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Grundsätze der Therapy on Demand (TD)

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Therapy on Demand unterscheidet sich in folgenden Punkten von der klassischen Psychoanalyse und psychoanalytischen Therapie einerseits, von der traditionellen »kleinen« oder »stützenden« Psychotherapie andererseits:

1. Angesichts der zunehmenden Zahl so genannter »narzisstischer« Störungen ist die gesellschaftliche Geltung der theoretisch anspruchsvollen psychotherapeutischen Methoden – vor allem auch der Psychoanalyse – bedroht. Es kommt häufiger vor, dass die Größenfantasie eines oder einer Erkrankten mit der Größenfantasie eines Helfers unheilvoll interagiert. Dann sprechen später in Beratungsstellen oder psychotherapeutischen Kliniken Kranke vor, denen es nach jahrelanger, mehrstündiger Psychoanalyse nicht besser, sondern sogar schlechter geht als zuvor. Verhaltenstherapeuten publizieren solche Fälle als Beweis für ihre Vorurteile gegen die Psychoanalyse. TD soll solche Entwicklungen verhindern und helfen, sich von primitiven (beruflichen) Idealisierungen zu distanzieren.

2. Die Vorstellung einer »Heilung« narzisstischer Störungen und traumatischer Entwicklungen wird in diesem Kontext als problematisch erkannt. Wer sie anbietet oder entsprechenden Illusionen eines Kranken nicht aufklärend, sondern gewährend (und daher scheinbar zustimmend) begegnet, wird bei solchen Erkrankungen einen immensen, vergeblichen Aufwand betreiben. Eine Dokumentation dieser Problematik bietet Tilman Mosers jüngstes Buch Bekenntnisse einer halb geheilten Seele1.

3. Traumatisierungen führen zu Strukturschwächen des Selbstgefühls und stimulieren eine illusionäre, perfektionistische Sehnsucht nach einem »ganz normalen Leben«, das mit Hilfe einer Therapie hergestellt werden soll. Therapeuten können in einer Halt gebenden Beziehung die Kranken stabilisieren und eine konstruktive Entwicklung einleiten. Aber es gelingt in vielen Fällen nicht, diesen Prozess so abzuschließen, dass in Zukunft keine therapeutische Hilfe mehr notwendig ist. Wenn dies von der Therapie erwartet wird, kann sie den Zustand des Kranken und das Selbstgefühl des Therapeuten erheblich belasten. TD kann die Betroffenen von diesem letztlich deprimierenden Perfektionismus befreien.

4. TD ist »stützende« und aufdeckende Therapie zugleich. Sie ermittelt aus der Biografie des Kranken, der Familiendynamik und den soziokulturellen Einflüssen verletzliche Punkte. Sie unterstützt den Kranken in der Unterscheidung zwischen gravierenden Problemen und harmlosen Kränkungen. Sie bietet eine bedarfsorientierte, möglichst ökonomische Hilfe an, um in Selbstgefühlskrisen schnell und wirkungsvoll wieder eine Stabilisierung herzustellen.

5. TD verzichtet darauf, die endgültige Trennung vom Therapeuten als Ziel einer regelrechten, »abgeschlossenen« analytischen Behandlung zu fordern; sie lässt diese Frage offen. Sie strebt eine Kultur der therapeutischen Praxis an, in der es ohne großen formalen und emotionalen Aufwand möglich ist, in Krisen mit einer vertrauten, bereits früher als stabilisierend erlebten Person zu sprechen und einen Rahmen für bedarfsorientierte on-demand-lnterventionen zu finden, der sowohl die Bedürfnisse des Patienten als auch des Therapeuten berücksichtigt und dem Klienten Sicherheit gibt, ohne ihn in seiner Autonomie einzuschränken. Ziel einer Behandlung ist nicht die Ablösung, sondern die innere Freiheit des Klienten, je nach Bedarf fortzubleiben oder wiederzukommen.

6. TD versucht, die umfassende Theorie der Psychoanalyse um Gesichtspunkte aus der Narzissmusforschung, Bindungstheorie und Systemtheorie zu ergänzen. Ziel ist ein Gesamtkonzept aller eventuell in einer Lebensgeschichte notwendig werdenden Interventionen. Dieses wird in engem Austausch mit dem Patienten entworfen, schrittweise umgesetzt und je nach den Ergebnissen modifiziert.

7. TD versteht sich als professionelle Haltung, die eine dauernde Reflexion der eigenen Gegenübertragung voraussetzt, um die Mitte zwischen »stützenden« Interventionen und anderen zu finden, welche den Kranken konfrontieren und seine Autonomie fördern. Der Therapeut benötigt, um nicht unangemessen von eigenen Kränkungen oder narzisstischen Bedürfnissen beeinflusst zu werden, eine Intervisionsgruppe, die sein Berufsleben begleitet und on demand sichert, dass er nicht auf Grund eigener, unerkannter Stabilisierungsbedürfnisse seine abstinente Haltung einbüßt.

Narzisstische Störungen

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