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Der Biergarten war zum Bersten voll. Auf einem Holzpodium spielte laut und beschwingt eine Blasmusikkapelle, und die stämmigen Kellnerinnen schleppten für die durstigen Gäste emsig schwere Krüge heran.

„Danke, dass Sie gekommen sind, Herr Marmann“, sagte Dr. Sven Kayser. Er hatte den Versicherungsvertreter angerufen und ihn um dieses Treffen gebeten. Die Krüge, die vor den beiden Männern standen, waren noch fast voll. „Ihre Frau war gestern bei mir.“

„Ist sie krank?“, fragte Josef Marmann. Es klang erschrocken und besorgt.

Dr. Kayser erzählte, weshalb Lotte Marmann ihn aufgesucht hatte, und er kam auf das schwelende Problem zu sprechen, das das Ehepaar Marmann zurzeit trennte. „Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Ihre Frau das alte Geschirr mit Absicht kaputtgeschlagen hat“, sagte er.

„Sie mochte es von Anfang an nicht“, brummte Josef Marmann. Das Haar des Sechzigjährigen war schon ziemlich schütter, und er hatte im Laufe der Zeit einige „Jahresringe“ um die Leibesmitte angesetzt. „Es gefiel ihr nicht“, sagte er. „Sie wollte immer wieder, dass wir es weggeben. Für mich aber war es ein Andenken an einen lieben Menschen. Ich hatte meine Großmutter sehr gern, habe eine Zeitlang bei ihr gelebt. Dieses Porzellangeschirr war alles, was mir von ihr geblieben ist.“

„Ein schmerzlicher ideeller Verlust“, sagte Sven Kayser verständnisvoll, „doch wenn Ihre Frau sagt, dass das Geschirr einem bedauerlichen Missgeschick zum Opfer fiel, sollten Sie ihr das glauben. Hat Lotte Sie schon mal belogen?“

„Mit Sicherheit noch nie.“

„Warum sollte sie es ausgerechnet in diesem Fall tun? Anstatt ihr hoch anzurechnen, dass sie das Wohnzimmer allein tapeziert, strafen Sie sie mich dieser haltlosen Ungerechtigkeit. Finden Sie das richtig, Herr Marmann?“

„Ich habe mich geärgert.“

„Sollte Ihr Ärger inzwischen nicht verraucht sein?“

„Ich hatte den Eindruck, Lotte wäre erleichtert, als sie die Scherben sah.“

„Sie sollten Ihre Frau besser kennen“, sagte der Grünwalder Arzt. „Sie würde bestimmt nie etwas absichtlich zerstören, an dem Sie hängen.“ Josef Marmann wand sich. „Nun ja, vielleicht haben Sie recht.“

„Wissen Sie, was ich an Ihrer Stelle tun würde?“

„Was?“

„Ich würde Lotte einen großen Blumenstrauß schenken und mit ihr Frieden schließen“, sagte der Allgemeinmediziner, dem nicht nur das gesundheitliche Wohl seiner Patienten am Herzen lag, sondern auch das seelische. „Allein schon wegen Karina, deren Hochzeit unmittelbar bevorsteht“, fügte er hinzu.

Die Blasmusik spielte „Ein Prosit der Gemütlichkeit“, Dr. Kayser nahm seinen Bierkrug, stieß mit Josef Marmann an und sagte: „Ich trinke auf Ihr Wohl, auf Ihre Vernunft und auf Ihre Einsicht, mein Lieber.“

Und der Versicherungsagent kam tatsächlich eine Stunde später mit einem wunderschön arrangierten Blumenstrauß nach Hause, aber seine Frau war nicht da.

Er legte die Blumen auf den Wohnzimmertisch und suchte nach einer geeigneten Vase. Es läutete an der Wohnungstür, und als Josef Marmann öffnete, stand ihm Karina gegenüber. Er war überrascht und freute sich, sie zu sehen. „Karina ... Wenn du zu Mama möchtest ...“

„Mama ist bei Tante Dolly.“ Karina trat ein und küsste ihren Vater auf die Wange.

„Das Brautkleid, das sie für dich näht, wird bestimmt eine Sensation. Sie ist mit Nadel und Zwirn eine begnadete Künstlerin.“

Josef Marmann ging mit seiner hübschen Tochter ins Wohnzimmer. Er hatte immer versucht, seine Liebe gerecht über seine beiden Töchter zu verteilen, doch wenn er nicht aufpasste, bekam immer Karina ein klein wenig mehr davon ab. Weil sie etwas offener und zugänglicher war als ihre Schwester. Nina war zu selbständig. Sie wollte ihren eigenen Weg gehen und sich von niemandem helfen lassen. Josef bot seiner Tochter Platz an. „Hast du inzwischen eine neue Stellung in Aussicht?“, erkundigte er sich.

„Direktor Stokowski hat mich übermorgen zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.“

Josef Marmann nickte zufrieden. Er kannte den Schuldirektor, hatte ihn ohne Karinas Wissen gebeten, ihre Bewerbung wohlwollend zu behandeln. „Rolf Stokowski wird von dir begeistert sein. Du wirst den Job kriegen.“

„Aber zuerst wird geheiratet und geflittert“, sagte Karina.

„Jamaika ist traumhaft schön. Die Insel wird euch gefallen.“

„Darf ich dir verraten, weshalb ich hier bin, Paps?“

„Nur zu.“

„Ich möchte dich händeringend bitten, mir meine Hochzeit nicht kaputtzumachen“, sagte Karina aufgeregt. Ihr Herz schlug ganz laut gegen die Rippen. „Es darf an diesem Tag keinen Missklang geben, deshalb flehe ich dich an: Versöhne dich mit Mutti, damit ich mich auf euch beide freuen kann, wenn ich Hardy das Jawort gebe.“

Josef Marmann deutete mit dem Kinn zum Tisch. „Siehst du die Blumen? Was meinst du, für wen die wohl sind?“

„Für Mutti?“

Marmann grinste. „Welcher Mann schenkt sich selbst Blumen?“

„Du wirst dich also mit Mutti versöhnen?“, fragte Karina heiser.

„Das habe ich vor.“

„O Paps.“ Sie fiel ihm um den Hals und küsste ihn ungestüm.

„Nicht so wild.“ Er lachte. „Reiß mir nicht den Kopf ab.“

Er erzählte ihr von seinem Treffen mit Dr. Kayser, der ihm ins Gewissen geredet hatte, und sie sagte: „Einen Arzt wie ihn gibt es kein zweites Mal. Dr. Kayser ist mit Gold nicht aufzuwiegen.“

Sie hatte es eilig, nach Hause zu kommen und Hardy die freudige Botschaft zu überbringen.

Zwei Stunden später kam Lotte Marmann nach Hause. Ihr Mann hatte die Blumen inzwischen in eine Vase getan, und er sagte mit verlegen gesenktem Kopf: „Die sind für dich. Ich möchte dir dafür danken, dass du unser Wohnzimmer ganz allein so hübsch tapeziert hast, und ich möchte mich in aller Form bei dir dafür entschuldigen, dass ich dich so ungerecht behandelt habe. Kannst du mir vergeben? Sind wir wieder gut?“

Sie ging mit nassen Augen zu ihm, lächelte ihn erleichtert an, strich ihm sanft übers schüttere Haar und sagte mit belegter Stimme: „Ich bin froh, dass wir uns wieder vertragen, Josef.“

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