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„Du warst mit CD aus?“, fragte Elvira Sarkos tags darauf spitz über ihren Schreibtisch hinweg.

„Ja.“ Gaby Lenz hatte keinen Grund, es zu leugnen. „Woher weißt du ...?“ Elvira machte eine vage Handbewegung. „München ist ein Dorf. Man hat euch gesehen.“

Gaby legte die Hände auf ihren Kopf. „O mein Gott, und nun wird hinter meinem Rücken heftig drauflosgemunkelt, nicht wahr?“

„Es kocht und brodelt in der Gerüchteküche“, nickte die Kollegin.

„Man wird eine Menge Unwahrheiten verbreiten. Vielleicht sollte ich ans schwarze Brett heften, was sich wirklich zugetragen hat.“

„Was hat sich denn wirklich zugetragen?“, fragte Elvira Sarkos neugierig.

„Nichts.“

„Du hast Ringe unter den Augen.“

„Ich bin spät nach Hause gekommen“, gab Gaby zu.

„Obwohl sich nichts zugetragen hat.“ Gaby nickte. „So ist es. Und daheim hat mein Vater mich dann auch noch mit so etwas wie einem Herzanfall erschreckt, wenn du es genau wissen willst. Ich musste unseren Hausarzt rufen.“

„Tut mir leid“, sagte Elvira. Sie öffnete die Schreibtischlade und dopte sich mit Schokolade. „Wieso hast du’s geschafft, mit CD auszugehen?“

„Er ist zu mir gekommen ...“

„Ins Haus?“ Elviras Augen weiteten sich, und große Enttäuschung malte sich auf ihren aparten Zügen.

„Ja“, sagte Gaby Lenz. „Wir sprachen über meinen Artikel, räumten Meinungsverschiedenheiten aus, rissen Zaune nieder und rauchten schließlich in einem Restaurant die Friedenspfeife. Dabei haben wir dann ein wenig die Zeit aus den Augen verloren.“ Jetzt wurden Elviras Augen schmal. „Hat CD dich anschließend nach Hause gebracht?“, fragte sie heiser.

„Er weiß, was sich gehört.“

„Und?“ Die Spannung war Elvira anzusehen.

„Er hat mich nicht geküsst, wenn es das ist, was du hören möchtest. Gute Nacht. Auf Wiedersehen. Und fertig. Ich stieg aus. Er fuhr heim. Das war alles.“

„Angenommen, er hätte versucht, dich zu küssen“, sagte Elvira mit belegter Stimme.

„Er hat es nicht versucht.“

„Nur mal angenommen.“

Gaby seufzte. „Na schön.“

„Was hättest du dann getan?“, wollte Elvira Sarkos wissen.

Gaby zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“ Hier blieb sie nicht ganz bei der Wahrheit, aber dies geschah in Elviras Interesse. Gaby wollte der Kollegin den Tag nicht vermiesen. „Hättest du ihm eine geknallt?“ Gaby Lenz schmunzelte. „Wenn der Kuss mich nicht vom Hocker gerissen hätte, ja.“

„Gaby!“, stieß Elvira Sarkos empört hervor.

„Ein Scherz“, sagte Gaby beschwichtigend. „War nur ein Scherz.“

„Mit so etwas spaßt man nicht“, sagte Elvira vorwurfsvoll. Das Telefon auf ihrem Schreibtisch läutete. Sie griff nach dem Hörer und meldete sich: „Redaktion ‘Täglich Neues’. Guten Tag. Mein Name ist Elvira Sarkos. Was kann ich für Sie tun?“

Während sie telefonierte, läutete auch Gabys Telefon, und am andern Ende war CD Forstner. „Guten Morgen“, sagte er.

„Guten Morgen“, gab sie zurück. „Haben Sie Zeit?“, fragte er. „Können Sie kurz in mein Büro kommen?“

„Bin schon unterwegs.“ Sie legte auf, stand auf, nahm die Neufassung ihres Artikels mit und begab sich in das Büro des Chefredakteurs.

„Wie geht es Ihnen?“, erkundigte sich CD, als sie eintrat.

Gaby seufzte. „Nicht so besonders.“ Er sah sie schuldbewusst an. „Ich hätte Sie früher heimbringen sollen.“ Sie erzählte ihm von ihrem Vater. Er bot ihr sofort seine Hilfe an. Er sagte, er kenne einen bekannten Kardiologen, und wenn sie wolle, würde er ihn anrufen, doch Gaby meinte: „Ich möchte, dass unser Hausarzt Dr. Kayser meinen Vater mit einigen Kollegen in der Seeberg-Klinik untersucht.“

„Okay. Aber sollte ein Spezialist vonnöten sein, sagen Sie es mir bitte. Dann rufe ich ihn sofort an.“

„Danke. Das ist sehr nett von Ihnen.“ Gaby wedelte mit ihrem neuen Artikel.

„Was ist das?“, fragte Claus-Dieter Forstner.

„Ich habe Ihnen gestern etwas verschwiegen.“

„So? Und was?“

„Dass ich die ‘Engel von Grünwald’ bereits überarbeitet hatte.“ Sie streckte ihm die Blätter entgegen. Er nahm sie. „Diese Neufassung wird Ihnen mit Sicherheit zusagen“, erklärte Gaby. „Und ich möchte fairerweise hinzufügen, dass Sie mit Ihrer Kritik recht hatten.“ Sie schenkte ihm ein warmes Lächeln. „Danke, CD, Sie haben mir damit echt geholfen, den Bericht besser zu machen.“

„Ich werde ihn gleich lesen.“

„Das hat keine Eile.“

„Doch, doch, ich möchte ihn jetzt sofort lesen “, sagte der gutaussehende Chefredakteur. „Bitte setzen Sie sich. Setzen Sie sich, Gaby.“

Sie nahm Platz, und er las ihren Artikel. Er konnte sehr schnell lesen, war innerhalb weniger Augenblicke damit fertig.

Danach sah er sie begeistert an und sagte: „Bravo, Gaby. Jetzt ist Ihr Bericht perfekt. Sie haben ihn gestrafft und so geformt, dass er von der ersten Zeile weg packt.“

„Sollten Sie wieder einmal etwas an einem Artikel von mir auszusetzen haben, werde ich nicht noch mal die beleidigte Leberwurst spielen. Ich habe mich dumm benommen. Bitte entschuldigen Sie.“

„Aber, aber, Gaby, ich bitte Sie. Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Sie wissen nun, worauf es mir ankommt, und ich weiß, dass Sie das meisterhaft umsetzen können.“

Als Gaby wenig später an ihren Schreibtisch zurückkehrte, fragte Elvira Sarkos: „Wo warst du?“

„Bei CD.“

„Hatte der schon wieder Sehnsucht nach dir?“ Elvira beruhigte ihre Nerven mit einem Plättchen After Eight.

„Keine Sorge, er hat mir keinen Heiratsantrag gemacht“, sagte Gaby Lenz, und dann widmete sie sich ihrer Post.

Sie hätte gerne gewusst, was bereits alles über sie und CD in Umlauf war.

Bestimmt gab es da einige recht schmutzige Unterstellungen, die sie nicht entkräften konnte, weil man sie ihr niemals direkt ins Gesicht gesagt hätte.

Der Arztroman Koffer Oktober 2021: Arztroman Sammelband 10 Romane

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