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Unterschiedliche Qualitäten des Traumas
ОглавлениеFlexible und kreative Idealisierungen entstehen durch Austauscherfahrungen, starre durch die Erfahrung des Traumas. Es gibt grobe und subtile Traumatisierungen, körperliche und psychische. Ein Autounfall, eine Vergiftung, eine schwere Erkrankung oder eine Behinderung haben traumatische Qualitäten. Sie ziehen aber die Psyche nicht so in Mitleidenschaft wie Folter, Vertreibung aus der Heimat, Vergewaltigung und andere Verletzungen, die durch gezielte Handlungen zugefügt werden.
Es gibt vermutlich genetische Dispositionen, die mitbestimmen, wie viele Verletzungen ein Mensch ausgleichen kann. Vielleicht können wir sie uns als Gefäß vorstellen, das allgemein Erfahrungen sammelt. Es gibt große und kleine, dichte und undichte Gefäße. Wer ein großes, stabiles Gefäß hat, um positive Erfahrungen zu sammeln, wird zuversichtlicher sein und bleiben als jemand, der ein kleines oder undichtes besitzt. Aber wer keine Erfahrungen sammeln kann, dass ihm ein Austausch gelingt, dem hilft auch das große Gefäß wenig. Die Vielfalt menschlicher Schicksale und Irritationen entsteht aus dieser Verbindung: Jede positive Erfahrung kann unterschiedlich gut gespeichert werden; umgekehrt nützt der beste Speicher nichts, wenn keine guten Erfahrungen vorliegen. Eine genetische Disposition, Erfahrungen energisch festzuhalten, kann bei guten Erfahrungen segensreich sein, bei schlechten wird sie zum Fluch. Brüchige Strukturen, die gute Erfahrungen nicht halten, schützen auch vor dem Persistieren der schlechten.
Eine weitere genetische Komponente ist die Aktivität des Organismus. Je aktiver, desto mehr positive Erfahrungen kann er sammeln, desto mehr Chancen hat er, negativen zu entgehen. Überall wirken hier Regelkreise: Wer durch seine Aktivität Erfolgserlebnisse sammelt, wird seinen Austausch mit der Umwelt noch aktiver gestalten und weitere Erfolgserlebnisse sammeln. Wer durch Misserfolg entmutigt ist, wird passiver und daher in seiner Mutlosigkeit bestätigt. Wem der konstruktive Austausch mit frühen Bezugspersonen gelingt, der hat gute Chancen, dass er auch später solche Austauschbeziehungen aufbauen und sich in ihnen stabilisieren kann. Wem er misslingt, der wird traumatisiert und in seiner Fähigkeit zum Austausch beeinträchtigt.