominanz im Mittelpunkt.

In der Hysterie drehen sich die Dramen um Frösche und Prinzen, um den idealisierten (aber unerreichbaren) und den erreichbaren (aber nicht genügend bewunderten) Mann; in der Hypochondrie (die im 19. Jahrhundert als »männliche Hysterie« galt) geht es um die ängstliche Sorge um einen von Auflösung bedrohten Körper: Es gibt keine harmlosen Missempfindungen, es gibt nur organische Katastrophen. Beide Leiden spiegeln das Versagen des Reizschutzes in der frühen Kindheit und die geschlechtsspezifischen Kompensationsversuche wider.3

Narzisstische Störungen

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