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Haltung oder Technik?

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Beruht Psychotherapie auf einer Haltung oder auf einer Technik? Die Antwort ist natürlich »Auf beidem!«, aber man kann zusätzlich sagen, dass diese zwei Aspekte in unterschiedlichen Situationen akzentuiert werden. Wer als Therapeut beginnt, wer angehende Therapeuten unterrichtet oder seine therapeutische Methode in der Konkurrenz unterschiedlicher Verfahren durchsetzen will, der betont die Technik. Er wendet sie an, er kann sie lehren, wer sie beherrscht, der wird erfolgreich arbeiten, wer sie nicht beherrscht, muss scheitern.

Die Technik reicht in der Praxis jedoch oft nicht aus, weil sie viel zu sehr auf eine spezielle Situation zugeschnitten ist und – mechanisch angewendet – ihre versprochenen Wirkungen nicht entfaltet.

Wenn Fritz Perls mit seiner aus dem Psychodrama abgeleiteten Technik der Traumarbeit in Esalen einer Gruppe staunender Zuhörer die Geheimnisse der Gestalttherapie zeigt, dann fließen in seine Deutungen, Fragen und Anregungen dreißig Jahre Erfahrung als Psychoanalytiker, Philosoph, Arzt ein.

Wenn einer der Seminaristen nun in seinem Heimatland die in Kalifornien erlernten Techniken praktiziert und lehrt, wird ihm die erlernte Methode nicht zu einer vergleichbaren Ernte an Einsichten verhelfen. Wahrscheinlich wird er viel öfter erklären, dass die gestalttherapeutische Vorgehensweise solches oder solches vorschreibe. Er wird sich bei vielen Einfällen fragen, ob das jetzt ein technisch korrekter Einfall sei oder einer, der dem zu vermeidenden »verkopften« oder »autoritären« Umgang mit dem Klienten entspreche.

Ähnlich fragen sich unsichere Analytiker ständig, ob das, was sie tun, »analytisch« sei – gewiss viel öfter, als Freud sich das selbst gefragt hat. Eine zentrale Aufgabe der Supervision ist es, Berufsanfänger darin zu fördern, alle Kompetenzen, die sie haben, in die Therapiesituation einzubringen und diese nicht durch eine negative Fixierung an die neu erlernte Technik verarmen zu lassen.

Um solche Widersprüche zu klären, ist der Begriff der Haltung sinnvoll. Sie umfasst einen viel weiteren Bereich als die Technik oder die Methode: eine Art grundsätzliche Einstellung, die sich vielleicht am besten als intuitive Strukturierung des Erlebnisfeldes beschreiben lässt. Dieses wird eben durch diese Haltung so gestaltet, dass möglichst viel geschieht, was der Arbeit des Therapeuten nützt, und möglichst wenig, was sie behindert.

Die therapeutische Haltung geht der Methode insofern voraus, als in keiner Therapie die Methode noch angewendet werden kann, wenn die Bereitschaft des Klienten zur Kooperation verloren geht. Daher ist unter dem Aspekt der therapeutischen Haltung jede technisch auch noch so korrekte Intervention zu vermeiden, die dazu führt, dass der Klient unzugänglich wird und aus der Zusammenarbeit aussteigt. Die richtige Deutung ist schlechter als die falsche (oder keine), wenn sie zu einem Abbruch der Zusammenarbeit führt. Die therapeutische Haltung richtet sich auf die Zusammenarbeit und darauf, sich über alle durch die Therapie entstehenden Probleme konstruktiv auszutauschen. Sie sorgt dafür, dass der Therapeut nichts tut, was seine Arbeit und seine Rolle unklar macht, belastet, blockiert.

In diesem Buch geht es mir darum, eine therapeutische Haltung zu vermitteln, die den Umgang mit narzisstisch traumatisierten Menschen erleichtert und angehenden Therapeuten dabei helfen kann, die Arbeit mit diesen Personen so fesselnd und herausfordernd zu finden wie die Suche nach dem verdrängten Konflikt des Neurotikers.

Ich ziehe die Ausdrücke »narzisstisch traumatisiert« und »narzisstische Störung« anderen Beschreibungen wie Frühstörung, Persönlichkeitsstörung oder Borderline-Persönlichkeit vor. Dieser Begriff ist genau genug, um uns zu vermitteln, dass es um etwas anderes geht als bei den Neurosen. Er ist offen, sucht wenig zu etikettieren und möglichst genau zu beschreiben. Er lenkt die Aufmerksamkeit auf die Geheimnisse der Kränkungsverarbeitung, deren Gelingen und Versagen die Helfer nicht weniger beschäftigt als ihre Klienten. Therapy on Demand (TD), bedarfsorientierte Psychotherapie, ist von vielen Therapeuten schon immer praktiziert worden. Aber mir scheint manchmal, dass erfolgreiche Therapeuten dieses Geheimnis ihrer Arbeit eher verschweigen und es im Strom der offiziellen, von Ehrgeiz durchtränkten Schulmeinungen untergeht. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Therapeuten oft nichts davon ahnen und manchmal auch nichts davon wissen wollen, wie sehr das, was sie tun, das Selbstgefühl traumatisierter Menschen schädigen kann. Obwohl ich seit vielen Jahren als Lehranalytiker und Supervisor an einem analytischen Institut arbeite, habe ich aus frühen Begegnungen mit verschiedenen anderen Methoden und einem ausgeprägten Interesse an Kulturforschung und Lernpsychologie eine Art Immunität gegen Dogmatik in der Psychotherapie erworben. Ich schreibe nicht für Analytiker allein, sondern für alle Leser, die ihr Verständnis für Störungen des Selbstgefühls vertiefen wollen, ob es nun Psychologen, Pädagogen, Ärzte, Verhaltenstherapeuten, Systemiker – oder Betroffene! – sind.

Narzisstische Störungen

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